Formel-1-Rennen in Bahrain:Proteste fordern erstes Todesopfer

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Vor dem umstrittenen Formel-1-Rennen in Bahrain wird ein Aktivist tot aufgefunden. In der Nacht war es zwischen Gegnern der Herrscherfamilie und Polizisten zu heftigen Ausschreitungen gekommen, die Beamten setzten Tränengas ein. Doch Teams und Fahrer wollen in der politischen Debatte nicht Position beziehen. Das verärgert die Protestbewegung.

Nach nächtlichen Ausschreitungen ist in Bahrain ein Mann tot aufgefunden worden. Die Polizei ging in der Nacht zum Samstag mit Tränengas gegen Demonstranten vor. Maskierte Jugendliche warfen Brandbomben auf die Sicherheitskräfte und versuchten, auf den Platz in der Hauptstadt Manama vorzudringen, der im vergangenen Jahr das Zentrum der Proteste gewesen war.

Auf dem Dach eines Hauses in Shakhura nahe der Hauptstadt Manama wurde der tote Salah Abbas Habib gefunden. Demonstranten und Polizei lieferten sich dort heftige Kämpfe. (Foto: AFP)

Bei dem Toten handelt es sich nach Angaben der Oppositionspartei Wefaq um Salah Abbas Habib, der zu einer Gruppe von Demonstranten gehörte, die sich am späten Freitagabend in einem Dorf nahe der Hauptstadt eine Auseinandersetzung mit Polizisten geliefert hatte. Der Mann sei am Samstag tot auf einem Hausdach gefunden worden. Seine Angehörigen erklärten, er sei erschossen worden. Die Polizei untersucht den Vorfall, ein Vertreter der Regierung lehnte eine Stellungnahme ab.

Von Seiten des Automobil-Weltverbandes meldete sich dessen Chef Jean Todt zu Wort. Er verteidigte erneut das Festhalten an dem für Sonntag geplanten Rennen. "Ja, das ist gut für den Sport", sagte der Franzose am Samstag an der Strecke von Sakhir dem britischen Sender BBC. "Wir sind kein politisches Organ, sondern ein sportliches", fügte Todt hinzu.

Ungeachtet der Proteste fand in Bahrain wie geplant das Training für das Formel-1-Rennen am Sonntag statt. Sicherheitskräfte postierten entlang der Zufahrtstraße zur Rennstrecke Dutzende gepanzerte Fahrzeugen. An der Straße sei auch Stacheldraht installiert worden, sagten Oppositionsvertreter. Die Veranstalter hatten die Forderungen von Menschenrechtsaktivisten nach einer Absage des Rennens abgelehnt.

Die schiitische Opposition, die sich vom sunnitischen Königshaus unterdrückt fühlt, hatte "Tage des Zorns" rund um das Rennen angekündigt, um ihrer Forderung nach demokratischen Reformen vor internationaler Kulisse Nachdruck zu verleihen. Im Vorfeld hatte es viel Kritik an der Ausrichtung der Veranstaltung in Bahrain gegeben. Dem Königreich wird vorgeworfen, mit dem Grand Prix sein international umstrittenes Ansehen verbessern zu wollen. Am Freitag hatten Tausende für eine Demokratisierung der Golfmonarchie und gegen das Formel-1-Rennen am Sonntag demonstriert.

Kritik an den Fahrern

Im vergangenen Jahr war der Grand Prix abgesagt worden, weil eine Revolte gegen den König mit Hilfe von Truppen aus verbündeten Nachbarstaaten, darunter auch Saudi-Arabien niedergeschlagen worden war. Auch wenn die Protestbewegung damals empfindlich getroffen wurde, so ist sie dennoch nicht erstickt. Das Land befindet sich nach wie vor in Aufruhr, nahezu täglich kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Jugendlichen. Bahrain wird von der sunnitischen Al-Chalifa-Familie regiert. Die Bevölkerung ist dagegen mehrheitlich schiitisch.

Die schweigenden Rennfahrer ernten indes immer mehr Kritik. "Ich hoffe, dass die Fahrer, die nicht darüber sprechen wollen, was hier passiert, eines Tages ihre Meinung ändern werden", sagte Zainab al-Khawaja dem Independent. Die Tochter eines inhaftierten Oppositionsführers hofft, "dass dann vielleicht ihre Kinder fragen werden, warum sie in einem Land Rennen gefahren sind, in dem die Regierung Menschen verhaftet und foltert". Ihr Vater war im vergangenen Jahr nach dem Ausbruch der Proteste verhaftet und zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Der dänisch-bahrainische Menschenrechtsaktivist Abdulhadi al-Khawaja befindet sich seit mehr als zwei Monaten im Hungerstreik und hat es in den vergangenen 24 Stunden auch abgelehnt, etwas zu trinken. Ihr Vater wünsche sich, dass sein Tod nicht zu erneuten Ausschreitungen und Gewalt führt, sagte Al-Khawaja.

Keine Unterstützung von Team und Fahrern

Die Formel-1-Verantwortlichen und die Fahrer lehnten auf dem Bahrain International Circuit in Sakhir bislang klare Worte zu dem Konflikt ab. Chefvermarkter Bernie Ecclestone erklärte: "Wir sind nicht hier, um uns in die Politik einzumischen." Weltmeister Sebastian Vettel hatte gesagt: "Unser Job ist der Sport, sonst nichts." Zudem bezeichnete der 24-Jährige die Berichte über die Lage in Bahrain als "großen Hype".

"Ist noch irgendwas von diesem alten Klischee eines moralischen Kompasses übrig?", kommentierte The Independent und beschrieb Vettel als "schändlichen Mann". Internetaktivisten brachten die offizielle Formel-1-Seite zum Absturz. Die britische Times veröffentlichte eine beißende Karikatur, die Ecclestone in einem Rennwagen zeigt, der von einem Scheich mit Blut betankt wird. Im Hintergrund liegen Leichen.

Bahrains König verspricht Reformen

Unterdessen hat Bahrains König Hamad bin Issa al-Chalifa, wenige Stunden vor dem umstrittenen Rennen, Reformen und Gespräche mit der Opposition in Aussicht gestellt. "Ich möchte mich persönlich klar zu Reformen und Aussöhnung in unserem großartigen Land bekennen", hieß es in einer am Sonntagmorgen veröffentlichten Erklärung des Monarchen. "Die Tür für einen ernsthaften Dialog des gesamten Volkes ist immer offen." Seine Regierung habe durchaus schon Reformerfolge erzielt, betonte der König. "Wir müssen diesen Weg der Reformen fortsetzen."

© Reuters/dpa/AFP/cag/infu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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