Berlin:CDU-Politikerin wirft ihrer Partei Sexismus vor

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"Jenna Behrends hat es satt, in ihrer Partei Gerüchte angehängt zu bekommen und als karrieregeil dargestellt zu werden." (Foto: Jenna Behrends)
  • Wenige Tage nach ihrer Wahl in die Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte sorgt die CDU-Abgeordnete Jenna Behrends für Aufsehen.
  • In einem Blogbeitrag bei "Edition F" wirft sie ihrer Partei vor, Frauen sexistisch zu behandeln und so die Zukunft der CDU zu verspielen.
  • Ihre Vorwürfe richten sich auch gegen Berlins Innensenator Frank Henkel.
  • Die Christdemokratin ist der Meinung, dass ihre Partei im Umgang mit Neulingen einiges verändern muss. Die CDU selbst will sich zu den Vorwürfen nicht äußern.

Von Luca Deutschländer

Eigentlich könnte Jenna Behrends in diesen Tagen sich und ihren Erfolg feiern. Vor wenigen Tagen ist die 26-Jährige in die Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte gewählt worden. Als Neuling auf der politischen Bühne. Und als Zugezogene in Berlin. Im Stadtteil Mitte ist Behrends eine der jüngsten Abgeordneten. Doch trotzdem scheint der Politikerin nicht nach Feiern zumute zu sein.

Im Gegenteil. In einem offenen Brief rechnet sie mit ihrer Partei, der CDU in Berlin, ab. Sie beschwert sich über Sexismus; berichtet davon, Gerüchte über angebliche Affären angehängt zu bekommen und in ihrer Partei als "karrieregeil" abgestempelt zu werden. In Richtung der Partei schreibt sie: "Die junge Frau, die bereit wäre, sich für ein kommunales Ehrenamt hochzuschlafen, gibt es nur in deiner schmutzigen Fantasie. Die junge Frau, die ständig mit den Gerüchten um ihre angeblichen Affären konfrontiert wird, die gibt es in echt."

Wie ein CDU-Neuling behandelt

Behrends ist genervt davon, wie sie als CDU-Neuling behandelt wird. Obwohl sie sich doch in der CDU engagieren und die "lange Liste der Probleme" angehen wolle. Aber Behrends fällt all das offensichtlich schwer. Weil sie sich ungerecht behandelt fühlt. Weil sie auf ihre Beschwerden über Verleumdungen, Gerüchte und Sexismus gegenüber Frauen als Antwort bekommen habe, dass all das Teil des "politischen Auswahlprozesses" sei. Und dass sie nicht für ein Amt geeignet sei, wenn sie damit nicht klarkäme.

Einmal, schreibt Behrends, habe ein Abgeordneter der Berliner CDU den nächsten gefragt, ob dieser mit ihr ins Bett steige - ersterer vermutete dahinter offenbar den Grund dafür, dass Behrends kurze Zeit später für einen Platz in der Bezirksverordnetenversammlung nominiert werden sollte. Dem Tagesspiegel sagte Behrends , bei dem Fragenden habe es sich um den Innensenator und bisherigen Berliner CDU-Chef Frank Henkel gehandelt. Das berichtet auch Spiegel Online.

Henkel kommentiert die Vorfälle selbst bislang nicht, äußert sich aber allgemein zu Behrends' Brief: "Ich bin sehr verwundert über diesen Brief, und auch ein bisschen enttäuscht über Inhalt und Stil dieses offenen Briefes", heißt es in seinem Statement. Man habe die Politikerin bislang nicht erreicht. "Wenn sich Frau Behrends mit mir austauschen will, steht ihr meine Tür wie jedem anderen Mitglied meines Kreisverbandes für ein Gespräch offen. Solche Dinge sollten nicht im Raum stehen bleiben, sondern geklärt werden."

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Erlebnisse wie jener mutmaßliche Wortwechsel zwischen Henkel und einem weiteren Politiker haben sich bei Behrends offenbar aufgestaut. Dennoch fragt sich, warum Behrends all das der Öffentlichkeit präsentiert? Und vor allem: Warum jetzt, wenige Tage nach ihrer Wahl in die Bezirksverordnetenversammlung? "Das Thema beschäfigt mich schon länger", sagt Jenna Behrends im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Sie habe sich aber bewusst dafür entschieden, den Brief erst nach der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus zu veröffentlichen. "Ich wollte mir hinterher nicht anhängen lassen, der CDU im Wahlergebnis geschadet zu haben", sagt sie. Das sei das letzte, was sie wolle. Vielmehr möchte sie ihrer Partei helfen. Denn so, wie die CDU sich gegenüber Parteineulingen wie ihr verhalte, verspiele sie ihre Zukunft. Behrends denkt, dass "jetzt ein guter Zeitpunkt für solche Themen ist". Kurz nach einer Wahl seien viele Gespräche ergebnisoffen.

Wenn Behrends die Geschichte von sich und ihrer Partei erzählt, wirkt sie resigniert. Dabei ist sie erst im Mai 2015 in die CDU eingetreten. "Natürlich habe ich versucht, das parteiintern zu besprechen", sagt sie. Aber es sei nichts passiert. Vielleicht sei der offene Brief als ein Impuls von außen da wirkungsvoller. "Das Problem betrifft ja auch nicht nur die CDU. Ich bekomme viele Mails von SPD- und FDP-Politikerinnen, die das Gleiche in ihrer Partei erleben."

Nun wird es Menschen geben, die der Christdemokratin vorwerfen, sie habe es darauf angelegt, mit ihrem Brief die Karriere voranzutreiben, die Blicke der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen und im politischen Deutschland bekannt zu werden. Behrends kann mit solchen Vorwürfen nichts anfangen. "Ich bin da, glaube ich, sehr unverdächtig", sagt sie. Ambitionen, für den Bundestag zu kandidieren, habe sie nicht. Und die Möglichkeit, bei einer Wahl zu kandidieren, werde ohnehin erst in einigen Jahren wieder auf sie zukommen.

Eigentlich wollte sie nie etwas mit einer Partei zu tun haben

Jenna Behrends ist Wahl-Berlinerin. 1990 wurde sie bei Osnabrück geboren, das Studium hat sie später in die Hauptstadt verschlagen. Schon immer, sagt sie, sei sie ein politischer Mensch gewesen. Doch mit einer Partei wollte sie eigentlich nie etwas zu tun haben. Zu spießig hätten die auf sie gewirkt. Demonstrieren und Petitionen unterschreiben, ja. Aber sich auf ein Parteibuch festlegen?

Vergangenes Jahr hat sich ihre Meinung geändert. Sie ging zu einem CDU-Stammtisch, es ging um Familienpolitik und Kinderbetreuung. Behrends war damals seit etwa zwei Jahren Mutter und wollte sich für eine bessere Kinderbetreuung engagieren - kurze Zeit später war sie CDU-Mitglied. Weil die Partei ihrer Wertebasis und ihrem Verständnis von Gesellschaft am nähesten komme.

Das ist auch heute, etwa eineinhalb Jahre später, noch so. Nur ist in der Zwischenzeit einiges geschehen, das Behrends zum Nachdenken gebracht hat. "Neulinge haben es in Parteien generell schwer", sagt sie. Egal, ob Frau oder Mann. "Aber ein Mann muss sich wohl kaum vorwerfen lassen, er hätte sich hochgeschlafen." Männer, die ambitioniert seien, würden als "ehrgeizig und durchsetzungsstark" dargestellt. Sie hingegen werde karrieregeil genannt. Es sind Dinge wie diese, die Behrends stören.

Jenna Behrends schlägt ihrer Partei vor, über die Art und Weise der Begrüßung von neuen Mitgliedern nachzudenken. "Man sollte sich doch über jeden Einzelnen freuen, der da ist und sich für die Partei engagiert." Sie hingegen sei kurz nach ihrer Nominierung für die Bezirksverordnetenversammlung gefragt worden, wie viele Wahlplakate sie denn schon in ihrem Leben geklebt habe.

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