Finanzpolitik:Juncker kritisiert schwarz-gelbe Schulden

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Klatsche aus Luxemburg: Premier Juncker, ein leidenschaftlicher Europäer, schimpft über die Finanzpläne von Union und FDP. Auch erregt ihn, wie Oettinger EU-Kommissar wird.

Der Vorsitzende der Euro-Finanzminister, Jean-Claude Juncker, hat die Finanzpolitik der neuen schwarz-gelben Koalition scharf kritisiert.

Der dienstälteste Regierungschef in der EU: Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker (Foto: Foto: AFP)

Der Koalitionsvertrag nähre Zweifel, ob das neue Bündnis mittelfristig an der traditionell soliden deutschen Finanzpolitik festhalte, sagte der Ministerpräsident Luxemburgs dem Handelsblatt: "Deutschland trägt eine überhöhte, für die nächste Generation kaum zu tragende Schuldenlast." Es dürfe sich nicht perspektivisch vom Konsolidierungspfad verabschieden.

"Im Koalitionsvertrag sind die Konsolidierungselemente unterbelichtet und die expansiven Elemente überpointiert erörtert", sagte Juncker. Von 2011 an müsse Deutschland konsequent sein Staatsdefizit um mehr als 0,5 Prozentpunkte jährlich senken.

"Vertragstreue zählt nicht mehr viel in Europa"

Falls der größte Mitgliedsstaat der Eurozone dies nicht tue, sei der Euro-Stabilitätspakt insgesamt gefährdet. "Wenn die deutsche Finanzpolitik an Solidität verliert, dann werden sich auch andere EU-Staaten mehr Freiheiten nehmen", sagte Juncker.

Das deutsche Verlangen nach einem wichtigen Wirtschaftsressort in der künftigen EU-Kommission lehnt Juncker ab. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur warf er Deutschland und anderen großen EU-Mitgliedsstaaten vor, den EU-Vertrag nicht zu respektieren und sich über die Interessen kleinerer Staaten hinwegzusetzen.

Zur Nominierung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger als EU-Kommissar sagte Juncker: "Ich halte diese Personalie für schlüssig - wobei man nicht denken sollte, dass es einen Rechtsanspruch deutscher Kommissare auf bestimmte Kompetenzgebiete in der Europäischen Kommission gibt."

Er sei "sehr verwundert darüber", dass beispielsweise die Regierungen in Berlin, Paris, London, Madrid oder Warschau erklärten, welche Posten ihren Kommissaren zukämen: "Wo sind wir denn? Dies ist absolut nicht vertragskonform", sagte Juncker.

"Das stößt mir schon sehr auf"

"Es ist der Präsident der Europäischen Kommission, der die Kompetenzen festlegt, nicht die Bundeskanzlerin, nicht der französische Präsident und kein anderer Regierungschef."

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nach der Nominierung Oettingers gesagt, dieser werde ein "interessantes und für Deutschland wichtiges Ressort" innerhalb der EU-Kommission bekommen und mit seiner wirtschaftspolitischen Erfahrung ein wichtiger Ansprechpartner in Brüssel sein. Oettinger sagte, er sei an einer Aufgabe interessiert, die mit wirtschaftlichen Fragen zusammenhänge.

"Mich stört zunehmend, dass vor allem Politiker in Regierungsverantwortung und in parlamentarischer Verantwortung in größeren Ländern eigentlich sich über die eindeutigen Bestimmungen des europäischen Vertragswerkes hinwegsetzen", sagte Juncker.

"Sie bestimmen auch ihre Kommissare ohne direkte intensive Rücksprache mit dem Kommissionspräsidenten", sagte Juncker, "nicht nur in Bezug auf Deutschland, sondern auch in Bezug auf andere größere Mitgliedstaaten."

Die Konsultation mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso sei jedoch im EU-Vertrag vorgeschrieben. "Aber Vertragstreue zählt nicht mehr viel in Europa."

"Es ist nicht Sache der deutschen Regierung, welches Zuständigkeitsgebiet Herr Oettinger erhält. Es ist nicht einmal seine eigene Zuständigkeit", sagte Juncker, der dienstälteste Regierungschef der EU. "Das stößt mir schon sehr auf."

Er sagte: "Auch größere Staaten wären gut beraten, und wäre es auch nur wegen der Befindlichkeit kleinerer, sich an eindeutige Vertragsbestimmungen zu halten."

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