Britischer Premier:Camerons Koalition streitet über Haltung zu Europa

"Besser eine britische Bulldogge als ein Brüsseler Pudel": In der konservativ-liberalen Koalition von Premierminister Cameron knirscht es gewaltig. Die Fronten verlaufen zwischen Tories und Liberaldemokraten - und innerhalb der Parteien. Auch die Regierungschefs von Wales und Schottland bezeichnen Camerons Nein zu einer EU-Vertragsreform als "groben Fehler". Heute muss sich der Premierminister vor dem Londoner Unterhaus erklären.

Das EU-Veto des britischen Premiers David Cameron beschert dem konservativen Politiker neben internationaler Kritik auch innenpolitische Probleme. Seit sich Cameron am Freitag einer Einigung mit den anderen 26 EU-Ländern verweigert hatte, knirscht es gewaltig in der britischen Regierungskoalition aus Tories und Liberaldemokraten.

Am Wochenende hatte Vize-Premier und Koalitionspartner Nick Clegg der BBC gesagt, dass die Blockade "schlecht für Großbritannien" sei, das Land würde sich damit "weiter an den Rand Europas" zurückziehen.

Cleggs Parteikollege Danny Alexander, Chefsekretär des Schatzamtes, nahm den Regierungschef nun im BBC-Radio in Schutz und betonte, Camerons EU-Veto gefährde die Regierungskoalition nicht: "Natürlich darf Nick Clegg sagen, was er denkt, doch David Cameron hatte eine sehr schwierige Aufgabe zu lösen."

Alexander sagte, der Premier sei einerseits in Brüssel "echter Kompromisslosigkeit von Frankreich und Deutschland" begegnet und habe auf der anderen Seite "die Notwendigkeit gesehen, mit etwas zurückzukommen, was er im Unterhaus seinen Unterstützern vorzeigen" könne.

Die Unterstützer, von denen Alexander sprach, sind zumeist die Euroskeptiker in den Reihen der Tories, die Cameron nach seiner Rückkehr als unnachgiebige "britische Bulldogge" gefeiert hatten - ein Umstand, den Vize-Premier Clegg kritisierte. Bulldog steht als Adjektiv auch für "hartnäckig", "zäh" und "mutig".

Clegg sagte mit Blick auf die Elogen auf Cameron, es sei "nichts Mutiges, Britannien irgendwo im Atlantik schweben zu lassen, ohne großes Ansehen in Europa und nicht ernst genommen in Washington".

Die Retourkutsche aus den Reihen der Tories kam prompt: "Besser eine britische Bulldogge als ein Brüsseler Pudel", ätzte der europaskeptische Parlamentarier und Cameron-Parteifreund Mark Pritchard.

Angesichts der Wortgefechte innerhalb der Regierung fragen sich die britischen Medien, ob Cameron die Koalition zusammenhalten kann. Er wird am Montagnachmittag vor dem Parlament in London zu seinem Nein zu einer EU-Vertragsreform Stellung nehmen. Cameron hatte beim EU-Gipfel am vergangenen Freitag eine EU-Vertragsreform blockiert, mit der mehr Haushaltsdisziplin der Mitglieder geschaffen werden sollte.

Kritik aus Schottland und Wales an Cameron

Cameron habe einen "groben Fehler begangen, als er offenkundig die gesamte Beziehung Großbritanniens zur EU geändert" habe, schrieb der schottische First Minister Alex Salmond dem Premier in einem offenen Brief. Er sieht in Camerons Vorgehen weitreichende Auswirkungen auf die Beziehungen von Schottland, Wales und Nordirland zur EU. Cameron habe praktisch im Alleingang Großbritannien von Europa isoliert.

Salmonds Schottische Nationalpartei hatte bei den Regionalwahlen in Schottland im Mai einen überragenden Sieg errungen und plant innerhalb der kommenden vier Jahre ein Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich.

Auch aus Cardiff kamen kritische Worte. Dort bedauerte First Minister Carwyn Jones, Regierungschef von Wales, dass Großbritannien künftig nicht mehr an Gesprächen über die EU-Verträge beteiligt würde, obwohl diese Gespräche die Euro-Zone und "letztlich auch Großbritannien und Wales" betreffen.

Schäuble glaubt an Einlenken Londons

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat sich unterdessen zuversichtlich geäußert, dass Großbritannien den EU-Vertragsänderungen doch noch zustimmen könnte. "Ich hoffe, dass die Briten die offene Tür durchschreiten werden", sagte Schäuble am Sonntag in der ARD. Die Vertragsänderungen würden so gestaltet, dass sie jederzeit in das europäische Regelwerk überführt werden könnten, sollte Großbritannien bereit sein, diese mitzutragen.

Die Entscheidung müsse aber die Regierung in London treffen. Die Bundesregierung wolle, dass Großbritannien in der EU engagiert bleibe, sagte der CDU-Politiker. Trotz des Neins zu den EU-Vertragsänderungen ist Europa nach den Worten Schäubles nicht gespalten.

Cameron hatte sich beim EU-Gipfel am vergangenen Freitag in Brüssel als Einziger geweigert, einem zwischenstaatlichen Vertrag für mehr Haushaltsdisziplin zuzustimmen, weil die EU-Staaten nicht den von ihm geforderten Ausnahmeregeln für den Londoner Finanzplatz zustimmen wollten. Die angestrebte Vertragsveränderung mit allen 27 EU-Staaten war damit gescheitert, woraufhin die 17 Euro-Länder allein einen Haushaltspakt schmiedeten.

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