Flüchtlinge:Krawalle vor Abriss des "Dschungels" von Calais

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Viele Flüchtlinge wollen nicht freiwillig gehen. Am Samstag kam es zu Ausschreitungen, die Polizei setzte Tränengas ein. (Foto: dpa)
  • Das seit Jahren umstrittene Flüchtlingslager nahe Calais wird geräumt.
  • Etwa 6500 Migranten leben in dem Lager - die meisten haben das Ziel Großbritannien. Sie sollen nun in Aufnahmezentren in ganz Frankreich umgesiedelt werden.
  • Es kam zu ersten Ausschreitungen.

Das Flüchtlingslager nahe Calais, der sogenannte "Dschungel", soll ab Montag endgültig geräumt werden. Die Vorbereitungen für den Abriss beginnen noch heute. Nach letzten offiziellen Schätzungen halten sich in dem Lager in Nordfrankreich etwa 6500 Menschen auf. Die meisten kommen von weit her, aus Eritrea oder Äthiopien, aus Afghanistan, Pakistan oder dem Sudan - ihr Ziel ist eigentlich Großbritannien. Für viele wurde Calais allerdings schon vor langer Zeit Endstation.

Nun will die französische Regierung die Migranten auf Aufnahmezentren im ganzen Land verteilen. Die Räumung dauert voraussichtlich bis Ende nächster Woche, im Einsatz sind 1250 Polizisten. Damit soll knapp ein halbes Jahr vor der Präsidentschaftswahl ein Brennpunkt der Flüchtlingskrise verschwinden. Es ist ein schwieriges Vorhaben, das wohl nicht ohne Probleme bleiben wird. Zu ersten Krawallen ist es bereits gekommen, berichten der Nachrichtensender BFMTV und AP. Aus einer Gruppe von mehreren Dutzend Menschen flogen demnach in der Nacht Steine auf Polizisten, die dann Tränengas einsetzten. Die Stimmung ist angespannt, viele Flüchtlinge wollten nicht in Aufnahmezentren in ganz Frankreich transportiert werden, berichteten Helfer übereinstimmend.

Schon seit Jahren sammeln sich in Calais Migranten, die illegal auf die andere Seite des Ärmelkanals gelangen wollen. Nach Dover sind es nur 40 Kilometer, die engste Stelle des Kanals liegt nur ein paar Kilometer von Calais entfernt. Im Zuge der internationalen Flüchtlingskrise spitzte sich die Situation zu. Seit dem Frühjahr 2015 entstand auf einem Brachland ein Lager aus Zelten, Hütten und inzwischen auch staatlich finanzierten Wohn-Containern.

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Seit Januar 2015 starben in der Region 33 Migranten - die meisten von ihnen beim Versuch, auf Lastwagen mit dem Ziel Großbritannien zu gelangen. Außerdem kam es mehrfach zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Tag für Tag sind rund um das Lager Hunderte Polizisten im Einsatz.

1300 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Besonders problematisch ist die Situation der Kinder. Hilfsorganisationen zufolge leben etwa 1300 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in dem Lager. Etwa 500 von ihnen sollen Familienangehörige in Großbritannien haben. Die Pariser Regierung pocht darauf, dass London bei der Aufnahme von Kindern und Jugendlichen Verantwortung übernimmt. Die Briten hätten hierfür den klaren Willen bekundet, zu helfen, heißt es. Einige Minderjährige wurden bereits nach Großbritannien gebracht.

Die britische Grenze wird faktisch in Nordfrankreich bewacht. Grundlage ist ein Vertrag, den die Regierungen aus Paris und London 2003 vereinbarten. Entlang des Fährhafens und der Zugstrecken ziehen sich kilometerlange Zäune hin. Eine Betonmauer wird derzeit gebaut. Die Kosten von 2,4 Millionen Euro trägt Großbritannien.

© SZ.de/afp/dpa/lalse - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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