Kaum mehr kleine Pensionen:Bad Tölz hat 500 Hotelbetten verloren

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Immer mehr Herbergen müssen schließen. Ursache sind fehlende Nachfolger, Online-Buchungen und Wohnungsbau. Jüngstes Opfer ist das Hotel Alexandra.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Nun also das Hotel Alexandra. Gut zehn Monate noch, dann wird das Haus mit den Holzbalkonen und der breiten Eingangstür an der Kyreinstraße geschlossen und ausgeräumt. 21 Jahre lang hatten Monika und Walter Olschewsky ihre Gäste dort willkommen geheißen und betreut, aber bald ist Schluss, weil die Vermieterin den Pachtvertrag zum Januar 2018 gekündigt hat. "Das ist äußerst schade, weil damit ein gutes Hotel vom Markt verschwindet, das mit Leidenschaft geführt wurde", sagt Kurdirektorin Brita Hohenreiter. Bad Tölz verliert damit 35 Betten, was zwar den Tourismus nicht ins Trudeln bringt, allerdings in den Trend passt. Seit die Stadt vor fünf Jahren das Konzept der "Neuen Tölzer Hotelkultur" aufgelegt hat, fielen nicht weniger als rund 500 Betten weg, übrig sind derzeit noch knapp 2100. "Wir brauchen Betten", sagt Bürgermeister Josef Janker (CSU). "Natürlich."

Ins Kontor schlug der Wegfall des Hotels Jodquellenhof, das die Jod AG im November 2014 zusperrte. Auf einen Schlag waren damals mehr als 170 Betten verloren. Es sind aber vor allem die Betreiber der vielen kleinen Pensionen, Gästehäuser und Ferienwohnungen, die in den vergangenen Jahren nach und nach aufgaben. Kaum eine Sitzung des städtischen Bauausschusses, in der nicht ein Antrag eines Eigentümers oder einer Bauträgerfirma auftaucht, das alte Gebäude wegzureißen und ein meist mehrstöckiges Wohnhaus hinzustellen. Das Unrentable wird versilbert, das Kurviertel hat dadurch ein anderes Gesicht bekommen.

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Ein Grund, warum kleine Gastgeber in Tölz hinschmeißen, ist die vergebliche Suche nach einem Nachfolger. Sie haben keine Kinder oder welche, die beruflich einen anderen Weg gehen. Andere scheiterten an der Konkurrenzfähigkeit. Als es noch die Sozialkur gab, befanden sie sich in der Situation eines Restaurantbesuchers, dem das Essen serviert wird - die Krankenkassen schickten ihnen die Gäste. Nach der Seehofer'schen Gesundheitsreform mussten sie selber kochen und sich mühen, die Betten in ihrem Haus auszulasten. Sie gerieten in einen Teufelskreis: Weil die Gäste ausblieben, fehlte ihnen das Geld zum Renovieren, weil die Zimmer nicht mehr modern waren und mitunter gar den Charme der Siebzigerjahre hatten, gab es noch weniger Buchungen, weniger Einnahmen.

Kurdirektorin Hohenreiter nennt eine weitere Ursache für Schließungen: Die Vermietung hat sich grundlegend gewandelt. Im Zeitalter des Internet werden Hotelzimmer fast nur mehr online gebucht, was oftmals über die Systeme von Softwarefirmen geschieht. An diese Unternehmen müssen die Gastgeber zwischen 13 und 18 Prozent Provision für eine erfolgreiche Buchung zahlen. "Das war vor acht Jahren nicht so", sagt Hohenreiter. Für den Inhaber einer kleinen Pension oder eines Gästehauses, der finanziell gerade so über die Runden kommt, schmälert das die Gewinnmarge erheblich. Auf den Zimmerpreis könne er die Gebühren nicht draufschlagen, "weil die Leistung im Haus ja nicht mehr geworden ist", sagt Hohenreiter.

Das Hotel Alexandra drehte sich nicht in einer solchen Abwärtsspirale. Der frühere Eigentümer hatte zwar kaum investiert, das übernahmen die Olschewskys selbst. Es blieb ihnen auch kaum etwas anderes übrig. "Ich muss das Haus ja vermietbar halten", sagt Monika Olschewsky. Zusammen mit ihrem Mann würde sie gerne weitermachen, viele ihrer Gäste wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten erst zu Stammgästen, dann zu Freunden. Ihr schwebte vor, die oberste Etage auszubauen, wie es im Pachtvertrag festgehalten war - "eine tolle Sache". Aber dann teilte ihr die Vermieterin mit, dass sie das Hotel aufgeben möchte, weil ihr die Fremdenverkehrsabgabe zu hoch sei. Sie sei danach schon mal mit einem Architekten da gewesen, erzählt Olschewsky. Noch ein Hotel also, aus dem wohl ein Wohnhaus wird.

Aufgabe wider Willen: Das Hotel Alexandra an der Kyreinstraße schließt voraussichtlich Ende November. (Foto: Manfred Neubauer)

Unzufrieden zeigt sich die Hotelfrau mit der Stadtpolitik. "Ich bin mir nicht sicher, ob die Stadt in die richtige Richtung fährt", sagt sie. In Bad Tölz gehe es doch immer nur um Gewinnmaximierung, "alle haben das Dollarzeichen im Auge". Für Monika Olschewsky vergeben die Stadträte gutgläubig Baugenehmigungen für Wohnprojekte, nur weil ihnen zugesichert sei, dass zugleich ein Hotel errichtet werde. Als Beispiel führt sie den "Bichler Hof" an. Dort will Hubert Hörmann ein 80-Betten-Haus mit Chalets und Restaurant bauen, aber auch 18 Doppelhaushälften. Das sei sein gutes Recht, meint Olschewsky. Die Stadträte handelten aber lediglich nach dem Prinzip Hoffnung - "weil man halt hofft, dass . . ."

Die Kritik mag Bürgermeister Janker so nicht stehen lassen. Der Investor hätte auch das ehemalige Eon-Hotel kaufen und dort einfach Wohnungen errichten können, meint er. Der Bichler Hof und das Hotelprojekt der Firma Arcus an der Arzbacher Straße seien im Übrigen die einzigen beiden Vorhaben, die mit Wohnbauten querfinanziert würden. Nichts Ungewöhnliches, sagt Janker. "Ich war mit Kollegen aus dem Tegernseer Tal zusammen, selbst da ist es so, dass mit Wohnungen gegenfinanziert wird."

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Werden die zwei Projekte umgesetzt, bekäme Bad Tölz etwa 300 Betten dazu. Die sind für Janker und Kurdirektorin Hohenreiter dringend notwendig. Noch immer zählt die Stadt rund 340 000 Übernachtungen pro Jahr. Außerdem scheint der Abwärtstrend in der Aufenthaltsdauer der Touristen gestoppt, die seit Jahren stetig sank. 2011 blieb ein Gast im Schnitt 4,5 Tage in Bad Tölz, 2014 waren es nur noch 4,22 Tage. Hohenreiter zufolge stieg dieser Wert 2015 wieder auf 4,34 Tage, für 2017 rechnet sie mit 4,5. Darin sieht sie einen ersten Erfolg der "Neuen Tölzer Hotelkultur", die mit dem Gesundheitsangebot im neuen Vitalzentrum, der eMotion-Base an der Sportjugendherberge oder dem geplanten Spa vor allem solche Besucher nach Bad Tölz locken soll, die Urlaub machen und gleichzeitig etwas für ihre Gesundheit tun wollen. "Privat zahlende Gäste bleiben ein, zwei Wochen, das bringt die Zahl im Durchschnitt wieder hoch", so Hohenreiter. Hinzu kommt Janker zufolge, dass die Hotelkultur auch noch auf der Säule "Seminare und Tagungen" ruht. Die Teilnehmer bleiben ebenfalls länger da und wollten bedient werden, "wir brauchen auch dazu Betten".

Im Hotel Alexandra wird es bald keine mehr geben. In persönlichen Schreiben will sich Maria Olschewsky von ihren Stammgästen verabschieden, die meisten von ihnen wissen von dem Aus allerdings schon aus dem Internet. "Das ist traurig", sagt die Hotelfrau. Auch Hohenreiter ist alles andere als glücklich: "Das trifft jemanden, der das immer hervorragend gemacht hat, der gerne würde und nicht darf."

© SZ vom 21.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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