Abrüstungsabkommen:Nato: Russlands Atomprogramm verstößt gegen Abkommen

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Erinnert an die Zeit des Kalten Krieges: ein Hinweisschild für einen Atombunker in New York (Foto: AFP)
  • Nach Überzeugung der Nato verletzt Russland ein bedeutendes Abrüstungsabkommen.
  • Ein geheimes Papier mit dem Titel "Was wäre wenn" , listet insgesamt 39 Optionen auf, wie auf den Bruch reagiert werden könnte.
  • Ausdrücklich abgeraten wird von neuen Sanktionen.

Von Lena Kampf und Georg Mascolo, Brüssel

Die Nato erwägt Schritte gegen Russlands Atomprogramm. Nach Überzeugung der Allianz verletzt Präsident Wladimir Putin eines der bedeutendsten Abrüstungsabkommen der vergangenen Jahrzehnte - den INF-Vertrag von 1987. Er verbietet den Besitz von bodengestützten Kurz- und Mittelstreckenraketen sowie von Marschflugkörpern mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometern. Für die Nato stellt dieser Bruch nach eigenen Angaben eine "ernste Besorgnis" dar.

Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR hat das Bündnis ein als geheim eingestuftes Papier an die Mitgliedsstaaten übermittelt, in dem es darum geht, wie auf den Bruch reagiert werden könnte. Das Dossier, das den Namen "Was wäre wenn" trägt, listet insgesamt 39 Optionen auf. Einige sind sehr weitreichend, zum Beispiel ist davon die Rede, die nukleare Abschreckung der Nato auszubauen. Auf der Liste finden sich Empfehlungen, mehr Frühwarnsysteme zu installieren, die U-Boot-Abwehr zu verstärken und B-2- und B-52-Bomber häufiger in Europa einzusetzen. Auch die Einsatzbereitschaft jener Flugstaffeln in Europa zu erhöhen, die Atombomben abwerfen können, wird genannt. Deutschland gehört zu den Ländern, in denen diese Staffeln stationiert sind.

Ausdrücklich abgeraten wird dagegen von neuen Sanktionen. Keine Option für die Autoren ist es auch, dass die USA den INF-Vertrag kündigen und in Forschung und Entwicklung von Kurz- und Mittelstreckenwaffen einsteigen. Obwohl der INF-Vertrag nur Bau und Stationierung verbietet, befürchtet die Nato, dass diese Schritte die "anti-amerikanische Stimmung verschärfen" würden. Nach Angaben aus Nato-Kreisen wird in der amerikanischen Administration jedoch über einen solchen Schritt nachgedacht, auch weil US-Präsident Donald Trump unter dem Druck des Kongresses steht.

Die Krise kommt zu einem gefährlichen Zeitpunkt

Allerdings wird in dem Dossier ebenso darüber nachgedacht, wie Russland an den Verhandlungstisch gebracht werden kann. Die Nato, welche die Diskussionen über das russische Atomprogramm am Donnerstag bestätigte, forderte Russland auf, "konstruktiv zur Lösung dieses entscheidenden Themas beizutragen". Den Inhalt der vertraulichen Überlegungen wollte das Bündnis nicht kommentieren.

Bis heute gilt der 1987 beschlossene INF-Vertrag für Mittelstreckenraketen als Durchbruch in der Rüstungskontrolle. Die USA sind aber davon überzeugt, dass Moskau bereits seit 2008 gegen das Abkommen verstößt; Russland erhebt ähnliche Vorwürfe gegen die Vereinigten Staaten. In den vergangenen Monaten haben die USA den Druck auf die Allianz erhöht: Auch die Nato müsse sich nun konkret mit dem Thema beschäftigen, heißt es aus Washington.

Die Krise kommt zu einem gefährlichen Zeitpunkt. Sowohl Russland als auch die USA haben angekündigt, ihre nuklearen Arsenale zu modernisieren. Die Präsidenten haben verschiedentlich über den Einsatz solcher Waffen gesprochen; Putin in Zusammenhang mit dem Krim-Krieg, Trumps Äußerungen in Bezug auf Nordkorea wurden so verstanden.

© SZ vom 01.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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