Ein Bild und seine Geschichte:Österreichs größter Held war chronisch pleite

Lesezeit: 2 min

Feldmarschall Johann Joseph Wenzel Graf Radetzky von Radetz am 11. Mai 1856 im Alter von 90 Jahren (Foto: SZ Photo)

1857 ging Graf Radetzky in Ruhestand - nach fast einem Dreivierteljahrhundert in Uniform. Aus seinem Tod machte der Feldherr ein Geschäft.

Von Oliver Das Gupta

Ob er am Ende seines Lebens liquide ist? Auf dem Foto von 1856 wirkt Josef Wenzel Graf Radetzky von Radetz ganz zufrieden. 90 Jahre ist er da alt und superbekannt, damals noch als Feldherr, weniger für den Marsch, den Johann Strauß (Vater) ihm zu Ehren komponiert hat.

Denn, Hand aufs Herz, gibt es eine vergleichbare Karriere? Der Mann wurde Soldat noch vor der Französischen Revolution, er focht im letzten Türkenkrieg mit und vollbrachte allerlei große und kleine Taten. So marschierte er 1813 ein bisschen in die Schweiz ein - und wurde von der Neuen Zürcher Zeitung ein halbes Jahrhundert später für seine "glorreichen Kämpfe gerühmt".

Kaiserzeit in Deutschland und Österreich
:Majestätsbeleidigungen - "Ich scheiße auf Seine Majestät"

Als in Deutschland und Österreich noch Kaiser herrschten, wurden Tausende wegen Majestätsbeleidigung verurteilt. Einige Beispiele.

Gesammelt von Markus Mayr und Oliver Das Gupta

Aus dem desolaten Heer des Habsburger Kaisers modelte er eine Armee der Napoleon-Besieger. Für die Völkerschlacht bei Leipzig heckte er den siegreichen Plan aus. Bei den Kriegen in den norditalienischen Kronlanden verlängerte er die Herrschaft der Habsburger um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Zuletzt trickste er im reifen Alter von 81 Jahren den überlegenen Gegner so aus, dass der König von Sardinien-Piemont abdanken musste. Die Soldaten des Kaisers, die eher pomadige Obrigkeiten gewohnt waren (hier mehr dazu), priesen ihn als "Vater". Und Grillparzer dichtete ein Lobgedicht auf ihn mit der Gassenhauer-Zeile: "In deinem Lager ist Österreich!"

Keine Frage: Größeren Heldenruhm konnte kein Österreicher einheimsen als dieser Radetzky (Prinz Eugen, der edle Ritter, war ein Gastkrieger aus Savoyen). Und doch hatte der Graf aus Böhmen einen mächtigen Feind, den er über Jahrzehnte nicht besiegen konnte: Geldmangel.

Zielstrebig nach oben

Das Problem wurde ihm fast in die Wiege gelegt. Mit zehn Jahren Vollwaise geworden, scheint sein Vormund ihm nicht viel vom Erbe übrig gelassen zu haben. Die Armee wollte ihn am Anfang nicht, der junge Radetzky war dem Militärarzt zu zart. Seinen Eintritt ins Militär musste er darum selbst bezahlen - so etwas gab es damals noch.

Dann ging es zielstrebig nach oben: Mit Mitte 40 wurde er zum Generalstabschef befördert, sein Ansehen bei Kaiser Franz II. und Kanzler Metternich war immens. Nur die Moneten reichten immer noch nicht. Als Gründe hierfür nennen manche den angeblich kostspieligen Lebensstil seiner Gattin und diebische Dienstboten. Andere berichten von Radetzkys überbordender Großzügigkeit und einer mögliche Neigung zur Zockerei, Verschwendungssucht Hilfsausdruck.

Pomadige Befehlshaber
:So kurios verloren Österreichs Feldherren wichtige Schlachten

Übermut, Naivität, Missverständnisse: Sachbuchautor Hans-Dieter Otto darüber, wie skurril Österreichs Militär immer wieder wichtige Schlachten verpatzte.

Interview von Oliver Das Gupta

Das allerdings wäre eine hübsche Gemeinsamkeit mit Joseph Roth. Der sollte mehr als 70 Jahre nach dem Ableben des Feldherrn seinen Roman "Radetzkymarsch" verfassen und laborierte an ähnlich immensen Finanznöten. So wie Stefan Zweig seinem Freund Roth immer wieder Geld pumpte und schenkte, so bezahlte mitunter einer der fünf Kaiser Radetzkys Schulden, dem der Offizier gedient hat.

Wohl der Geldsorgen wegen nahm der Feldherr in späteren Jahren einen gut dotierten Job als Festungskommandant in Norditalien an. Radetzky versilberte sogar seinen Tod: Der offenbar finanziell lohnende Deal mit dem Armeeausrüster Joseph Pargfrider besagte, dass sich der tote Feldmarschall auf dem "Heldenberg" bestatten lässt. Auf dem Hügel irgendwo in Niederösterreich hatte der steinreiche Unternehmer Pargfrider eine Weihestätte der österreichischen Feldherren errichtet, eine Weihestätte für Habsburgs Oberkrieger, die dort noch heute in 169 Büsten und Standbildern verewigt sind.

Ein bisschen abgeschoben in den Ruhestand

Gut möglich, dass Radetzky gar nicht seinen Abschied nehmen wollte damals, vor 160 Jahren. Franz Joseph I., damals noch ein junger Hupfer auf dem Thron, scheint ihn ein bisschen geschoben zu haben. Und so trat in seinem 73. Dienstjahr der Mann ab, "dessen Ergebenheit immer so groß war, wie sein Mut", wie der junge Kaiser dem Zaren einmal schrieb. Unterlegene italienische Revoluzzer soll Radetzky übrigens milde behandelt haben, genauso wie Untergebene, die blutig wüteten.

Der Feldmarschall ging am 28. Februar 1857 in Ruhestand, im Folgejahr starb er in Mailand. Separatistische Strömungen waren dem Tschechen ein Graus, für nicht wenige war er ein Habsburger Kerkermeister. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sein Prager Standbild in der jungen Tschechoslowakei umgehend entfernt.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ein Bild und seine Geschichte
:Stefan Zweig - Staatsbegräbnis wider Willen

Nach Stefan Zweigs Suizid 1942 Jahren ignorieren die Behörden in Brasilien seine letzte Bitte. Die politische Botschaft des österreichischen Schriftstellers ist frappierend aktuell.

Von Oliver Das Gupta

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: