Berlin:Triumph der Tegel-Retter

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Die Berliner haben für den Weiterbetrieb ihres alten Flughafens gestimmt. Der Volksentscheid ist zwar nicht bindend, aber für die Hauptstadtregierung wird es jetzt trotzdem richtig kompliziert.

Von Verena Mayer, Berlin

Sobald es in Berlin um Flughäfen geht, wird es kompliziert. Der eine Flughafen, Tegel, ist vollkommen veraltet, sollte längst geschlossen sein und funktioniert nur mehr notdürftig. Der andere Flughafen, der BER, wird und wird nicht fertig, im Jahr Sechs seiner Nicht-Eröffnung gibt es noch nicht einmal ein verbindliches Datum, wann dort Maschinen starten und landen sollen. Vielleicht im Herbst 2019, vielleicht aber auch nicht, die Termine haben inzwischen etwas von Orakelsprüchen, und bisher ist keiner eingetreten. Um all das noch komplizierter zu machen, waren die Berliner am Sonntag parallel zur Bundestagswahl aufgerufen, in einem Volksentscheid über die Flughafen-Situation abzustimmen. Ob nämlich Tegel auch dann in Betrieb bleiben soll, wenn der BER eines Tages fertig ist, als Zweitflughafen gewissermaßen.

Nach Auszählung aller Wahlbezirke am frühen Montagmorgen kamen die Befürworter des Weiterbetriebs den amtlichen Angaben zufolge auf 56,1 Prozent aller Stimmen. Die Gegner stimmten mit 41,7 Prozent gegen eine Offenhaltung.

Die Tegel-Fans kommen aus den verschiedensten Lagern. Da ist die Berliner FDP, die sich zum "Tegelretter" ernannt und den Volksentscheid erzwungen hat. Da sind Unternehmen wie die Fluglinie Ryanair und der Autovermieter Sixt, die offensiv für Tegel geworben haben, und etliche Berliner Bürgerinitiativen, die den Flughafen erhalten wollen, weil er so schön übersichtlich ist und nah an der Innenstadt. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Teile der Berliner CDU gehören zu den Tegel-Fans und, nicht zu vergessen, die Gruppe der Nostalgiker, die will, dass alles so bleibt, wie es ist. Die ist vor allem im Berliner Westen beheimatet, wo mit großer Mehrheit für Tegel gestimmt wurde, selbst in den vom Fluglärm betroffenen Gebieten.

Jetzt heißt es: erst mal die Optionen prüfen

Mit einer Mehrheit für Tegel wird es in der Hauptstadt nun richtig kompliziert. Zwar ist das Votum nicht bindend, dem Volksentscheid liegt kein konkreter Gesetzesentwurf zugrunde, sondern nur eine Art Appell: Der Berliner Senat wird aufgefordert, "die Schließungsabsichten aufzugeben und alle Maßnahmen einzuleiten, die erforderlich sind, um den unbefristeten Fortbetrieb des Flughafens Tegel als Verkehrsflughafen zu sichern". Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat allerdings bereits angekündigt, er werde ein positives Ergebnis des Volksentscheids ernst nehmen.

Ernst nehmen heißt: erst mal die Optionen prüfen zu lassen. Das kann dauern. Denn juristisch ist das Ende von Tegel seit Langem besiegelt. Das Planfeststellungsverfahren sieht vor, dass Tegel spätestens sechs Monate, nachdem der BER in Betrieb geht, still gelegt wird. Berlin kann zudem nichts alleine entscheiden, an der Flughafengesellschaft sind der Bund und das Land Brandenburg beteiligt, beide wollen nur einen Flughafen - BER. Dazu kommt, dass Tegel schon seit 2004 keine Betriebsgenehmigung mehr hat, sondern nur mehr eine Art Gnadenfrist. Würde der Flughafen offen bleiben, müsste er von Grund auf saniert und der Lärmschutz an die aktuellen Gesetze angepasst werden. All das aufdröseln zu wollen, wäre "abenteuerlich", so Müller. Zumal auch die Zukunftspläne für den Airport und sein charakteristisches sechseckiges Gebäude schon festgezurrt sind: Eine Hochschule und ein Technologiepark sollen dort entstehen, dazu mehrere Tausend Wohnungen, die in der Hauptstadt dringend benötigt werden. Von den Kosten ganz zu schweigen: Auf geschätzt 1,1 Milliarden Euro dürfte sich allein die Sanierung des maroden Flughafens belaufen - wegen der geplanten Schließung wurde über Jahre nur das Nötigste ausgebessert.

Und so wird es wohl zunächst eine Juristenschlacht geben. Ein verwaltungsrechtliches Gutachten des rot-rot-grünen Senats hält alle bestehenden Beschlüsse für bindend und den Weiterbetrieb Tegels "nach Maßstäben der praktischen Vernunft für ausgeschlossen". Ein von der Berliner FDP beauftragtes Gegengutachten kommt zum Schluss, dass es durchaus möglich wäre, aus den Verträgen auszusteigen, auf denen die gemeinsame Landesplanung beruht. Für die Berliner dürfte indes alles bleiben, wie es ist: Der eine Flughafen ist veraltet und funktioniert nur mehr notdürftig, der andere wird und wird nicht fertig.

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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:Mehrheit in Berlin für Weiterbetrieb von Tegel

56 Prozent der Wähler sprechen sich laut amtlichem Endergebnis dafür aus, den Stadtflughafen auch nach der Eröffnung des BER offenzuhalten.

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