Afrika:Bundeswehr in Mali - eine riskante Mission

Bundeswehrsoldaten am 16 12 2016 auf Beobachtungsposten in Camp Castor in Gao Mali Die Bundeswehr

Feldlager Camp Castor: Ein Bundeswehrsoldat auf Beobachtungsposten in Gao, im Norden von Mali

(Foto: imago/epd)

Der UN-Einsatz in dem westafrikanischen Land gilt als einer der gefährlichsten der Welt. Wie sinnvoll ist es, dass die Deutschen ihr Engagement dort ausweiten?

Von Isabel Pfaff

Sie wollten gerade gemeinsam auf Patrouille gehen: Kämpfer der Separatisten zusammen mit einer regierungsnahen Miliz - wie es das Friedensabkommen von 2015 vorsieht. Doch in Mali herrscht kein Frieden. Kurz bevor die Soldaten aufbrachen, explodierte in dem Militärlager in Gao, Nordmali, ein Fahrzeug. Fast 80 Kämpfer starben, mehr als 100 wurden verletzt. Der Anschlag in der vergangenen Woche war der schlimmste seit Jahren in dem westafrikanischen Land. Und er zeigt in grausamer Klarheit, wo Mali steht.

Fast auf den Tag genau fünf Jahre vor der Attacke nahm die Krise im Norden Malis ihren Anfang. Seither hat sich die Region zu einem der gefährlichsten Krisengebiete Afrikas entwickelt. Eines, in dem inzwischen auch deutsche Soldaten aktiv sind: Seit 2013 beteiligt sich die Bundeswehr an zwei Ausbildungseinsätzen sowie an der UN-Mission Minusma, die die Lage im Land stabilisieren soll. Etwa 12 000 Blauhelme, dazu mehrere Tausend französische Soldaten, die mit ihrer Militäroperation Barkhane Islamisten in Mali und dem gesamten Sahel bekämpfen - eine eindrückliche internationale Präsenz. Und doch ist die Lage heute ungleich komplizierter, teils sogar schlimmer als 2012.

Als die Tuareg-Rebellen vor fünf Jahren blitzartig den gesamten Norden eroberten, schien die Sache noch eindeutig zu sein: Eine Minderheit im Vielvölkerstaat Mali kämpfte gegen die Zentralregierung, von der sie sich diskriminiert fühlte; die Lösung: ein eigener Staat. Azawad nennen die Aufständischen ihr erobertes Gebiet, das sich im Wesentlichen um die Wüstenstädte Gao, Kidal und Timbuktu gruppiert. Die malische Armee musste dem Feldzug der Rebellen hilflos zusehen. Die Aufständischen waren besser ausgerüstet: Der Zusammenbruch Libyens hatte sie - und zahllose andere bewaffnete Gruppen der Region - mit neuen Waffen aus Gaddafis Lagern versorgt.

Mali leidet unter einem hohlen und korrupten Staat

Die malischen Soldaten kompensierten ihre Niederlage mit einem Putsch: Im März 2012 stürzten sie die Regierung von Präsident Amadou Toumani Touré. Sie warfen ihr vor, sie sehenden Auges im Norden ins Verderben geschickt zu haben.

Der Putsch legte offen, worunter Mali eigentlich leidet: unter einem hohlen und korrupten Staat. Unter einer Regierung, die viele Jahre Demokratie vortäuschte und so Entwicklungsgelder an Land zog. Aber sie kümmerte sich nie um funktionierende politische und gesellschaftliche Strukturen im Land, schon gar nicht in den kargen Wüstenlandschaften des Nordens. "Bamakos Politikbetrieb klappte zusammen wie ein Kartenhaus", schrieb die Journalistin und Mali-Kennerin Charlotte Wiedemann über den Putsch. Malis Demokratie, entstanden zu Beginn der Neunzigerjahre, sei eine Fassade gewesen, die dem Volk keine Träne wert gewesen sei.

Doch was auf den Putsch folgte, war nicht besser. Während sich in Bamako eine zivile Übergangsregierung formierte, traten im Norden weitere Akteure auf den Plan. Zu den Tuareg gesellten sich islamistische Kämpfer, die in dem neuen Gefüge ihre Chance sahen. Manche von ihnen kommen aus dem Maghreb, manche sind Malier - doch alle haben wie die Tuareg vom Zerfall Libyens und der Schwäche der malischen Regierung profitiert.

Islamisten und Tuareg-Kämpfer sind nach wie vor aktiv

Nach anfänglicher Zusammenarbeit verdrängten die Islamisten die Tuareg - und bewegten sich auch auf die Hauptstadt zu. Da begann der Westen aufzuhorchen. Mali, so fürchtete man, könnte zur neuen Brutstätte für global agierende Terrorgruppen werden. Im Januar 2013 intervenierte Frankreich schließlich auf Bitten der Übergangsregierung und verjagte die Islamisten aus den Städten des Nordens. Doch der Erfolg war nicht von Dauer.

Obwohl Mali seit Mitte 2013 wieder eine gewählte Regierung hat, bleibt der Staat im Norden abwesend. Islamisten und Tuareg-Kämpfer sind nach wie vor aktiv, verbünden sich, wenn es ihnen gerade nützt, spalten sich in neue Gruppen auf. Sie finanzieren sich über die Handels- und Schmuggelrouten, die diesen Teil der Sahara seit Jahrhunderten durchziehen. Und die mit dem Rückzug des Staates noch lukrativer geworden sind: Drogenhandel, Waffenschmuggel, Entführungen - in der Wüste Malis ist all das möglich.

Blauhelme und französische Soldaten versuchen nun seit fast vier Jahren, jene Sicherheit im Norden Malis herzustellen, die eigentlich die Aufgabe des Staates ist. Dabei sind sie längst selber zur Zielscheibe geworden: Die Mission der Vereinten Nationen in Mali gilt als die gefährlichste der Welt, mehr als 100 Peacekeeper wurden im Einsatz getötet.

Im Sommer 2015, nach monatelanger Vermittlung, unternahmen einige der Konfliktparteien einen ersten Schritt Richtung Frieden: Malis Regierung, ein Dachverband mehrerer Tuareg-Gruppen und ein Verbund von regierungsnahen Milizen unterzeichneten ein Friedensabkommen in Algier. Es sieht mehr Autonomie für den Norden vor, außerdem die Integration der Rebellen und Milizen in die Armee.

Die Dschihadisten haben den Vertrag nicht unterzeichnet

Die gemeinsame Patrouille in Gao war ein Puzzleteil in diesem Friedensprozess. Dass sie tödlich endete, verdeutlicht das größte Problem des Algier-Abkommens: Die Dschihadisten in all ihren malischen Schattierungen haben den Vertrag nicht unterzeichnet. Sie sind weiterhin im Norden aktiv und zunehmend auch im Zentrum des Landes, ungeachtet des französischen Anti-Terror-Einsatzes.

Wie sinnvoll ist es, dass die Deutschen ihr Engagement in Mali ausweiten - ausgerechnet jetzt, da die Lage gefährlicher und aussichtsloser denn je erscheint? "Es ist sinnvoll", sagt der Afrika-Analyst Denis Tull vom Pariser Institut für strategische Forschung (Irsem). Zwar könne die UN-Mission keinen seriösen Beitrag zur Verbesserung der Sicherheitslage im Norden leisten - "dafür ist das Land zu groß und der Konflikt zu kompliziert". Aber: Eine zentrale Aufgabe der Minusma sei es, bei der Umsetzung des Friedensabkommens zu helfen - und das steht Tull zufolge für Mali derzeit an erster Stelle. "Erst wenn das Algier-Abkommen funktioniert, entsteht im Norden eine neue politische Ordnung. Diese wiederum ist Voraussetzung dafür, dass Friedensgegner bekämpft werden können und langfristig Stabilität einkehren kann."

Nur: Die Umsetzung steht fast zwei Jahre nach Unterzeichnung immer noch am Anfang. Tull macht dafür in erster Linie die malische Regierung verantwortlich. Sie nehme die Hilfe der internationalen Gemeinschaft gerne in Anspruch, verweigere sich aber gleichzeitig dem Reformprozess. "Das Chaos im Norden lenkt natürlich ab von den eigenen Fehlern", erklärt Tull. Mitglieder der politischen Elite in Bamako sollen außerdem selbst in Schmuggelgeschäfte verwickelt sein und haben ein Interesse am Erhalt des Status Quo. Sich in Mali stärker zu engagieren hält Tull deshalb für richtig. Deutschland und die anderen Minusma-Staaten könnten so auch Druck auf die Regierung ausüben, um den Friedensprozess voranzubringen.

Allerdings, darin sind sich die meisten Beobachter einig, sollte man in Mali nicht auf schnelle Erfolge hoffen. Die Krise des Landes ist umfassend. Um sie zu lösen, brauchen alle Beteiligten einen langen Atem - auch Deutschland.

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