Umstrittene Gesetzgebung:EU-Kommission leitet Verfahren gegen Polen ein

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Polen wehren sich: Am 9. Januar protestierten Zehntausende Menschen in Warschau gegen die Änderungen der Gesetze. (Foto: AFP)
  • Brüssel reagiert auf umstrittene Gesetzesänderungen in Polen: Die EU-Kommission leitet ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit ein.
  • Der EU-Kommission geht es dabei vor allem um die Reform des Verfassungsgerichts.
  • Umstritten ist auch eine Änderung des Mediengesetzes.

Fokus der Überprüfung auf der Verfassungsgerichtsreform

Im Konflikt mit Polen hat die EU-Kommission eine Überprüfung des Rechtsstaats in einem Mitgliedstaat eingeleitet. Dies teilte der stellvertretende EU-Kommissionschef Frans Timmermans in Brüssel mit. Brüssel nutzt damit erstmals ein 2014 geschaffenes Verfahren. Es sei eine ernste Angelegenheit, dass nach den vorliegenden Informationen verfassungsrechtliche Regeln nicht befolgt worden seien, sagte Timmermans.

Der Beginn der Überprüfung diene dazu, die Fakten zu klären, sagte Timmermans. Der Fokus des Verfahrens liege auf der Reform des Verfassungsgerichts. Man wolle mit der Regierung in Warschau kooperieren. "Unser Ziel ist es, die Probleme zu lösen und nicht, jemanden zu beschuldigen oder polemisch zu sein." Die EU-Kommission habe eine vertragliche Verpflichtung, die Rechtsstaatlichkeit zu überprüfen, sagte Timmermans.

In der ersten Phase des jetzt eingeleiteten Verfahrens will die EU-Kommission genau analysieren, ob es eindeutige Anzeichen für eine "systembedingte Gefahr" für die Rechtsstaatlichkeit in Polen gibt. Nur wenn dies der Fall ist, könnte die Regierung in weiteren Schritten offiziell aufgefordert werden, Änderungen herbeizuführen. Sollten in dem mehrstufigen Prüfungsverfahren Verstöße festgestellt werden und sich das EU-Land weigern, die Regeln zu befolgen, droht am Ende der Entzug der Stimmrechte im Rat der EU.

Worum sich der Streit dreht

Die Regierung der rechtsnationalen PiS steht seit Wochen wegen Gesetzesänderungen beim Verfassungsgericht und der öffentlich-rechtlichen Medien in der Kritik. Nach der Änderung können Entscheidungen beim Verfassungsgericht künftig nur noch durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit getroffen werden. Außerdem müssen statt bisher neun in Zukunft 13 der insgesamt 15 Verfassungsrichter anwesend sein, damit das Gericht wichtige Entscheidungen treffen kann. Kritiker sehen darin eine faktische Entmachtung des Gerichts.

Das neue Mediengesetz stellt die öffentlich-rechtlichen Sender Polens de facto unter Regierungskontrolle. Es sieht unter anderem vor, dass Führungspositionen in den öffentlich-rechtlichen Medien nun von der Regierung bestimmt werden.

Die europäische Debatte über die Gesetzesänderungen hatte zeitweilig zu deutlicher Verstimmung zwischen Warschau und Berlin geführt. Mehrere deutsche EU-Politiker hatten sich besorgt über die Reformen geäußert, zum Teil mit drastischen Worten. Polen hatte sich darüber empört gezeigt - und im Hinblick auf das Verhalten Nazi-Deutschlands im Zweiten Weltkrieg von "schlimmsten Assoziationen" gesprochen.

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Die Gesetzesänderungen sind auch in Polen umstritten. Mehrfach protestierten Zehntausende Bürger in Polen in den vergangenen Wochen gegen die Politik der rechtskonservativen Regierung.

Der Rechtsstaatsmechanismus, den die EU nun zum ersten Mal anwendet, war 2014 geschaffen worden, da die Möglichkeiten zum Schutz der gemeinsamen Werte der EU als unzureichend empfunden worden waren. Hintergrund dafür waren unter anderem umstrittene Verfassungsänderungen in Ungarn, die zu einer Einschränkung der Gewaltenteilung in dem Land führten. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte im Dezember, es sei ein Fehler gewesen, dass die EU dies hingenommen habe.

Die rechtliche Grundlage für den neuen Mechanismus ist Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union. Danach können bestimmte Rechte eines Mitgliedsstaats, etwa Stimmrechte, aufgehoben werden. Bedingung dafür ist, dass eine "schwerwiegende und anhaltende Verletzung" der Werte der EU gegeben ist. Ob dies in Polen der Fall ist, bleibt zu prüfen.

© SZ.de/AFP/dpa/Reuters/mikö/gal/bepe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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