Windkraft im Landkreis:Gegen den Wind gerechnet

Lesezeit: 3 min

Noch ist die Wirtschaftlichkeit von Rotoren im Oberland nicht erwiesen. Große Energiekonzerne halten Standorte in der Region jedoch für uninteressant.

Silke Bigalke

Vor zehn Jahren habe kein Mensch daran gedacht, hier Windräder zu bauen, sagt Alexander Reil, Geschäftsführer der Gemeinde Berg. Denn in Bayern, vor allem in Oberbayern, weht oft weniger Wind als anderswo. Im Freistaat gibt es nur etwas mehr als 400 Windräder, die nicht einmal ein Prozent des bayerischen Stroms produzieren.

Im Voralpenland weht weniger Wind als anderswo. Im ganzen Freistaat gibt es nur etwas mehr als 400 Windräder, die nicht einmal ein Prozent des gesamten bayerischen Stroms produzieren. (Foto: AFP)

Doch jetzt will Bayern aufholen und in den kommenden zehn Jahren 1500 bis 2000 neue Anlagen errichten - vier davon könnten in Berg stehen, in den Wadlhauser Gräben. Die Kommunen stehen unter Druck, denn Windräder gelten plötzlich als privilegierte Bauvorhaben, weshalb die Gemeinden Bauanträge nicht mehr ablehnen könnten. Sie beeilen sich daher, Vorrangflächen auszuweisen, auf die sie Investoren verweisen können - um dort möglichst selbst zu bauen, bevor Eon oder Vattenfall ihre Räder hier platzieren, heißt es auch in Berg.

Aber haben Eon oder Vattenfall überhaupt Interesse an Windkraft im windarmen Bayern? "Wir sind fokussiert auf Offshore-Anlagen. Wenn man effizient in Windenergie investieren will, sind Binnenstandorte nicht gerade optimal", sagt Christian Drepper, Sprecher für Eon Climate & Renewables, die Eon-Tochter für erneuerbare Energien.

Und auch unter den Binnenstandorten ist Bayern nicht erste Wahl, der Energiekonzern Vattenfall etwa konzentriert sich auf Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Brandenburg. Die besten Windverhältnisse in Bayern gebe es in Oberfranken, sagt Günter Beermann, bayerischer Landesvorsitzende des Bundesverbands Windenergie: "Je weiter man nach Süden kommt, desto schlechter. Je näher man an die Alpen rückt, desto schlechter."

Die Gemeinde Berg will mit den Anlagen nicht reich werden, sondern unabhängig von anderen Stromlieferanten. "Die Frage ist hier, ob man sie wirtschaftlich betreiben kann oder nicht", sagt Reil. Nach zwei unabhängigen Windgutachten sehe es so aus, als gäbe es eine Rendite, wenn auch eine einstellige. An der geplanten Betreibergesellschaft möchte Berg mindestens 51 Prozent halten.

Bisheriger Wunschpartner sind die Stadtwerke München. Goldgräberstimmung herrscht auch hier nicht: "Die Anlagen in Bayern sind alle sehr knapp, was die Wirtschaftlichkeit angeht", sagt Robert Sing, bei den Stadtwerken zuständig für die Erneuerbaren Energien.

Ob eine Anlage realisierbar ist, hänge von drei Dingen ab: Vom Preis für die Turbinen. Von den Zinsen für Fremdkapital. Und davon, wie sich das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) entwickelt, das die Windkraft fördert, ab 2012 jedoch jedes Jahr um 1,5 Prozent weniger. Windkraftanlagen mit einer Leistung von mehr als einem Megawatt (MW) kosten zwischen 800 und 1000 Euro je Kilowatt (kW), so die Faustregel. Eine 2,3 MW-Anlage, wie sie in der Berger Beispielrechnung vorkommt, würde damit zwischen 1,8 und 2,3 Millionen Euro kosten.

Die Stadtwerke München betreiben bereits mehr als 100 Windkraftanlagen an Land, doch nur eine davon in Bayern. Es gehe ihnen jetzt auch darum, Standorte gemeinsam mit den Kommunen zu erschließen, sagt Sing. Aber: "Wenn es sich nicht rentiert, wird die Gemeinde die Anlagen nicht betreiben", so Reil.

Die beiden Gutachten, die Berg in Auftrag gegeben hat, haben in 140 Metern Höhe eine Windgeschwindigkeit von 5,7 und sechs Metern pro Sekunde (m/s) festgestellt. Für eine erste Abschätzung könne man davon ausgehen, dass sich die Anlagen ab einer Geschwindigkeit von 5,3 bis sechs m/s lohne, sagt Michael Krämer, im Bayerischen Umweltministerium für Energiemanagement zuständig. Gemeinsam mit Staatssekretärin Melanie Huml hat er den Energie-Atlas Bayern in Geretsried vorgestellt.

Die Zahlen aus Berg sehen laut Krämer nicht schlecht aus. Die Gemeinde ist von einer 2,3-MW-Anlage ausgegangen und von verschiedenen Überschreitungswahrscheinlichkeiten, also Annahmen darüber, wie stark der Wind im Modell von der Realität abweicht. Dabei kamen sie auf 5,3 bis 6,4 Millionen Kilowattstunden (kWh) Ertrag im Jahr. Bei einer EEG-Vergütung von rund 9,2 Cent pro kWh entspricht das etwa 500 000 Euro.

Bisher werden Windenergieanlagen nur gefördert, wenn sie ein Mindestmaß an Ertrag versprechen, mindestens 60 Prozent einer als Referenz festgelegten Anlage. Schafft ein Standort diese Hürde, bekommt er die Anfangsvergütung umso länger, je ungünstiger er liegt: Für eine 100-Prozent-Anlage gibt es die Förderung fünf Jahre lang, für einen 60-Prozent-Anlage 20 Jahre lang. Die Standorte in Oberbayern liegen meistens bei rund 60 Prozent - alle, die darunter liegen, konnten bisher nicht realisiert werden. 2012 soll die Hürde abgeschafft werden. Mehr, wenn auch nicht ideale, Standorte werden so möglich.

Bayern konzentriert sich jetzt auch deswegen auf Windenergie, weil sie als erste der Erneuerbaren ohne Förderung auskommen wird. Mit etwa 9,2 Cent liegt die EEG-Vergütung nicht weit weg vom Strom-Börsenpreis, der derzeit zwischen 6 und 7 Cent pro kWh schwankt. Die Photovoltaik ist mit einer EEG-Vergütung von etwa 30 Cent für Dachanlagen weiter davon entfernt, ohne Förderung auszukommen. Erzwingen kann der Freistaat die Windräder trotzdem nicht. Wo sich eine Anlage nicht lohnt, wird kein Investor sie bauen.

© SZ vom 12.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: