Ankara:Türkischer Außenminister greift Steinmeier an

Lesezeit: 3 min

  • Der türkische Außenminister Çavuşoğlu wirft Deutschland vor, ein Zufluchtsort für PKK-Terroristen und Anhänger Gülens zu sein.
  • Steinmeier weist diesen Vorwurf vehement zurück und kritisiert die Menschenrechtslage in der Türkei.

Von Deniz Aykanat

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist für sein diplomatisches Naturell bekannt. Nicht zuletzt deswegen hat er es wohl geschafft, dass sich die SPD und seit gestern auch die Union für ihn als Bundespräsidenten erwärmen. Was der Außenminister nun aber in Ankara beim Treffen mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu zu hören bekam, hat ihn für seine Verhältnisse sichtlich in Wallung gebracht.

Deutschland sei ein Zufluchtsort für PKK-Terroristen und Anhänger des "geisteskranken" Predigers Fethullah Gülen, wetterte Außenminister Çavuşoğlu bei dem Gespräch in der Hauptstadt Ankara.

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Als Akın Atalay am Flughafen in Istanbul landet, wartet schon die Polizei auf ihn. Vor ihm war bereits der Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung inhaftiert worden.

Steinmeier zeigte sich äußerst irritiert. Diesen Vorwurf "können wir schlicht und einfach nicht nachvollziehen", sagte er bei der gemeinsamen Pressekonferenz. In der Türkei sei bekannt, dass die PKK in Deutschland als terroristische Organisation behandelt und gemäß dem deutschen Strafrecht verfolgt werde. Auch der Präsident des Bundesamt für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hat die türkischen Vorwürfe am Abend entschieden zurückgewiesen.

Es ist schon länger her, dass Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in der Türkei zu Besuch war, genauer gesagt im September 2015. Schon damals stand es innenpolitisch um das Land nicht mehr so gut. Die regierende AKP hatte erfolgreich darauf hingearbeitet, jegliche Koalitionsbemühungen im Keim zu ersticken. Neuwahlen wurden für November angesetzt. Im Südosten des Landes bekämpften sich wieder die PKK und türkische Sicherheitskräfte, das Land wurde von Terroranschlägen überzogen.

Doch wie schnell die Türkei innerhalb weniger Monate mit Riesenschritten in Richtung Autokratie laufen würde, das hatte damals wohl keiner so recht geahnt. Im Juli 2016 scheiterte ein Putschversuch von Teilen des Militärs, mutmaßlich initiiert von Leuten aus der Gülen-Bewegung. Seitdem rollt eine Entlassungs- und Verhaftungswelle durch das Land, die wenige Wochen vor Steinmeiers Besuch noch einmal an Intensität zunahm.

Steinmeier: "Versteht es bitte in der Türkei nicht als Anmaßung"

Und nun bekam auch der deutsche Außenminister den Zorn der türkischen Führung zu spüren. Steinmeier äußerte sich mit Besorgnis zu den Massenverhaftungen und den Angriffen auf die Pressefreiheit. Und fügte beschwichtigend hinzu: "Versteht es bitte in der Türkei nicht als Anmaßung, nicht als Belehrung von oben herab."

Çavuşoğlu nahm da aber bereits weiter an Fahrt auf. Als das Mikrofon eines deutschen Journalisten, der eine Frage stellen wollte, nicht funktionierte, scherzte Çavuşoğlu auf Englisch: "Keine Pressefreiheit, daran wird es liegen." Sein Land verlange, als gleichberechtigter Partner anerkannt zu werden und nicht als Partner zweiter Klasse, sagte er weiter. Dass das türkische Volk nach dem Putschversuch für daran beteiligte Anhänger der Gülen-Bewegung die Todesstrafe fordere, sei nur selbstverständlich. Und auch die Armenier-Resolution des Bundestages zauberte Çavuşoğlu noch einmal aus dem Hut, obwohl dieses Thema seit einer Stellungnahme der Bundesregierung als erledigt galt.

Gleichzeitig aber drückten beide Politiker die Hoffnung aus, dass die deutsch-türkischen Beziehungen bald wieder "auf dem alten Stand" sein könnten, wie Çavuşoğlu es ausdrückte. Die Pressekonferenz der beiden Außenminister ließ allerdings nicht vermuten, dass dies in naher Zukunft der Fall sein könnte.

Zum Abschluss des Gespräches sprach zumindest aus Steinmeier wieder der Diplomat. Das Treffen fasste er noch einmal analytisch zusammen: "In diesem Sinne darf ich herzlich danken für ein, ja, heute nicht ganz einfaches Gespräch, wenn ich das so sagen darf, das aber aus meiner Sicht ein offenes und ehrliches Gespräch war und gerade deshalb besonderen Dank."

Anschließend traf Steinmeier im türkischen Parlament Abgeordnete der prokurdischen HDP, deren Vorsitzende vor Kurzem inhaftiert wurden. Am Nachmittag wurde er noch von Ministerpräsident Yıldırım empfangen. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Es ist nicht bekannt, dass es da harmonischer ablief. Ein Treffen mit Präsident Erdoğan folgte anschließend und dauerte etwa zwei Stunden. Aus Delegationskreisen hieß es, es sei ein "intensiver und konzentrierter Meinungsaustausch im kleinen Kreis" gewesen. Das obligatorische Händeschütteln zu Beginn lief auf jeden Fall zivilisiert ab - wenn auch mit eisiger Miene.

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Am Ende hat Steinmeier die Reise nach Ankara trotz allem positiv bewertet. "Es war klar, dass sich die Meinungsverschiedenheiten nicht durch einen Besuch und ein paar Gespräche ausräumen lassen würden", sagte der SPD-Politiker zum Abschluss seiner Reise.

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