Brexit:Camerons Nachfolge - "Jeder außer Boris"

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Gegen Boris Johnson, eine der Hauptfiguren der "Leave"-Bewegung, formiert sich starker Widerstand. (Foto: Via Bloomberg)
  • Eigentlich gilt Boris Johnson, der Mann an der Spitze der Brexit-Kampagne, als Favorit für die Nachfolge David Camerons.
  • Dagegen formiert sich allerdings Widerstand unter Großbritanniens Konservativen.
  • Eine Alternative wäre Theresa May, die langjährige Innenministerin.

Von Stefan Ulrich

Nach der Schlacht ist vor der Schlacht, das erleben gerade die Tories. Auf das Brexit-Referendum, das ihre Conservative Party gefährlich spaltete und Premier David Cameron zum Rückzug zwang, beginnt nun der Kampf um dessen Nachfolge als Partei- und Regierungschef. Als Favorit startet der frühere Londoner Bürgermeister Boris Johnson, der einen fulminanten Wahlkampf für den Austritt Großbritanniens aus der EU führte und zum Gesicht der Brexit-Kampagne wurde. Der charismatische und beim Referendum siegreiche Johnson ist an der Wählerbasis der Tories beliebt. Seine Ambitionen, Premier zu werden, sind bekannt. Noch hat er sich nicht offiziell als Kandidat gemeldet, doch das dürfte bald geschehen.

Gewonnen hat der hemmungsfreie Populist die Nachfolge Camerons aber noch längst nicht. Seine parteiinternen Gegner sammeln sich unter der Losung "ABB" - "Anyone But Boris" (Jeder außer Boris). Sie werfen Johnson vor, sich nur für den Brexit engagiert zu haben, um Cameron zu stürzen und selbst Premier zu werden. Auch sei Johnson zu demagogisch und unseriös, um Großbritannien führen zu können. Zudem sei es die Aufgabe des neuen Parteichefs und Premierministers, die Tories zu einen. Genau das aber könne der Brexit-Frontmann nicht. Nach der polemisch und verletzend geführten Kampagne sei er den EU-Befürwortern in der Partei nicht zumutbar.

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In den nächsten Wochen werden sich daher eine Reihe von Alternativkandidaten ins Spiel bringen. Einer könnte der Schatzkanzler George Osborne sein, der bislang als Kronprinz Camerons galt und an der Seite des Premiers gegen den Brexit kämpfte. Genau das wird Osborne nun zum Verhängnis. Er steht, wie Cameron, als Verlierer da.

Es soll ein Brexit-Befürworter sein

Aus London ist zu hören, wenn schon nicht Johnson, dann müsse ein anderer Brexit-Befürworter Premier werden. Immerhin werde der neue Regierungschef das Land ja aus der EU führen. Als Kandidat wird zum Beispiel Justizminister Michael Gove genannt. Er verspracht am Sonntag aber erst einmal Johnson seine Unterstützung. Auch Chris Grayling, der Anführer der Tories im Unterhaus, könnte sich für 10 Downing Street bewerben. Auch er war für den Brexit. Grayling, Gove und natürlich auch Johnson haben jedoch das Handicap, dass die große Mehrheit der konservativen Abgeordneten im Unterhaus gegen den Brexit und damit für die EU sind. Sie müssten folglich, falls sie Premier würden, in der derzeit wichtigsten politischen Frage gegen die Mehrheit der Regierungsfraktion regieren.

Aus diesen Gründen gilt derzeit ein anderes Kabinettsmitglied als besonders chancenreich: Theresa May, die langjährige Innenministerin. Cameron hat sie schon einmal als mögliche Nachfolgerin bezeichnet. May gilt als besonders erfahrene und besonnene Politikerin. Sie ist zwar eine überzeugte EU-Befürworterin, hat sich aber während der Referendumskampagne stark zurückgehalten. Der Sieg des Brexit hat sie deshalb kaum beschädigt. Sie könnte die richtige Kandidatin sein, um die beiden Lager der Conservative Party miteinander auszusöhnen.

Nachdem Cameron gerade angekündigt hat, im Oktober als Premier zurückzutreten, beginnt nun die Auswahl des neuen Parteichefs der Tories, der aller Voraussicht nach auch neuer Regierungschef wird. Der Kandidat, den die Parteimitglieder - nach einer Vorauslese durch die Abgeordneten - wählen, wird auf einem Parteikongress im Oktober offiziell gekürt. Bis dahin müssen die Tories beweisen, dass es noch genug Zusammenhalt unter ihnen gibt. Manche sind da skeptisch. Michael Heseltine, ein europafreundlicher Elder Statesman, fordert die Tories auf, alles dafür zu tun, damit ein Brexit nicht zum Tod der Partei führt.

© SZ vom 27.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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