Landkreis:"Unsere Wahlstrategie ist nicht aufgegangen"

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Der CSU-Kreisvorsitzende Martin Bachhuber ist enttäuscht über das Abschneiden von Landratskandidatin Sabine Lorenz. Aber er gibt sich auch kämpferisch, denn bis zur nächsten Kommunalwahl im Jahr 2020 soll alles besser werden für die Christsozialen.

Von Alexandra Vecchiato

Nach dem 16. März hatte er sich Zeit ausbedungen für eine ausführliche Analyse des Wahlergebnisses. Denn ein Ziel konnte CSU-Kreisvorsitzender Martin Bachhuber nicht erreichen: Die Christsozialen stellen wieder nicht den Landrat. Über die Gründe dafür und wie es mit der CSU im Landkreis weitergehen soll, sprach Bachhuber mit der SZ.

SZ: Herr Bachhuber, wie konnte es dazu kommen, dass die CSU nicht mehr die dominante Partei im Stoiber-Landkreis ist?

Martin Bachhuber: Zunächst muss man festhalten, dass die CSU auch weiterhin stärkste Fraktion im Kreistag ist. Natürlich ist das Gesamtergebnis im Vergleich zu 2002 nicht erfreulich. Darüber habe ich mir viele Gedanken gemacht: Es sind sicherlich mehrere Faktoren verantwortlich. Bei der Analyse der jüngsten Kommunalwahl wird deutlich, dass der teilweise erschreckende Rückgang der Wahlbeteiligung vor allem der CSU schadet. Höher war die Beteiligung dort, wo stark polarisiert wurde wie in Dietramszell oder Geretsried, was der CSU zugute kam. Zum anderen geht es den Menschen sehr gut, sie haben kein Bedürfnis zur Kommunalwahl zu gehen, weil sie keine Veränderung anstreben.

Das allein kann das bescheidene Abschneiden der CSU auf Kreis-Ebene nicht erklären.

Mein Ziel waren wieder 24 Sitze im Kreistag. Nun haben wir einen verloren. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich das bürgerliche konservative Lager aufspaltet und die vielen bürgerlichen Gruppierungen neben den Freien Wählern stark zugenommen haben. Auch gibt es einen gewissen Trend hin zu den Grünen. Deren Stimmenzuwachs muss man sich genau anschauen: Die ÖDP ist dieses Jahr nicht mehr angetreten. Von den 102 000 Stimmen, die die Grünen im Kreis dazubekommen haben, stammt sicherlich ein großer Anteil von der ÖDP. Und unsere Wahlstrategie mit den Spitzenkandidaten Werner Weindl und Sabine Lorenz ist nicht aufgegangen, was aber nicht die Schuld des Kreisverbands ist.

SZ: Wie war das, als Werner Weindl seine Kandidatur als Landrat zurückzog?

Ich musste erneut auf Kandidatensuche gehen. Aber alle potenziellen Bewerber wie etwa der Kochler Thomas Holz standen nicht mehr zur Verfügung. Man hat mir angetragen, dass ich als Landrat kandidieren solle mit der Begründung, ich sei sehr bekannt und könnte einen lockeren Wahlkampf führen, da ich nichts zu verlieren hätte. Aber das wollte ich nicht. Ich kann nicht zuerst den Wählern sagen, ich will in den Landtag, dann trete ich als Tölzer Landrat an - und wenn's nichts wird, fahre ich wieder nach München. Das tue ich nicht.

Und dann?

Also, Untätigkeit kann mir keiner vorwerfen. Ich habe alle Vorschläge verfolgt, allen Namen, die mir zugerufen wurden, bin ich nachgegangen. Zum Schluss hatte ich drei mögliche Kandidaten, einen Rechtsanwalt aus dem Landkreis München und zwei Bewerberinnen, darunter Sabine Lorenz aus Geretsried. Die Wahl fiel mit großer Mehrheit auf Lorenz. Jetzt im Nachhinein muss man sagen, wo sie bekannt ist wie in Geretsried, hat Sabine Lorenz hervorragend abgeschnitten. Aber im bürgerlich-konservativen Bereich konnte sie nicht punkten. Diese Befürchtung hatte ich. Dennoch hatte ich nicht damit gerechnet, dass sie im Tölzer Altlandkreis so wenig Stimmen bekommen wird.

War es ein Fehler, Frau Lorenz zu nominieren?

Nein, das denke ich nicht. Wir müssen akzeptieren, dass unsere Wähler entweder zu Hause geblieben sind oder den amtierenden Landrat Josef Niedermaier als konservativen Kandidaten den Vorzug gegeben haben. Das belegen die Zahlen: In Geretsried - mit einem etwas anderen Klientel - konnten wir 8400 Stimmen zulegen, während wir in Wolfratshausen 23 000 Stimmen weniger bekommen haben. In Bad Tölz und Lenggries waren es jeweils etwa 12 000 Stimmen weniger. Obschon die CSU-Kreistagskandidaten aus Lenggries wiederum sehr gut abgeschnitten haben. Wir haben also fast 50 000 Stimmen bei den bürgerlich-ländlichen Wählern verloren.

Was haben die Freien Wähler demnach, was die CSU nicht mehr hat?

Auch hierüber haben wir uns Gedanken gemacht, nicht nur im Kreis sondern ebenso in der Parteizentrale. An der allgemeinen Stimmung hat es definitiv nicht gelegen. Die CSU stand insgesamt gut da, gestärkt nach der Landtags- und der Bundestagswahl. Für mich war das der seltsamste Wahlkampf überhaupt.

Wieso?

Es war ein Wahlkampf ohne Interesse an Sachthemen. Ich habe Frau Lorenz oft begleitet. Das war ein einziges großes Desinteresse. Über Kommunalpolitik wollte niemand reden, nur in Kochel und der Jachenau gab es Debatten zum geplanten Pumpspeicherwerk am Jochberg. Fakt scheint zu sein: Der größere Teil der Nichtwähler fällt auf uns. Den FW wird noch immer abgenommen, dass sie angeblich parteifrei und nur den Bürgern verpflichtet seien, obwohl sie eine Partei wie eine jede andere sind. Auch hat uns die Affäre um den Miesbacher Landrat Kreidl stark geschadet.

Hat der Rückzug Weindls der CSU hier im Landkreis nicht mehr geschadet als die Affäre Kreidl?

Das ist nicht die Zeit für Schuldzuweisungen. Sicherlich war Weindls Absage ein großer Mosaikstein. Als er im Januar 2013 seine Kandidatur zusagte, habe ich natürlich die Suche nach weiteren Bewerbern eingestellt. Alles, der gesamte Fahrplan mit Kreisdelegierten-Versammlung, Vorstellung in der Presse und so fort, war auf ihn zugeschnitten. In der gesamten Kreis-CSU sowie bei unserer Unterstützung war wegen dieses starken Kandidaten ein riesiger Aufwind zu spüren. Ob er Niedermaier hätte schlagen können - wer weiß, die Wahrheit liegt in der Urne. Aber das Ergebnis insgesamt wäre ein anderes gewesen. Danach einen Bewerber aus dem Kreis der üblichen Verdächtigen zu finden, gestaltete sich schwierig, weil keiner die zweite Wahl sein wollte.

Sollte in so einem Fall nicht das Wohl der eigenen Partei im Vordergrund stehen?

Nein. Der Hund, den man zum Jagen tragen muss, taugt nichts. Da kann man niemanden dazu zwingen, eine Kandidatur muss freiwillig sein.

Wie geht es jetzt weiter?

Nach der konstituierenden Sitzung des Kreistags werde ich eine Klausurtagung anberaumen, auf der es um die Neuausrichtung des Kreisverbands gehen wird. Es geht darum, schlagkräftige Kandidaten für die Wahl 2020 aufzubauen. Auch werde ich den Ortsverbänden mit auf den Weg geben, dass sie auf alle Fälle Bürgermeisterkandidaten ins Rennen schicken sollen. Die Ergebnisse zeigen, dass die CSU insgesamt besser abschneidet, wenn sie einen Bewerber für das Rathaus aufstellt.

Wie schwer wird die Suche nach geeigneten Kandidaten auf Kreisebene?

Die Personalfrage steht nicht an allererster Stelle. Priorität hat, wie sich die CSU im Landkreis künftig positionieren will.

Aber das ist der Knackpunkt. Landrat Niedermaier steht für konservative Werte, die Politik der FW ist nicht klar von der der CSU zu unterscheiden.

Diese Frage habe ich mir bei der Wahlanalyse auch gestellt. CSU-intern gab es durchaus die Meinung, dass wir im Kreistag zu samtweich mit den Freien Wählern umgegangen seien, mehr Attacken hätten fahren müssen. Ich persönlich will das nicht, denn ich bin der Meinung, dass gerade unsere Wähler dies nicht gutheißen würden. Sie wollen, dass wir den Landkreis vorwärts bringen. Im Übrigen ist die viel gelobte Harmonie im Kreistag nicht den FW sondern in erster Linie der CSU geschuldet, weil wir keine Fundamental-Opposition gemacht haben, wie vor 2008 SPD, Grüne und auch FW, die schon mal Kreistagssitzungen geschlossen verlassen haben.

Aber wie soll der Wähler die Unterschiede erkennen, wenn die Parteien im Kreistag kein Profil zeigen?

Das ist ein großes Problem. Landrat Niedermaier ist sehr geschickt darin, Stimmungen aufzugreifen, den Kurs zu wechseln und die Ergebnisse als seine Erfolge zu verkaufen. Ich habe mir schon die Frage gestellt, ob die CSU nicht kantig genug war.

Das Fazit Ihrer Wahlanalyse lautet also?

Die CSU könnte mit dem Wahlergebnis leben, wenn man dieses allein mit dem von 2008 vergleichen würde. Vor der Kommunalwahl 2008 war die CSU die dominante Partei im Landkreis. Aber es wäre zu kurz gesprungen, allein die DTK-Affäre für den Erdrutsch 2008 verantwortlich zu machen. Auch andere Faktoren müssen in die damalige Analyse einbezogen werden, wie die Einführung des G 8, das Rauchverbot in Gaststätten oder der Lehrermangel. Die Stimmung war damals gegen die CSU.

Haben Sie die Affäre um die Kasernen-Konversion damals unterschätzt?

Nein, denn ich habe als stellvertretender Landrat bei jeder Bürgerversammlung die schlechte Stimmung mitbekommen. Die Kasernen-Konversion hat uns 2008 sehr geschadet. Heute wird die Flinthöhe gelobt und es spielt keine Rolle mehr, dass die Schnecke mit Verlust kürzlich verkauft wurde. Wir haben damals das Vertrauen der Wähler verspielt. Und die Wähler haben eines gelernt: Die Welt ist in Baden-Württemberg nicht untergegangen mit einem grünen Ministerpräsidenten und die Sonne wird über Miesbach weiterhin scheinen mit einem grünen Landrat. Diese Wähler können wir nur mit starken Persönlichkeiten und einer sachlichen fleißigen Politik vor Ort zurückgewinnen. Aber das ist alles mit Arbeit verbunden. Das wird für uns nicht leicht.

Ist das auf Dauer machbar? Landtagsabgeordneter, Kreisvorsitzender . . .

Das ist eine ganz enorme Belastung für mich. Auf Dauer wird es so nicht weitergehen. Wir werden über den Fraktionssprecher im Kreistag reden müssen. Auch werden wir in Ruhe über den Kreisvorsitz reden, ich bin seit 2003 im Amt. Die Landkreis-CSU braucht neue Gesichter und neue Ideen.

Heißt das, Sie kündigen Ihren Rückzug aus den Ämtern auf Kreisebene an?

Mir macht die Arbeit nach wie vor Spaß. Doch die gesundheitliche Belastung ist spürbar. Niemand ist unersetzbar, auch ein Martin Bachhuber nicht.

© SZ vom 22.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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