Außenpolitik der Union:Alles, außer Libyen

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Deckel drauf und Ruhe! Wenige Tage vor den wichtigen Landtagswahlen bemüht sich die Union darum, Einigkeit zu demonstrieren. Der Ärger über die Enthaltung im Sicherheitsrat wird runtergeschluckt - bis kommende Woche.

Lena Jakat, Berlin

Ende der Diskussion: So lautet die Botschaft, die die Union ein wenig verzweifelt auszusenden versucht an diesem Dienstag in Berlin. Vor der wöchentlichen Fraktionssitzung biegen die meisten Abgeordneten aus dem Fahrstuhl direkt in den Sitzungssaal, halten sich dicht an der Wand, ein bisschen wie Fernsehkommissare in Deckung. An den wartenden Journalisten und den aufgebauten Kameras gehen sie wortlos vorbei. Niemand will sich mehr äußern zum internen Unmut über die deutsche Enthaltung im Sicherheitsrat. Dabei brodelt es gewaltig in der Fraktion.

Merkel macht einen Deckel drauf auf die brodelnde Fraktion. (Foto: AFP)

Am Wochenende hatten Bundestagspräsident Norbert Lammert und Ruprecht Polenz, Vorsitzender im Ausschuss für Auswärtiges, sogar noch öffentlich Stellung bezogen. Die Frage sei berechtigt, ob Deutschland ähnlich wie seine Bündnispartner abstimmen hätte sollen, sagte Lammert. Parteifreund Polenz verwies darauf, dass zwischen einer Zustimmung zur Resolution und einem eigenen deutschen Kontingent kein unmittelbarer Zusammenhang bestanden hätte. Auch andere, darunter der CSU-Abgeordnete Christian Ruck, meldeten sich zu Wort, sprachen von einer problematischen Signalwirkung für die arabische Welt. Sie sind nicht allein: Der Ärger ist groß, heißt es aus der Fraktion, über den Alleingang der Regierung und über dessen Ergebnis.

Zwei Tage später ist davon nichts mehr zu hören. Die wenigen Abgeordneten, die vor den Fraktionsräumen der Union stehen bleiben, wollen lieber über das Awacs-Mandat reden, über den Euro. Alles, außer Libyen. Da werde nicht mehr groß diskutiert, heißt es unter der Glaskuppel des Reichstags. Stattdessen gebe es einen Entschließungsantrag, der die Arbeit der Bundesregierung in Sachen arabischer Revolution noch einmal explizit unterstütze, ganz generell. Ein "harmloser Antrag", sagt einer.

Harmlos ist die ganze Angelegenheit nicht. Die schwarz-gelbe Regierung hat am Donnerstag de facto an der Seite Chinas, Russlands, Brasiliens und Indiens abgestimmt - gegen die eigentlichen Verbündeten aus Europa und den USA. Ein Hakenschlag, der nicht nur die Nato-Partner und die Regierungsfraktionen überraschte, sondern auch die Wähler verunsichert. "Warum machen wir beim Krieg nicht mit?", fragte die Bild-Zeitung in ihrer Online-Ausgabe.

Die Verunsicherung in der Union vor den wichtigen Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist mit der Wandlung der Konservativen von der AKW-Laufzeitverlängerungspartei zur Ausstiegs-Partei ohnehin groß genug; einen internen Krach um die Außenpolitik der Koalition ist das Letzte, was Mappus, Klöckner und ihre Parteifreunde im Wahlkampfendspurt brauchen können.

Deswegen also erst einmal Deckel drauf auf die brodelnde Fraktion. Die konservativen Parlamentarier grummeln weiter, aber gesagt wird nichts mehr. Sie haben sich selbst ein Schweigegebot verordnet, mit Blick auf das höhere Gut - nicht weniger als das politische Überleben der Christdemokraten in Baden-Württemberg. Denn die Angst vor der Niederlage ist da, sie ist deutlich herauszuhören zwischen den gezwungen optimistischen Statements, den tapfer zuversichtlichen Prognosen. In Baden-Württemberg reicht es nicht, die Grünen als Dagegen-Partei abzutun. Dort kämpfen sie mit der CDU um die gleichen Wähler, sind der Hauptkonkurrent der Union.

Statt ihre wertkonservativen Wähler in diesen Wochen, in denen Bilder von Katastrophen, Revolutionen, Bürgerkriegen über sie hereinbrechen, mit Verlässlichkeit zu beruhigen, vollführte die Union an der Seite der noch stärker geschwächten Liberalen erst die Volte in der Atompolitik - und dann auch noch die Enthaltung im Sicherheitsrat. In diesem Schlingerkurs will sich die Fraktion in den letzten Tagen vor der Wahl nun wenigstens geeint präsentieren, darauf scheinen sich ihre Mitglieder geeinigt zu haben. Einigkeit - in diesem Fall mit den Bündnispartnern der Nato - soll auch die deutsche Verstärkung des Awacs-Einsatzes demonstrieren, der in einer Hauruck-Aktion noch bis Freitag durch den Bundestag soll.

Widerworte gibt es nicht mehr in der Union. Ende der Diskussion. Zumindest bis Montag.

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