Diskussion über Bundeswehr:Zerrbild der Truppe

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Die Bundeswehr ist in stabiler Verfassung - trotz tragischer Einzelfälle in Afghanistan und auf der "Gorch Fock". Opposition und Boulevard erklären die Ausnahme zur Regel - und schaden damit der Truppe.

Joachim Käppner

Als die Schiffe der Kriegsmarine noch unter stolzen Segeln die Meere befuhren, ging es an Bord nicht ganz so stolz zu. In vielen Ländern war es zum Beispiel üblich, nächtliche Zecher auf dem Heimweg zu schnappen und auf den Dreimaster zu verschleppen, wo der Zwangsrekrutierte dann die nächsten Monate schuften durfte. Zeigte er sich aufsässig, ließen die Offiziere die neunschwänzige Katze sprechen und den Delinquenten öffentlich auspeitschen.

Für die Bundeswehr ist die aufgeheizte Debatte nach den Unglücksfällen ein Schaden, weil die Ausnahme zur Regel erklärt wird. (Foto: dapd)

Gerade in der Marine hat die Nostalgie immer etwas Doppelbödiges gehabt. Auf der Gorch Fock, dem von Nostalgikern gern als "weiße Königin" verklärten Segelschulschiff der Bundeswehr, wird heute niemand mehr brutal gequält. Und doch sind hier altmodische Seemannsrituale kollidiert mit dem modernen Selbstverständnis junger Offiziersanwärter, denen nicht nur die demonstrative Kaltschnäuzigkeit nach einem weiteren Todesfall an Bord übel aufstieß.

Das alles hat wenig zu tun mit den Horrorberichten, die durch den Boulevard geistern: Mal ist der Segler ein Lustschiff, auf dem sittlich verrohte Quälgeister jungen Schutzbefohlenen nachstellen; dann wieder soll sogar ein Mordverdacht vertuscht worden sein.

In Wahrheit dürfte es mehr um schlechte Menschenführung und eklatante Sicherheitsmängel gehen, beides im Namen einer ehrpusseligen und hierarchieseligen Tradition, die jungen Berufssoldaten heute wenig bedeutet. Doch ebendiese verkörpern das Gros der Bundeswehr - und nicht jene Ausbilder, die an Bord der Gorch Fock über Offiziersanwärter lästerten, sie hätten nichts Besseres im Kopf als ihr Grundkurswissen über die Rechte des Soldaten.

Für die Bundeswehr ist die aufgeheizte Debatte ein Schaden. Hier wird die Ausnahme zur Regel erklärt, ein Zerrbild der Truppe gezeichnet. Im Bestreben, dem jungen Flaggschiff der Regierung in die Parade zu fahren, also dem Koalitionsstar Karl-Theodor zu Guttenberg am Zeuge zu flicken, übertreibt die Opposition die Kritik an den wenigen Einzelfällen, um die es eigentlich geht. Doch der Gescholtene selbst macht die Sache keineswegs besser, wenn er sich von den Medien treiben lässt und sich im Stile eines preußischen Generalfeldmarschalls aufmantelt als einer, der schon aufräumen werde in so einem Saustall.

Die Diskussion wird hysterisch

Die Diskussion ist aus dem Ruder gelaufen und nimmt hysterische Formen an, weil es zu wenigen Beteiligten zuerst um die Sache selbst geht: den Zustand der Bundeswehr. Und der ist wesentlich besser, als es der Öffentlichkeit jetzt erscheinen mag. Aus dem Bericht des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus geht deutlich hervor: Es gibt keine systematischen Verstöße gegen die Menschenwürde und die Grundsätze der Inneren Führung. Die Sorgen der Soldaten sind nur selten Demütigungen durch Vorgesetzte; eher Trennung von den Angehörigen, Versorgungsängste und natürlich die Last der Auslandseinsätze.

Und diese Einsätze verlangen den Soldaten das Äußerste ab. Sie gefährden deren Leben in dem unerklärten Krieg in Afghanistan, dessen Ziele um so nebulöser werden, je mehr sich die deutschen Parteien aus rein innenpolitischen Gründen auf einen festen Abzugstermin fixieren. Der ständige Umbau der Truppe und nicht zuletzt deren Überlastung führen zu deutlicher Verunsicherung.

Trotz dieser Situation zeigen sich die Streitkräfte in guter innerer Verfassung, jener Verfassung nämlich, welche das Grundgesetz von ihnen verlangt: den Soldaten als Menschen und Staatsbürger zu achten. Und die Rechte und das demokratische Selbstverständnis des Einzelnen sind es, die nach den Erfahrungen der Hitlerzeit den inneren Kern der Bundeswehr ausmachen - weit mehr als in anderen Armeen. Das klingt ein wenig pathetisch, gewiss. Aber es ist eine enorme Errungenschaft in einem Land, das seine Soldaten über Jahrhunderte als willenloses Kanonenfutter betrachtet hat.

© SZ vom 26.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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