Filmmusik:Die Gefährten

Der Kinderchor der Wolfratshauser Musikschule singt in den Live-Aufführungen des Fantasy-Epos "Der Herr der Ringe" - und erlebt aufregende Auftritte mit den Münchner Symphonikern am Gasteig.

Thekla Krausseneck

Filmmusik: Der Wolfratshauser Kinderchor singt zum fünften Mal bei den Live-Aufführungen der "Herr der Ringe"-Trilogie im Gasteig. Für Ludwig Prosinger ist der diesjährige Auftritt eine Premiere.

Der Wolfratshauser Kinderchor singt zum fünften Mal bei den Live-Aufführungen der "Herr der Ringe"-Trilogie im Gasteig. Für Ludwig Prosinger ist der diesjährige Auftritt eine Premiere.

Als die Kinoleinwand schwarz wird und der Abspann beginnt, stehen die Sänger des Wolfratshauser Kinderchors von ihren Stühlen auf. Nach ein paar Takten setzt sich Ludwig Prosinger im Schutz der Rücken seiner Vordermänner wieder hin und zieht sich den Pullover aus. Er ist schwarz und bedruckt mit einer goldenen Note, dem Logo der Musikschule Wolfratshausen. Unterhalb der Galerie steht Kaitlyn Lusk auf dem Parkett: In einem langen grünen Kleid singt die junge Frau "May it be" von Enya, den Schluss-Song des ersten Teils von "Herr der Ringe".

Chorleiter Yoshihisa Kinoshita gibt Ludwig ein Handzeichen. Dieser steht auf und tritt an das Mikrofon. Das Orchester lässt "May it be" ausklingen und geht über in das Instrumental von "The Breaking of the Fellowship". Ludwigs weißes Hemd leuchtet im Scheinwerferlicht, schwindelerregend groß liegt die Philharmonie vor ihm. Mehr als 2000 Zuhörer sehen ihn an. Der Kinderchor beginnt zu summen. Dirigent Ludwig Wicki wendet sich der Galerie zu, hebt den Stab. Und Ludwig singt.

Ein Kinofilm mit Live-Musik: Seit 2008 finden die Konzerte fast jährlich in der Philharmonie im Gasteig statt. Der "Herr der Ringe" läuft im Originalton mit deutschen Untertiteln auf einer 65 Quadratmeter großen Leinwand, die Münchner Symphoniker spielen die Filmmusik. Es singen der Münchner Chor und die US-amerikanische Sopran-Solistin Kaitlyn Lusk, der Schweizer Ludwig Wicki dirigiert. Mit dabei sind stets etwa 50 Jugendliche des Wolfratshauser Kinderchors, darunter die drei Solisten Moritz Soellner (16), Julius Günther (12) und Ludwig Prosinger (13). An vier Tagen dieser Märzwoche reisen sie mit dem Bus an. Zwei Tage lang waren sie bereits in Nürnberg, ihre nächste Station wird Stuttgart sein.

Am frühen Dienstagabend steigen sie vor dem Gasteig aus dem Bus und laufen durch die labyrinthischen Gänge des roten Backsteinbaus zur Stellprobe. Noch ist der Saal leer und kein Zuschauer sitzt auf den 2387 rot gepolsterten Stühle. Auf dem Parkett huschen zwischen Notenständern und den Bänken, die für den Münchner Chor bestimmt sind, Musiker auf und ab. Rechts schließen sechs riesige Pauken einen Kreis um den Perkussionisten. Ihn umgeben die ausgefallenen Instrumente, die sich Komponist Howard Shore für die "Herr der Ringe"-Musik zusammengestellt hat. Hier ein Stück Eisenbahnschiene, neben der Hämmer liegen; dort eine aufgehängte, rechteckige Metallplatte. Trommeln mit einem Meter Durchmesser, ein tibetanischer Gong, eine "Bodhrán", die - streng nach Shores Partitur - traditionell irisch getrommelt werden muss. Und ein altes Klavier, dessen Tasten und Front fehlen - daneben liegt eine Eisenkette, mit der gegen die entblößten Saiten geschlagen wird, wenn es für die Filmhelden gefährlich wird.

Um die Jahrtausendwende sang der Kinderchor dreimal mit dem Ensemble "Blechschaden", einem Ableger der Münchner Philharmoniker. Als 2008 die Deutschlandpremiere der Live-Aufführung von "Herr der Ringe" nahte, erreichte Kinoshita die Anfrage, ob sein Chor einen Part übernehmen wollte. Der Deutsch-Japaner, der den Chor von 1989 an aufgebaut hat, sagte zu. Seither ist der Chor ein Bestandteil der Aufführungen, die - ausgenommen 2012 - jährlich stattfinden.

Die drei jungen Solisten haben Lampenfieber - Moritz Soellner nicht ganz so sehr wie Ludwig Prosinger und Julius Günther, die zum ersten Mal mit auf "Herr der Ringe"-Tour sind. Moritz singt die Soli seit der Deutschlandpremiere, heuer zum fünften Mal. 2010, als der Bayerische Rundfunk erstmalig seinen Filmmusikpreis verlieh - nämlich ausgerechnet an Howard Shore, für die Filmmusik von "Herr der Ringe" -, sang Moritz das Solo "The Breaking of the Fellowship" im Circus Krone. Shore sprach ihm für seinen Auftritt ein persönliches Lob aus, erinnert sich Kinoshita. Heute sei er dagegen nicht mehr so aufgeregt, sagt Moritz. Dafür fiebert Julius seinem Auftritt entgegen. Aber ist es einmal losgegangen, sagt er, könne er ohnehin nicht mehr zurück. "Und es gehört dazu. Weil man sonst nicht so gut singt."

Warm und stickig ist es hinter den Kulissen der Philharmonie, wo Sänger und Symphoniker zwischen den Probenräumen hin und her laufen. Durcheinander stimmen sie ihre Instrumente, als sich die Jugendlichen vor der Tür 2.237 aufstellen. Sie sind in Schwarz gekleidet, nur aus den Pullis der Solisten spitzen weiße Hemdkragen. Draußen, vor den Eingängen des Saals, trinkt das bunt gemischte Publikum seine Sektgläser aus. Tickets werden gezückt und vorgezeigt. Menschen strömen in den Saal, in Jeans und T-Shirt, in feiner Garderobe, manche in einem grünen Hobbit-Umhang.

Hinter den Jugendlichen verlässt Solistin Lusk ihre Garderobe. "Sie trägt das Grüne!", ruft ein Mädchen ihren Freundinnen zu. Der Gong ertönt. Die Jugendlichen betreten die Galerie. Dunkelheit senkt sich auf die Zuschauertribüne. Auf dem Parkett legen die Violinisten die Bögen auf die Saiten ihrer Instrumente. Der Film beginnt.

Drei Stunden später: der Abspann. Die erste Strophe hat Ludwig gemeistert. Er schluckt und atmet durch. Hebt die Stimme erneut und singt die zweite Strophe. Als seine Stimme verklingt, setzt sich Ludwig und tauscht ein Lächeln mit Kinoshita.

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