Franziskus in Ägypten:Papst warnt in Ägypten vor "Instrumentalisierung des Glaubens"

Lesezeit: 3 min

Papst Franziskus bei einer Konferenz in der Al-Azhar-Universität in Kairo. Sie gilt als die renommierteste Lehrstätte des sunnitischen Islam. (Foto: REUTERS)
  • Papst Franziskus ist zu einer zweitägigen Reise in Ägypten eingetroffen.
  • Er rief zu einem friedlichen Miteinander der Religionen auf und forderte einen Schulterschluss aller Konfessionen gegen Extremismus.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Schnell waren noch die Mittelstreifen der Straße nachgemalt worden, die der Papst am Abend auf dem Weg zur Nuntiatur mit seinem ungepanzerten Fiat nehmen würde. Franziskus wollte in der päpstlichen Botschaft in Kairo übernachten, bescheiden wie immer, während seine Delegation im Hotel logiert. An den Straßen begrüßten ihn Schilder mit seinem Konterfei und dem Slogan: "Der Papst des Friedens in einem Ägypten des Friedens."

Nach einer Serie von Anschlägen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf Christen und Kirchen in Ägypten ist der Besuch des katholischen Kirchenoberhaupts eine Solidaritätsbekundung "für alle Christen im Nahen Osten", wie er selbst sagte. Zugleich kommt er für die Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi zu einer Zeit, in der sie sich fragen lassen muss, ob sie genug tut für den Schutz der Christen.

Kairo
:Der Papst auf heikler Mission in Ägypten

In einer Zeit der Spannung zwischen Christen und Moslem in Ägypten, ist Papst Franziskus zu einem Besuch in dem biblischen Land eingetroffen, um eine Botschaft des Friedens zu senden. Die Bilder.

Von Juri Auel

Eine Botschaft des Friedens und der Verbundenheit zwischen den Religionen war Kern der Rede, die der Papst am Nachmittag vor einer Friedenskonferenz hielt, ausgerichtet vom Großimam der Azhar-Universität, Ahmed al-Tayyeb. Der Papst nannte Ägypten laut Manuskript "Land der Kultur" und "Land der Bündnisse". Er bezog sich auf die "Wissenssuche und den Stellenwert der Bildung" im antiken Ägypten, die Grundlage für fruchtbare Entscheidungen gewesen seien. "Ohne angemessene Bildung der jungen Generation wird es keinen Frieden geben", sagte er - und sprach damit eines der größten Probleme an.

Seit einigen Wochen gibt es im Land eine aufgeheizte Debatte über die Azhar-Universität

Das öffentliche Schul- und Universitätssystem ist marode, kaum eine Klasse, in der sich nicht mehr als 40 Schüler drängen, auf dem Land sind es bis zu 80. Privaten Ausbildungseinrichtungen sind für die große Mehrheit unbezahlbar, trotzdem genügen sie oft nicht den internationalen Standards. Verschärft wird die Lage dadurch, dass pro Jahr 2,7 Millionen Kinder in Ägypten geboren werden. Auch an der Qualität der Ausbildung der Azhar, mit 400 000 Studenten eine der größten Universitäten der Welt, die mehr als 4000 Schulen und Bildungseinrichtungen betreibt, gibt es immer wieder Kritik.

Der Papst sagte, Bildung bereite auf eine Zukunft vor, in "der man nicht danach strebt, dass die eigene Seite vorherrscht", auf Dialog, der geprägt sein müsse durch eine "Verpflichtung zur Wahrung der eigenen Identität, den Mut zur Andersheit und die Aufrichtigkeit der Absichten". Er ging damit auf katholische Kritiker ein, die befürchten, der Papst bleibe um des Friedens willen vage in der Benennung der Unterschiede. Zugleich ist es eine Aufforderung an die islamischen Gelehrten der Azhar, sich klar gegen jede Interpretation des Korans zu wenden, die Gewalt legitimiert.

Franziskus hat den Kontakt mit der Universität gesucht, eine der ältesten und angesehensten Institutionen des sunnitischen Islams. Das Klima war vergiftet, nachdem sein Vorgänger, Benedikt XVI., in seiner Regensburger Rede 2006 ein Zitat verwendete, das dem Islam Fanatismus als inhärent unterstellte; zum Bruch kam es, als Benedikt 2011 nach einem Anschlag mehr Schutz für Christen forderte.

Großimam Tayyeb, ein Sufi, ist ein glaubwürdiger Kämpfer gegen Extremismus. Doch es gibt in der Azhar ein breites Spektrum von Gelehrten, von denen einige radikaleren Ideen anhängen. Hoch umstritten ist auch der dort gelehrte Kanon der Hadithe, Überlieferungen aus dem Leben des Propheten Mohammed; einige von ihnen ziehen Extremisten heran, um Gewalt gegen Andersgläubige zu rechtfertigen - in deren Diktion "Ungläubige". Auch weigert sich die Azhar, Dschihadisten des IS als vom Glauben abgefallen zu kategorisieren. Sie sieht sie als fehlgeleitete Muslime und begründet dies damit, dass sie niemanden als vom Glauben abgefallen einstufe, der nicht das muslimische Glaubensbekenntnis verletze.

In Ägypten gibt es seit Wochen eine aufgeheizte Debatte über die Rolle der Azhar bei der Bekämpfung des Extremismus, befeuert von Talkshow-Moderatoren, die der Regierung und dem Sicherheitsapparat nahestehen. Präsident Sisi, den der Papst in dessen Amtssitz traf, hat eine "Erneuerung des religiösen Dialogs" von der Azhar gefordert. Mehr als 200 Abgeordnete unterzeichneten einen Gesetzentwurf, der die Kontrolle des Staates über die Azhar stärken soll - während diese aber zugleich von der Regierung als Zentrum des moderaten Islams in der Welt dargestellt wird.

In der Kirche Sankt Peter und Paul fielen im Dezember 29 Menschen dem IS zum Opfer

Der Papst warnte aber auch vor der Gefahr, dass die Religion "von der Schmeichelei weltlicher Mächte in Versuchung geführt wird, die sie in Wirklichkeit instrumentalisieren". In Ägypten lässt sich das auf das harte Vorgehen des vom Militär dominierten Regimes gegen die als Terrororganisation verbotenen Muslimbrüder münzen. In konservativen muslimischen Kreisen wird die Azhar-Universität ohnehin als Institution des Regimes gesehen - was ihre Glaubwürdigkeit nicht stärkt, wo es am nötigsten wäre.

Der Papst sprach vom "vielfarbigen Licht der Religionen", das Ägypten erleuchtet habe - verschiedene Glaubensrichtungen müssten sich "für das Gemeinwohl verbünden", religiöse Würdenträger Gewalt entlarven, aber auch "Verletzungen der Menschenrechte brandmarken". Er bekräftigte ein "eindeutiges Nein zu jeglicher Form von Gewalt, Rache und Hass", die im Namen der Religion oder im Namen Gottes begangen werden".

Am Abend traf er den Papst der Kopten, Ägyptens größter christlichen Gemeinschaft. Mit Tawadros II. betete er in der Kirche Sankt Peter und Paul. Dort waren am 11. Dezember bei einem IS-Anschlag 29 Menschen getötet worden. Das Attentat war der Auftakt zur schlimmsten Gewaltwelle gegen Ägyptens Christen seit Jahrzehnten.

© SZ vom 29.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Christen
:Besuch in der geschundenen Zufluchtsstätte der Heiligen Familie

Vor ägyptischen Kirchen stehen bewaffnete Polizisten und Metalldetektoren. In dieser angespannten Zeit reist der Papst in das Land - und verweist vorab auf die biblische Bedeutung Ägyptens.

Von Paul-Anton Krüger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: