Deutsches Euro-Rettungspaket:Ein flatternder Schirm

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Kanzlerin Merkel kann den Rettungsschirm nicht allein halten, selbst wenn ihre Regierung viel zupackender wäre als zuletzt. Sie braucht dazu alle Parteien - doch sie hat sich darum zu wenig bemüht.

Heribert Prantl

So ein Gesetz hat es in der Geschichte des deutschen Bundestages noch nicht gegeben. Es ist ein Gesetz, das alle Dimensionen sprengt, es ist ein Währungsnotstand-Gesetz. Niemand hat sich diesen Notstand gewünscht, niemand hat sich gewünscht, so ein Gesetz machen zu müssen. Rückblickend lässt sich eine ganze Reihe von Fehlentscheidungen aufzählen, die in diese Lage geführt haben. Aber solch nachträgliche Klugheit und Einsicht helfen dem Euro fürs Erste nicht. Es geht um Katastrophenhilfe. Der Rettungsschirm, der am Freitag durch den Bundestag und Bundesrat getragen wurde, kostet, wenn er wirklich aufgespannt werden muss, so viel wie der halbe Bundeshaushalt. Da wird ungeheuerlich viel Geld riskiert, um ungeheuerliche Risiken abzuwenden

Angela Merkel und Guido Westerwelle schufen ein Gesetz, das diesen Namen gar nicht verdient. (Foto: ddp)

Es ist ein notwendiges und zugleich ein ungeheuerlich schlechtes Gesetz. Es ist ein Gesetz, das diesen Namen nicht verdient. Die anrüchige Bezeichnung "Kreditermächtigungsgesetz" sagt alles: Das Parlament ermächtigt die EU-Kommission und eine noch nicht gegründete Zweckgesellschaft luxemburgischen Rechts zur Vergabe von Unsummen - nach Kriterien, die der Bundestag noch gar nicht kennt. Die noch ganz vagen "Strukturelemente" einer solchen "Konditionsvereinbarung" wurden bisher nur auf einer halben Seite mitgeteilt: ein Waschzettel als Anleitung für Milliardenausgaben! Es wäre ja an sich wenig dagegen zu sagen, dass der Bundestag der EU-Kommission Vollmacht gibt - wenn diese nur näher beschrieben wäre. Aber ausgefüllt ist in dieser Vollmacht nur die Rubrik, in der es um die Summe geht.

Es ist beim Sicherheitsgesetz für den Euro noch viel krasser als im Jahr 2001 bei den Sicherheitsgesetzen gegen den islamistischen Terror: Auch die damaligen Gesetze wurden in rasender Hast verabschiedet. Sie waren so umfangreich, dass kaum einer der Parlamentarier wusste, worüber er abstimmt. Aber sie hätten es idealiter wissen können, denn jede Vorschrift stand zum Zeitpunkt der Abstimmung auf dem Papier. Beim Euro-Sicherheitsgesetz ist das anders; es ist ein Torso. Dem Gesetz fehlen Seriosität, Sorgfalt, Reife und die demokratische Einbindung, die ein Werk dieser Tragweite braucht. Es ist ein Abbild der deutschen EU-Politik der vergangenen Monate.

Das Gesetz wird als Euro-Rettungsschirm bezeichnet. Das ist ein sympathisches Bild. Jeder weiß, was ein guter Regenschirm braucht, wenn er bei schwerem Wetter funktionieren soll: Er braucht einen guten Stock, an dem man ihn festhalten kann, und er braucht Speichen, die ihm Stabilität geben; je mehr solcher Speichen er hat, um so wetterfester ist er. Bei einem Rettungsschirm ist das nicht anders, er hat nur eine andere Dimension. Die Kanzlerin kann ihn nicht allein halten, selbst wenn ihre Regierung viel zupackender wäre als zuletzt. Sie braucht dazu alle Parteien; sie hat sich darum zu wenig bemüht. Und sie braucht das Vertrauen der Bürger, weil erst dieses dem Rettungsschirm die Speichen einzieht, die er für die Stabilität braucht. Dieses Vertrauen fehlt.

Ein flattriges Ding

Müsste Angela Merkel den Rettungsschirm patentieren lassen, das Patent würde mangels Patentreife abgelehnt: Der Rettungsschirm hat zu wenig Speichen; und die vorhandenen sind verbogen. Solange nur die Höhe der Kredite konkret ist, die Regulierung des Finanzmarkts aber ein vages Versprechen bleibt, solange bleibt der Rettungsschirm ein flattrig Ding.

© SZ vom 22.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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