Flüchtlinge:Wie sich die Türkei gegen Syrien abschottet

Lesezeit: 2 min

Im vergangenen Sommer begann die Türkei damit, eine Betonwand an der Grenze zu Syrien zu errichten. (Foto: AP)
  • Türkischen Medien zufolge werden an der türkisch-syrischen Grenze offenbar seit mehreren Wochen Wachtürme gebaut, die automatisch schießen.
  • Um den massiven Zuzug von Flüchtenden in die Türkei zu stoppen, liebäugelt Erdoğan schon länger damit, syrische Bürgerkriegsflüchtlinge in einer Schutzzone auf syrischem Boden zu versorgen.
  • Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International beklagen seit Inkrafttreten des Flüchtlingsabkommens zwischen Brüssel und Ankara, dass die Türkei kein sicheres Land für Flüchtlinge sei.

Von Markus Mayr

Die EU hat Mitte März ein Abkommen mit der Türkei geschlossen, wonach die Türkei alle illegal aus der Türkei in Griechenland ankommenden Flüchtlinge wieder zurücknimmt. Im Gegenzug soll die EU pro zurückgenommenem Flüchtling einen syrischen Flüchtling aus der Türkei nach Europa holen.

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International beklagen aber seit Inkrafttreten des Abkommens, dass die Türkei kein sicheres Land für Flüchtlinge sei. Droht den Geflüchteten in der Türkei Gewalt, so wäre es völkerrechtswidrig, sie dorthin zurückzuschicken.

Die Türkei schickt sich nun offenbar an, Syrer ihrerseits erst gar nicht mehr über die Landesgrenze zu lassen. Ankara soll seit mehreren Wochen Selbstschussanlagen an der Grenze zu Syrien bauen. Um die Sicherheit im Grenzgebiet zu erhöhen und um illegale Übertritte zu verhindern, "wird die Türkei intelligente Wachtürme bauen, die automatisch warnen und schießen können", titelt die türkische Zeitung Yeni Şafak online und zeigt ein Bild der mutmaßlichen Schießanlage. Das Blatt gilt als Unterstützer von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan. Auch die Zeitung Hürriyet berichtete im April über die geplanten Schussanlagen.

Zu Hunderttausenden flüchten Syrer vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat in die Türkei. In der Grenzstadt Kilis im Südosten des Landes stranden viele von ihnen. Der Ort ist zum Symbol geworden für das Versagen der Weltpolitik dabei, das Leiden der Menschen in Syrien zu beenden. Um den massiven Zuzug von Flüchtenden in die Türkei zu stoppen, liebäugelt Erdoğan schon seit längerer Zeit damit, syrische Bürgerkriegsflüchtlinge gar nicht erst ins Land zu lassen, sondern sie in einer Schutzzone auf syrischem Boden zu versorgen.

Hunderte Kilometer Grenze hat die Regierung deshalb bereits mit Stacheldrahtzäunen oder Betonmauern verschließen lassen. In Kilis soll der Schutzwall fast fertig sein. Dort werden derzeit dem Bericht der türkischen Zeitung zufolge nun auch die ersten Wachtürme gebaut, die automatisch schießen. Alle 300 Meter soll einer stehen und jeden warnen, der sich näher als 300 Meter an die Grenze traut. Die Warnung soll in drei Sprachen erfolgen und den Näherkommenden auffordern, den Sicherheitsbereich sofort wieder zu verlassen.

Der EU-Türkei-Deal basiert darauf, dass Flüchtlinge in der Türkei sicher sind

Bereits im Februar hatte der Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung von den Plänen der türkischen Regierung berichtet, ein "physisches Grenzsicherungssystem" im Südosten zu errichten, das sich nicht nur aus einer drei Meter hohen Betonmauer, Stacheldraht und Wärmebildkameras zusammensetzen soll. Es seien Anlagen geplant, die automatisch anfangen zu schießen, sollte die Warnung in türkischer, englischer und arabischer Sprache keine Wirkung erzielen.

In Deutschland gab es zuletzt zu Zeiten der DDR Grenzmauern (die Berliner Mauer) und Wachtürme sowie Grenzzäune mit Selbstschussanlagen, denen zwischen 1970 und 1984 mindestens zehn Menschen zum Opfer fielen.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Türkei in der Flüchtlingskrise
:In Kilis zeigt sich das Versagen der Weltpolitik

In der türkischen Stadt an der Grenze zu Syrien leben so viele Flüchtlinge wie Einheimische. Noch ist die Solidarität groß. Doch der Bürgermeister fürchtet, dass ihm die Kontrolle entgleitet - er warnt Europa.

Reportage von Mike Szymanski

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: