Verbrechen in Höxter:Gutachter/in für Höxter-Prozess gesucht

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In ihrem Haus in Höxter sollen die Angeklagten mehrere Frauen misshandelt haben, zwei von ihnen bis zum Tod. (Archivbild) (Foto: Friso Gentsch/dpa)
  • Der Sachverständige, der den Hauptangeklagten Wilfried Wagener im Prozess begutachtet hat, ist arbeitsunfähig geschrieben worden.
  • Damit sich der Prozess nicht in die Länge zieht, erwägt das Gericht, die Gutachterin der Angeklagten Angelika Wagener zu verpflichten.
  • Experten sind sich nicht einig, ob das sinnvoll wäre.

Von Hans Holzhaider

Im Prozess um das sogenannte Horrorhaus von Höxter steht das Gericht in Paderborn vor einer schwierigen Entscheidung. Nachdem sich abzeichnet, dass der Regensburger Gerichtspsychiater Michael Osterheider, der den Angeklagten Wilfried Wagener begutachten soll, von seinem Auftrag entbunden wird, muss die Strafkammer einen neuen Sachverständigen finden, der diese Aufgabe übernimmt.

Es sei angedacht, die Ärztliche Direktorin des Psychiatrischen Zentrums in Lippstadt, Nahlah Saimeh, damit zu beauftragen, sagte der Vorsitzende Richter Bernd Emminghaus. Saimeh hat die zweite Angeklagte Angelika Wagener psychiatrisch untersucht und am gesamten bisherigen Verfahren teilgenommen. Experten halten es allerdings für problematisch, dass ein Sachverständiger in einem Verfahren zwei Angeklagte untersucht und begutachtet, deren Aussagen sich in wesentlichen Teilen diametral widersprechen.

Vor Gericht
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Der Verteidiger des Angeklagten Wilfried W. wirft dem psychiatrischen Gutachter in dem Fall Willkür vor. Er fordert einen neuen Sachverständigen.

Von Hans Holzhaider

Neuer Sachverständiger könnte bedeuten, dass der Prozess von vorne beginnen muss

Wilfried und Angelika Wagener sind angeklagt, in ihrem Haus in Höxter über längere Zeit hinweg zwei Frauen so schwer misshandelt zu haben, dass diese an den Folgen starben. Angelika Wagener beschuldigt darüber hinaus ihren Ex-Ehemann, auch sie selbst schwer misshandelt zu haben. Er habe ihr unter anderem Arm und Schulter mit kochend heißem Wasser verbrüht und ihr, als Bestrafung für angebliches Fehlverhalten, Dutzende Male die Brüste blutig gebissen. Wilfried Wagener sagt, das sei gelogen: Die Bisse habe sie, gegen seinen Willen, eingefordert, weil es sie sexuell erregt habe; die Verbrühung habe sie sich selbst zugefügt, um arbeitsunfähig geschrieben zu werden.

Der Regensburger Psychiater Osterheider hat bisher nur als Zeuge ausgesagt, was ihm der Angeklagte Wilfried Wagener über seinen Lebenslauf und den Tathergang berichtet hatte. Schon dabei hatte er sich aber in gravierende Widersprüche zu seinem vorläufigen schriftlichen Gutachten verwickelt. Wageners Verteidiger Detlev Binder hatte daraufhin den Antrag gestellt, Osterheider zu entbinden und einen neuen Sachverständigen zu beauftragen. Das war am 14. November; seitdem hat sich Osterheider beim Gericht "auf nicht absehbare Zeit" krankgemeldet und auch noch nicht zu den Vorwürfen der Verteidigung Stellung genommen.

Der Prozess stand kurz vor seinem Abschluss. "In so einem Stadium kann man nicht abwarten, bis Herr Osterheider wieder genesen ist", sagte der Vorsitzende Richter Emminghaus. Es gibt allerdings auch Zweifel, ob Osterheider tatsächlich krank ist. Verteidiger Detlev Binder sagte dem Westfalenblatt, es dränge sich der Verdacht auf, Osterheider wolle mit seiner Krankmeldung kritischen Fragen des Gerichts ausweichen. "Für ihn ist es natürlich angenehmer, dass das Schwurgericht ihn aus Krankheitsgründen entpflichtet, als wenn es sich zu seiner Arbeit als Gutachter äußern würde", zitiert die Zeitung den Rechtsanwalt.

Experten uneins, ob doppelte Aufgabe eines Gutachters sinnvoll

Wenn ein völlig neuer Sachverständiger in das Verfahren käme, müsste der Prozess wahrscheinlich von vorne beginnen, weil wesentliche Teile der Beweisaufnahe wiederholt werden müssten. Deshalb habe man Frau Saimeh gebeten, auch die Begutachtung des Angeklagten Wilfried Wagener zu übernehmen, sagte der Vorsitzende Richter. Das hätte den Vorteil, dass der Prozess ohne längere Unterbrechung weitegeführt werden könnte.

Angesehene Gerichtspsychiater äußern Zweifel, ob ein solches Verfahren fachlich angemessen und sinnvoll wäre. "Ich würde mich sehr schwertun, so einen Auftrag zu übernehmen", sagt der Münchner Forensiker Norbert Nedopil. Wenn man sich schon intensiv mit einem Angeklagten beschäftigt habe, sei es schwer, sich bei der Begutachtung des "gegnerischen" Angeklagten von dem schon gewonnen Bild frei zu machen. Ganz ähnlich äußert sich der Essener Gerichtspsychiater Norbert Leygraf. "Man konzentriert sich zwangsläufig darauf, das aus einer Perspektive zu sehen", sagt er.

Anders sieht es die Münchner Psychiaterin und Psychoanalytikerin Hanna Ziegert. Sie hält es im Gegenteil für "äußerst sinnvoll", wenn ein Sachverständiger Gelegenheit hat, beide Angeklagte bei einer gemeinsam begangenen Tat zu untersuchen. "Wenn das Gericht wissen will, was da auf paardynamischer Ebene gelaufen ist, dann ist das unglaublich bereichernd", sagt sie.

© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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:Zeugin: Behörden in Höxter wussten von "Horrorhaus"

Sie habe das Ordnungsamt im April 2016 angerufen und über Probleme in dem Haus informiert, sagte die Zeugin. Angelika W. hatte ihr einen Brief geschrieben und darin die Misshandlungen geschildert.

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