Arbeitsministerin erklärt Rentenpaket:Nahles und der Moment des Stolzes

Das Rentenpaket der Bundesregierung ist umstritten - doch Arbeitsministerin Nahles lässt jede Kritik an sich abperlen. Auch die Breitseite ihres Ex-Kanzlers Gerhard Schröder. Allerdings hat sie nicht auf alle Probleme eine Antwort parat.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Auf die Frage, was sie von der Kritik des Altkanzlers an ihrem Rentengesetz hält, zuckt Andrea Nahles nicht mal mit der Wimper. Gerhard Schröder hat ein Buch geschrieben. "Klare Worte", heißt es. Und weil "Bild, BamS und Glotze" immer schon sehr wichtig für ihn waren, hat die Bild einen Vorabdruck veröffentlich dürfen. Wie es der Zufall will, genau an diesem Mittwoch - jenem Tag also, an dem Nahles ihr Rentenpakt durchs Kabinett gebracht hat und jetzt der Öffentlichkeit in der Bundespressekonferenz vorstellt.

Schröder feuerte in der Bild eine volle Breitseite gegen das Rentenpaket der schwarz-roten Bundesregierung ab. Gerade die Rente mit 63 sei "ein absolut falsches Signal". Die Beschlüsse seien zu teuer, Beitragserhöhungen seien so sicher "wie das Amen in der Kirche".

Nahles ist auf die Frage zur Meinung des Altkanzlers natürlich vorbereitet. Ihre Antwort kommt einer nicht ganz kindertauglichen Geste gleich, die Peer Steinbrück im Wahlkampf verwendete. Sie selbst habe Schröder oft für seine Gesetze kritisiert. Warum also solle sie etwas dagegen haben, wenn er es jetzt genauso macht?

Mehr sagt sie dazu nicht. Was ihr Ex-Kanzler zu sagen hat, es interessiert sie nicht die Bohne.

Öffentlicher Gegenwind

Nahles kann sich in gewisser Weise sogar bei Schröder bedanken. Sie hat einiges an Kritik einstecken müssen. Wirtschaftsverbände laufen Sturm gegen die Rentenerhöhungen. Sie lassen ihre "Initiative neue soziale Marktwirtschaft" vorpreschen und ganzseitige Anzeigen schalten. Tenor: Es profitieren jene, die das Geld nicht brauchen. Zu Lasten der jungen Generation.

Wenn aber Schröder die Pläne der Koalition kritisiert, dann kann das Gesetz ja nicht so falsch sein - immerhin handelt es sich um den Erfinder der Agenda 2010. Zumal sich der Altkanzler nur die Rente mit 63 vornimmt. Nicht aber die viel teurere Mütterrente, die den Müttern einen Aufschlag spendiert, die vor 1992 Kinder bekommen haben. Und auch die leichten Verbesserungen der Erwerbsminderungsrente erwähnte der Genosse nicht.

Nahles verteidigt die Pläne natürlich allesamt. Das seien keine Geschenke, das hätten sich die Betroffenen verdient, sagt sie. Mütter erführen durch die Rentenaufstockung "Respekt und Anerkennung für ihre Lebensleistung". Ihre Nachbarin habe ihr erzählt, dass sie sich durch das Gesetz "anerkannt und wertgeschätzt" fühle.

Die abschlagfreie Rente mit 63 wiederum sei für Menschen, die "jahrzehntelang malocht haben", als der "Arbeitsschutz noch in den Kinderschuhen steckte". Diese Menschen hätten "das Rentensystem getragen".

Den Vorwurf der Ungerechtigkeit will sie auch nicht gelten lassen. "Die Frage ist, ist das Rentenpaket gerechtfertigt und können wir uns das leisten? Da sage ich zu beidem ja."

Keine Lösung für den Sonderfall

Es gibt allerdings auch handwerkliche Kritik an der Rente mit 63. Manche befürchten eine Welle der Frühverrentung mit 61 Jahren. Arbeitnehmer, die nach 43 Arbeitsjahren Anspruch auf zwei Jahre Arbeitslosengeld I (ALG I) haben, könnten sich mit 61 in die Arbeitslosigkeit schicken lassen, zwei Jahre ALG I beziehen und dann in die Rente mit 63 gehen.

Nahles räumt unumwunden ein, dass es für das Problem bislang noch keine verfassungskonforme Lösung gebe. Das Thema überlasse sie deshalb jetzt den Beratungen im Bundestag. Bis zum 1. Juli soll das Gesetz unter Dach und Fach sein.

Allerdings widerspricht die Arbeitsministerin der Annahme, dass die indirekte Rente ab 61 ein Massenphänomen werden könnte. Dieser Schritt lohne sich für Arbeitnehmer nur, wenn der Arbeitgeber eine gehörige und damit teure Abfindung zahle. Sie stellt auch in Frage, ob das Problem - wenn es denn eines ist - mit Hilfe der Rentengesetze überhaupt gelöst werden kann.

"Ein kleiner Moment des Stolzes"

Ein zweiter Kritikpunkt, der häufig Erwähnung findet: Die Rente mit 63 berücksichtigt nur Kurzzeitarbeitslosigkeit, also Bezieher von ALG I. Nur kann die Rentenkasse oft nicht unterscheiden zwischen ALG I und anderen Sozialleistungen, die ein Bürger aufgrund von Arbeitslosigkeit empfangen hat. Es fehlen die Daten.

Kein Problem für Nahles. Ihr reicht die "Glaubhaftmachung", also eine eidesstattliche Versicherung des Betroffenen über seine Arbeitslosenzeiten. Dann gibt es nach 45 Versicherungsjahren auch die Rente mit 63.

Ihr Gesetz sei "vollständig, in sich schlüssig und rentensystematisch einwandfrei", erklärt Nahles. Als sie den fertigen Text unterschrieben habe, habe sie einen "ganz kleinen Moment des Stolzes" verspürt, sagt sie. "Den habe ich mir genehmigt."

Es ist ein kleiner Moment, der bis 2030 etwa 160 Milliarden Euro kosten wird.

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