G 20: Protestwelle in Hamburg:Gegen Trump und ein wenig gegen Merkel

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Die erste Großdemo gegen den G-20-Gipfel beginnt. Tausende fordern mehr Gerechtigkeit, Klimaschutz - und Demokratie.

Von Matthias Kolb, Hamburg

Der Rathausmarkt in Hamburg ist voll, die Demonstranten stehen auch in den Nebenstraßen. Sie trotzen abwechselnd dem trüben Regenwetter oder freuen sich über die wenigen Sonnenstrahlen. Mehrere große Plastikballons machen deutlich, worum es bei der sogenannten G20-Protestwelle geht: "Klima retten" und "Kohle stoppen". Doch auf den vielen bunten Plakaten, die in der Hansestadt ein "Bannermeer" bilden, wird noch mehr angesprochen: "Eure Steueroasen sind unsere Hölle", steht dort genauso wie "Demokratie steht nicht zum Verkauf" oder ein eindeutiges "FCK TRMP" als Begrüßung für den US-Präsidenten.

In der Masse der Schilder ist nur ganz vereinzelt "No G20" zu lesen. Wer hier mitmarschiert, der spricht der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern nicht die Legitimität ab, sondern fordert sie vielmehr dazu auf, andere Prioritäten zu setzen. "Ihre Politik darf nicht mehr nur Monsanto, Google, Amazon und Co. dienen", ruft Christoph Bautz von Campact. Eine Vertreterin von Greenpeace kritisiert das geplante Jefta-Freihandelsabkommen mit Japan: "Die Politiker haben nichts gelernt, die Unternehmen sind wichtiger als die Bürger." Die Enthüllung durch die jüngsten Leaks werden bejubelt.

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Mit einer Bootsdemo auf der Binnenalster und dem bunten "Bannermeer" will das Protestwelle-Bündnis zeigen, dass Kritik am Hamburger G20-Gipfeltreffen überhaupt nichts mit Gewalt zu tun haben muss. Wie von den Organisatoren erhofft, beginnen die Proteste auf eine Art, die mit "friedlich, kreativ und solidarisch" gut umschrieben ist. Bürger aus der ganzen Republik sind angereist, Familien haben ihre Kinder mitgenommen, Rentner demonstrieren ebenso wie Studenten und Auszubildende. Aktivisten sind aus Rumänien, Polen, Großbritannien und anderen Ländern gekommen. Die Polizei spricht von 8000 Teilnehmern, die Zahl könne noch steigen. Den Veranstaltern zufolge waren es 25.000, erwartet hatten sie Zehntausende Demonstranten.

Hinter der Protestwelle stehen Umwelt-, Bürgerrechts-, Sozial- und Entwicklungsorganisationen wie Greenpeace, Oxfam, DGB, Nabu, der WWF und die Naturfreunde. Zu den Rednern am Rathausmarkt gehört Ernst-Christoph Stolper, der Vizechef der Naturschutzorganisation BUND. "Wir haben uns bewusst entschieden, vor dem Gipfel zu protestieren. Nur so werden unsere Forderungen beachtet", sagt er.

Die Videos und Fotos, die an diesem Sonntag entstehen, sollen immer wieder in den Medien zu sehen sein, bis die Staats- und Regierungschefs am Samstagabend abgereist sind und auch die 20 000 Polizisten nach Hause dürfen. Die Strategie habe sich 2015 beim G-7-Gipfel in Elmau bewährt, als vorab 40 000 Menschen in München gegen TTIP demonstrierten und so die Berichterstattung prägten. Für Stolper steht fest: "Inhalte kriegt man nur am Anfang durch."

Kanzlerin soll gegen Trump klare Kante zeigen - und daheim nachbessern

Dass sich die Debatte momentan vor allem um die "Festung Hamburg" ( Stern) und die Furcht vor Randale dreht (als Härtetest gilt die "G20 to Hell"-Demo am Donnerstag), missfällt den Organisatoren. In der Bild am Sonntag hatte Innenminister Thomas de Maiziére seinen Beitrag geleistet und gewarnt: "Die Linie ist klar: Gewalt, egal von wem, muss im Keim erstickt werden." In dieser Stimmungslage will das Protestwelle-Bündnis nun jede Chance nutzen, ihre Botschaften zu verbreiten. Dass die Themen Klima und Energie im Mittelpunkt stehen, liegt laut Stolper am US-Präsidenten: "Trump hat eine Gegen-Revolution angezettelt und will zurück ins atomar-fossile Mittelalter."

Um Trump geht es auch bei der Rede der Aktivistin Nelini Stamp aus New York. Stamp war bei "Occupy Wall Street" dabei und engagiert sich bei "Black Lives Matter", seit Monaten organisiert sie unter #ResistTrumpTuesdays Proteste gegen den Mann, den sie nicht "mein Präsident" nennen kann. Die 29-Jährige hat aber auch eine andere Botschaft: "Ich will zeigen, dass die USA immer noch an der Seite der globalen Gemeinschaft stehen. Dass viele von uns gegen Trump sind."

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Die Erwartung der Demo-Organisatoren an die Kanzlerin ist klar: Sie muss beim Gipfel am 7. und 8. Juli eine Allianz gegen den konservativen US-Präsidenten schmieden, die sich klar zum globalen Klimaschutz bekennt. Stolper würdigt, dass sie sich international für das Pariser Klima-Abkommen einsetze - und kritisiert dann die Regierung: "Es wird zu viel gezögert und und gezaudert. Merkel verschleppt den Braunkohle-Ausstieg und sorgt nicht für eine echte Wende in der Verkehrspolitik. Die Emissionen nehmen weiter zu, die Klima-Ziele für 2020 wird Deutschland verfehlen."

So lässt sich die Stimmung umschreiben: Man demonstriert in Hamburg wütend gegen Trump, aber zugleich auch ein wenig gegen Merkel. In den Augen von Campact-Mann Bautz ist der Gipfel vor allem eine "Wahlkampf-Show" und er fordert Hamburgs Ersten Bürgermeister auf, die demokratischen Rechte zu achten: "Heben Sie das Verbot des Protestcamps auf." Eine 38 Quadratkilometer große Demo-Verbotszone sei eine Schande für eine Demokratie wie Deutschland: In anderen G-20-Staaten wie Russland, Türkei oder Saudi-Arabien seien solche Aktionen und Demos undenkbar.

Der eigentliche Wunsch: ein andereres Wirtschaftssystem

Neben einer großen Welle ist auf den Plakaten für die Großdemo auch dieser Satz zu lesen: "Eine andere Politik ist nötig." Diese Forderung wird von zivilgesellschaftlichen Vertretern aus aller Welt geteilt. Mitte Juni forderte der "Civil 20"-Gipfel von den Politikern in einem Communiqué "eine radikale Transformation des gegenwärtigen neoliberalen Wirtschaftssystems".

Ernst-Christoph Stolper vom BUND diskutierte in Hamburg mit Bundeskanzlerin Merkel auf dem Podium und er sieht die Bundesregierung in dieser Frage in der Defensive: "Am deutschen Wirtschaftsmodell eines riesigen Exportüberschusses hält Merkel weiter fest. Dabei ist es nicht nur Trump, der das beklagt: Neben den Südeuropäern sieht das auch IWF-Chefin Lagarde sehr kritisch." Indem Berlin stur weiter mache wie bisher, schade man der eigenen Glaubwürdigkeit in der EU und weltweit.

Wie sehr "eine andere Politik" das Leben vieler Millionen Menschen außerhalb Europas und anderer Industriestaaten verbessern könnte, darüber spricht am Nachmittag Selina Leem, eine Klimaaktivistin von den Marshall Islands, Dort, in Ozeanien, versinkt die Lebensgrundlage der Bewohner wegen des Klimawandels gerade im Meer ( mehr in dieser SZ-Digitalreportage "Wo die Welt gerade untergeht"). Ähnlich dramatisch wäre es auf den Philippinen. Bei einem der Vortreffen der Zivilgesellschaft erinnerte Umweltschützer Red Constantino, was auf dem Spiel steht: "Es geht ums Überleben."

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