Unruhen in Ägypten:Mubarak hält an seiner Macht fest

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In einer Fernsehansprache hat Ägyptens Präsident Mubarak die Bildung einer neuen Regierung angekündigt und Reformen versprochen - er selbst will aber an der Macht bleiben. Inzwischen rücken die USA vorsichtig von ihrem langjährigen Verbündeten Mubarak ab.

Die erste Fernsehrede des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak seit Beginn der Proteste gegen sein Regime hat keine Wirkung gezeigt. Trotz der von dem 82-Jährigen für Samstag angekündigten Bildung einer neuen Regierung forderten Demonstranten in der Nacht zum Samstag in Kairo weiter den Rücktritt des Staatschefs. "Mubarak muss das Land verlassen", skandierten Regierungsgegner auf dem zentralen Tahrir-Platz.

Ägyptens Präsident Hosni Mubarak versucht mit allen Mitteln seine Macht zu retten: Am Freitag ließ er Panzer rollen, um die nächtliche Ausgangssperre zu sichern. Aber die Demonstranten gingen trotzdem auf die Straße. (Foto: dpa)

Mubarak entließ am Freitagabend Ministerpräsident Ahmed Nasif und dessen Kabinett, was in normalen Zeiten als ernsthafter Versuch interpretiert worden wäre, politische Veränderungen einzuleiten.

Im Fernsehen präsentierte sich Mubarak in der Rolle des Staatsmannes, der sein Volk vor dem Chaos bewahren will. "Wir müssen vorsichtig ein, dass kein Chaos ausbricht, denn dadurch entsteht keine Demokratie", warnte Mubarak, der das Land seit 1981 regiert. Er kündigte in seiner Rede "neue Schritte hin zu mehr Demokratie" an und versprach eine Verbesserung des Lebensstandards.

Doch die Protestbewegung, ermutigt vom Zulauf Zehntausender aus allen Schichten vor allem nach dem Freitagsgebet, ließ sich davon nicht besänftigen. Auf Facebook tauchte ihr Forderungskatalog auf: Weder Mubarak noch sein Sohn Gamal sollen im September bei der Präsidentenwahl antreten, das Parlament müsse aufgelöst und neu gewählt werden. Der Ausnahmezustand, der der Polizei Festnahmen und Verhaftungen erleichtert, müsse aufgehoben werden und alle festgenommenen Demonstranten sowie ohne Anklage oder Prozess inhaftierten Gefangene sollen freigelassen werden, hieß es.

Der Journalist Faiza Hendawi sagte: "Mubarak hat nicht eine Forderung der Demonstranten erfüllt und das Volk wird weiter demonstrieren. Er denkt, er könne uns beruhigen, indem er mit uns spricht. Er versteht nicht, dass dies eine Revolution ist."

Der in Kairo unter Hausarrest stehende Friedensnobelpreisträger und frühere Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Mohammed el Baradei, der als möglicher Kopf einer Übergangsregierung gehandelt wird, sagte dem Sender al-Dschasira, das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte lasse "das brutale Gesicht dieses Regimes" zum Vorschein kommen.

"Der Wandel muss kommen"

Der vierte Tag der Demonstrationen wurde zu einer eindrucksvollen Massenkundgebung gegen Mubarak: "Raus, raus, raus" riefen Zehntausende. Doch es war kein Tag des friedlichen Protests. Die Zentrale der regierenden Nationalen Demokratischen Partei in der Kairoer Innenstadt wurde gestürmt, geplündert und in Brand gesteckt. In der Hauptstadt wurden Banken geplündert und Autos demoliert, Straßenschilder umgerissen. Polizisten wurden mit Steinen beworfen. Einige Polizisten zogen ihre Uniformen aus und schlossen sich den Demonstranten an.

"Wir sind diejenigen, die den Wandel herbeiführen werden", rief der 21-jährige Demonstrant Ahmed Scharif. "Wenn wir nichts tun, wird alles nur schlimmer. Der Wandel muss kommen!" Die Staatsmacht ging hart gegen Demonstranten vor. Es gab Bilder von Demonstranten, die blutüberströmte, bewusstlose Menschen in Sicherheit zu bringen versuchten.

Trotz der nächtlichen Ausgangssperre sind die Plünderungen und Ausschreitungen in Kairo sind auch am Samstagmorgen weitergegangen. In zwei Kairoer Vierteln seien aus gestürmten Polizeiwachen Häftlinge befreit worden. Auch in Alexandria kam es nach Angaben des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira zu nächtlichen Unruhen. Augenzeugen berichteten überdies, dass Hooligans an der Straße zu den Pyramiden von Gizeh ein Hotel gestürmt hätten. Dabei sei es auch zu Konfrontationen mit Touristen gekommen.

Als Dutzende mutmaßliche Plünderer das Ägyptische Museum in Kairo stürmen wollen, wurden sie von einer Menschenkette aus Demonstranten aufgehalten. "Ich stehe hier, um unser Nationalheiligtum zu verteidigen und zu schützen", sagte der Ingenieur Farid Saad. Am frühen Samstagmorgen bezogen schließlich vier gepanzerte Fahrzeuge der ägyptischen Streitkräfte vor dem Museum Stellung und Soldaten umstellten das Gebäude.

Aufstand in Ägypten
:Mubarak und die wütenden Massen

"Raus, raus, raus" skandieren die Demonstranten in Kairo. Der Druck auf das Regime von Ägyptens Präsident Hosni Mubarak wächst weiter - trotz Militärpräsenz und Ausgangssperre. In Bildern.

Insgesamt sind bei den bisher schwersten Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften mindestens 25 Menschen ums Leben gekommen, tausende wurden verletzt. Am Abend war erstmals seit Beginn der Proteste auch das Militär mit Panzern in den Straßen der Städte aufgefahren.

Mubaraks Regierung hat sich wegen ihrer wirtschaftlichen Erfolge - einem wachsenden Bruttoinlandsprodukt und einem boomenden Privatsektor - trotz der Repressionen gegen Andersdenkende und Opposition sicher gefühlt. Die Unzufriedenheit im Land war aber groß, weil nur wenige von dem Boom profitierten - Armut und Arbeitslosigkeit unter den 80 Millionen Ägyptern sind weit verbreitet. Zu den Demonstrationen strömten aber auch Wohlhabende, Weltliche und Religiöse. Auch viele Frauen, teils verschleiert, teils modisch westlich gekleidet, demonstrierten.

Die USA rückten unterdessen vorsichtig von ihrem langjährigen Verbündeten ab. Aus Washingtoner Kreisen verlautete, es werde eine Kürzung der 1,3 Milliarden Dollar Auslandshilfe für Ägypten erwogen. US-Präsident Barack Obama hat den unter Druck geratenen Machthaber unterdessen zur Umsetzung seiner Reformversprechen gedrängt und "konkrete Schritte" für mehr Freiheit eingefordert. Kurz nach Mubaraks Ansprache im ägyptischen Fernsehen hatte Obama für eine halbe Stunde mit seinem Amtskollegen telefoniert. "Ich habe ihm gesagt, dass er die Verantwortung hat, seinen Worten eine Bedeutung zu geben", sagte der US-Präsident in Washington. Er rief die ägyptische Führung auf, jegliche Gewalt gegen friedliche Demonstranten zu unterlassen, forderte aber auch die Protestierer zum Gewaltverzicht auf.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte ein Ende der Gewalt und mahnte Meinungs- und Informationsfreiheit an. "Ich rufe alle Beteiligten, vor allem auch die ägyptische Regierung und den Präsidenten auf, dass sie friedliche Demonstrationen genehmigen, dass die Meinungsfreiheit eine Chance hat", sagte Merkel am Rande des Weltwirtschaftsgipfels in Davos.

Die Vereinten Nationen mahnten die Einhaltung der Bürgerrechte an: "Eines der Grundprinzipien der Demokratie ist der Schutz und die Gewährleistung der Meinungsfreiheit der Bürger", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Davos. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, forderte auch die Wiederherstellung der Internet- und Mobilfunkverbindungen. Die ägyptischen Behörden hatten am frühen Freitagmorgen in einer beispiellosen Aktion sämtliche Internet- und Mobilfunkdienste abgestellt.

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