Fiskalpakt soll Europa stabilisieren:Sparen bis in alle Ewigkeit

Der Fiskalpakt soll aus Europa einen Kontinent der guten Haushälter machen. Für Schuldensünder bietet er keinen Notausstieg - allerdings auch für sonst niemanden: Deutschland kann den Vertrag, wenn er einmal beschlossen ist, nicht mehr kündigen. Die Linke sieht das als Verfassungsbruch.

Daniel Brössler, Berlin

Für Angela Merkel war es ein Triumph. Wenige Wochen nur hatten genügt, um jenen Vertrag auszuhandeln, der aus Europa einen Kontinent der guten Haushälter machen soll. Nachdem beim jüngsten EU-Gipfel Anfang März 25 Unterschriften unter dem Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion trockneten, lobte die Kanzlerin, nun hätten "sich alle verpflichtet, aus der Krise zu lernen".

Was der Kanzlerin, nicht aber der Öffentlichkeit bewusst sein dürfte: Es sind dies Unterschriften für die Ewigkeit. Artikel 16 postuliert das Ziel, "den Inhalt dieses Vertrages in den Rechtsrahmen der Europäischen Union zu überführen". Eine Kündigung aber ist nicht vorgesehen. Für Schuldensünder gibt es keinen Notausstieg - allerdings auch für sonst niemanden.

Das liegt an einer Besonderheit, die mit der Konstruktion des Fiskalpaktes zu tun hat. Er kreist zwar um den Euro und die EU, aber er ist ein Vertrag zwischen souveränen Staaten. Merkel und ihr französischer Partner Nicolas Sarkozy mussten diesen Weg schon deshalb gehen, weil - wie das Ausscheren Großbritanniens und Tschechiens gezeigt hat - der Versuch einer Änderung des Lissabon-Vertrages aussichtslos gewesen wäre.

In der Konsequenz handelt es sich beim Fiskalpakt "um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen mehreren Staaten als Völkerrechtssubjekten", wie in einem Papier des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags ausgeführt wird. Das hat Folgen: Aus der EU könnte Deutschland theoretisch austreten, aus dem Fiskalpakt nicht.

Es gilt der völkerrechtliche Grundsatz: Pacta sunt servanda (Verträge sind einzuhalten). Dies ist auch die Einschätzung der Bundesregierung. Nach ihrer Auffassung seien die im Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge "festgelegten Voraussetzungen für eine einseitige Kündigung in Bezug auf den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion nicht erfüllt", heißt es in einem Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), an den Obmann der Linksfraktion im EU-Ausschuss des Bundestags, Alexander Ulrich. Das Übereinkommen von 1969 legt in Artikel 54 fest, dass der Rücktritt von Verträgen "nur nach Maßgabe der Vertragsbestimmungen" oder "jederzeit durch Einvernehmen zwischen allen Vertragsparteien" möglich ist.

Die Übereinkunft lässt eine Hintertür offen, wenn zwar keine Bestimmungen für eine Kündigung enthalten sind, aber feststeht, dass die Vertragsparteien die Möglichkeit einer Kündigung dennoch vorgesehen haben oder sich das aus der Natur des Vertrages ergibt. Im Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags wird diese Möglichkeit aber ziemlich klar ausgeschlossen. "Aus der Entstehungsgeschichte des Fiskalvertrages sind - soweit aus hiesiger Perspektive beurteilbar - keine Umstände bekannt, die auf eine einseitige Kündigungsmöglichkeit hindeuten würden", ist da zu lesen. Theoretisch bliebe nur noch der "Wegfall der Geschäftsgrundlage" etwa durch eine tiefgreifende Veränderung der EU oder den Austritt eines oder mehrerer Staaten aus der Union.

Die Linkspartei lehnt den Fiskalpakt ab

Was der Bundestag demnächst also mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen soll, für welche die Bundesregierungen auch auf die Stimmen von SPD und Grünen hofft, kann das deutsche Parlament nicht mehr rückgängig machen. Künftige Bundesregierungen und Mehrheiten bleiben an das Sparpostulat der Angela Merkel gebunden. Die bisher schon im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse könnte der Bundestag eines Tages kippen, nicht aber Artikel 3 des Fiskalpaktes, der festschreibt: "Der gesamtstaatliche Haushalt einer Vertragspartei ist ausgeglichen oder weist einen Überschuss aus."

Empört darüber ist die Linkspartei, die den Pakt in Gänze ablehnt. "Sollte sich in einigen Jahren die Erkenntnis durchsetzen, dass die Schuldenbremse ein Fehler war, sowohl aus ökonomischer Sicht als auch aus demokratischen Erwägungen, wird auch eine Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag nicht in der Lage sein, die Schuldenbremse abzuschaffen", kritisiert der Abgeordnete Alexander Ulrich. Da der Fiskalvertrag die Einrichtung von Schuldenbremsen fordere, "müsste zu diesem Zweck auch der Vertrag geändert werden - und dies ist nur mit einstimmigem Beschluss aller Vertragsstaaten möglich".

Zumindest die Linke sieht darin einen Bruch des Grundgesetzes. "Mit dem Fiskalpakt werden die demokratischen Parlamentsrechte beschnitten - und zwar de facto für die Ewigkeit. Dies ist durch das Grundgesetz in keiner Weise gedeckt. Die Bundesregierung ist im Verein mit SPD und Grünen dabei, einen Kernbestandteil unserer Verfassungsordnung - die Haushaltssouveränität der Parlamente zu verhökern", sagt Ulrich. Durch die bisherigen Urteile des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe fühlt sich die Linke bestärkt. 2009 hatte das Gericht die deutsche Zustimmung zum Lissabon-Vertrag zwar gestattet, aber klargestellt, dass der Bundestag seine Rechte und Pflichten nicht einfach nach Europa delegieren kann.

Auf dem Weg zu einem europäischen Bundesstaat bräuchte Deutschland aus Karlsruher Sicht eine neue Verfassung, beschlossen per Konvent oder Volksabstimmung. Ob der Fiskalpakt nicht schon zu weit geht, will die Linke nun per Klage prüfen. Die Prozessbevollmächtigten - Hans-Peter Schneider und Andreas Fisahn - sind schon beauftragt.

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