Gastauftritte:Türkische Minister sprechen in Deutschland

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Der Auftritt des Justizministers Bekir Bozdağ in Baden-Württemberg ist umstritten. (Foto: AFP)
  • An diesem Donnerstag kommt Erdoğans Justizminister Bozdağ nach Baden-Württemberg, um eine Wahlkampfrede zu halten.
  • Der Auftritt eines weiteren Ministers ist angekündigt.
  • Deutsche Politiker protestieren gegen die Auftritte. Rechtlich wäre ein Verbot möglich.

Von Ronen Steinke, München

Für den Fall des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel, der am Mittwoch in den berüchtigten Gefängniskomplex in Silivri verlegt wurde, scheint die Regierung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan bislang wenig Interesse zu zeigen.

Trotz aller Proteste aus Deutschland blickt Erdoğan dennoch oft in diesen Tagen dorthin: Erdoğan steht mitten im Wahlkampf, am 16. April stimmen die Türken in einem Referendum darüber ab, ob noch mehr Macht im Staate bei ihrem Präsidenten konzentriert wird, und in Deutschland leben zwei Millionen türkische Wahlberechtigte. Deutschland ist damit der viertgrößte türkische Wahlbezirk nach Istanbul, Ankara und Izmir.

An diesem Donnerstag nun kommt Erdoğans Justizminister, um eine Wahlkampfrede in der Nähe von Baden-Baden zu halten. Minister Bekir Bozdağ ist in der Türkei zuständig für Gerichte, Gefängnisse, mithin auch für die Verfolgung von Journalisten wie Deniz Yücel. Und er ist ein Gast, der in Deutschland öffentlich für seine Politik werben darf?

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Der Saal der Festhalle Gaggenau-Bad Rotenfels bietet Platz für 450 sitzende oder 800 stehende Gäste, heißt es beim Vermieter, der Kommune. Die Veranstaltung mit dem Justizminister, die um 19 Uhr beginnen soll, hat ein Verein angemeldet, der sich AK Parti Yurtdışı Seçim Koordinasyon Merkez nennt, ungefähr übersetzbar mit AKP Koordinationszentrum für türkische Wähler im Ausland.

Für den Sonntag ist auch schon der nächste Auftritt eines türkischen Ministers in Deutschland angekündigt: Nihat Zeybekçi ist Wirtschaftsminister unter Erdoğan. Von 18.30 Uhr an spricht er, so steht es auf der Webseite des besagten AKP-Vereins, im Rathaussaal von Köln-Porz.

AKP-Chef Erdoğan hat in der Vergangenheit schon mehrmals Wahlkampfauftritte in Deutschland abhalten können, 2008 in Köln, 2011 in Düsseldorf, 2014 wiederum in Köln. Das war aber noch vor dem Versuch eines Putschs gegen ihn im Juli 2016, auf den er mit einer beispiellosen Verhaftungswelle reagierte.

Rechtlich wäre ein Verbot der Auftritte möglich

Zuletzt durfte in der vorvergangenen Woche Erdoğans Ministerpräsident Binali Yıldırım in der Arena Oberhausen auftreten - dagegen protestierten aber bereits zahlreiche deutsche Politiker. Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Sahra Wagenknecht, forderte, solche Auftritte zu verbieten.

Rechtlich wäre das möglich. Es sei stets "ein Zeichen der Großzügigkeit" gewesen, dass die Bundesregierung ausländische Wahlkampfauftritte auf deutschem Boden gestattet habe, sagt der in Hamburg lehrende Staatsrechtsprofessor Stefan Oeter.

Denn für Politikerbesuche gilt ein strenges diplomatisches Korsett, der Ablauf muss vom Gastgeberland vorher abgesegnet werden. "Da wäre es ein leichtes, einen bestimmten Auftritt zu verhindern." Um das zu umgehen, kommen türkische Politiker seit Jahren vorgeblich als Privatleute nach Deutschland.

Das ist eine fadenscheinige Fiktion, wie der Europäische Gerichtshof in einem vergleichbaren Fall klargestellt hat, in dem es um einen "Privatbesuch" des ungarischen Präsidenten in der Slowakei ging. Aber zum Streit habe es die deutsche Seite eben nie kommen lassen, erklärt der Staatsrechtler Oeter; stattdessen habe sie das Spiel freundlich mitgespielt.

Selbst wenn Berlin dabei bleibt, könnten auch die Sicherheitsbehörden der jeweiligen Bundesländer einschreiten. Gewiss, das Versammlungsrecht ist gewichtig, und anders als die türkischen Gäste können sich ihre deutsch-türkischen Gastgeber auf dieses politische Grundrecht aller Deutschen auch berufen. Aber es endet dort, wo konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit drohen. In geschlossenen Räumen ist diese Hürde besonders hoch, sie gilt aber auch dort. Hetze gegen Kurden und Gülen-Anhänger ist in Deutschland schon mehrfach in Gewalt umgeschlagen.

Mitarbeit: Hakan Tanriverdi

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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