Erfolg im Ehrenamt:Die erste führende Feuerwehrfrau

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Die Elektronikerin Katarina Sultzer kümmert sich auf Landkreisebene um die Atemschutzgeräte der Feuerwehr. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Katarina Sultzer ist seit Jahresbeginn stellvertretende Kommandantin in Eurasburg. Sie wurde in der DDR geboren, wo Gleichberechtigung selbstverständlich war.

Von Benjamin Engel, Eurasburg

Schon als Kind hat Katarina Sultzer gelernt anzupacken. Als ihr Vater das Haus der Familie baute, trug sie Ziegelsteine und half bei den Malerarbeiten. Es habe das Motto gegolten, wer sich schmutzig mache, härte sich ab, erzählt die 33-Jährige. Sultzer ist in der DDR geboren und hat die ersten Lebensjahre dort verbracht. Und in der Mangelgesellschaft habe es dazu gehört, viel selbst organisieren zu müssen. So hat sie es wahrscheinlich auch geschafft, in der Freiwilligen Feuerwehr Eurasburg - im Ort lebt sie seit 2004 - bis fast ganz an die Spitze aufzusteigen. Seit Anfang des Jahres ist sie stellvertretende Feuerwehrkommandantin und damit die erste Frau im Landkreis in einer Führungsposition.

Ganz entspannt geht die junge Frau mit der Kurzhaarfrisur mit ihrem ehrenamtlichen Werdegang um. Natürlich sei sie vielfach darauf angesprochen worden, dass sie die erste stellvertretende Feuerwehrkommandantin sei, sagt sie. Aber unter den Eurasburger Kameraden sei das Verhältnis zwischen Männern und Frauen von Anfang an entspannt gewesen. Als sie 2004 zur Feuerwehr gestoßen sei, hätten manche zunächst skeptisch reagiert. Das habe aber weniger daran gelegen, dass sie eine Frau sei, sagt sie. "Alles, was neu ist, ist doch immer erst einmal komisch." Jeder habe erst einmal sehen wollen, wer die "Neue" sei, wie sie sich verhalte. "Nach einer gewissen Zeit haben die Kameraden dann gesehen, die kann anpacken", sagt sie. Damit sei sie akzeptiert gewesen.

Was im Landkreis noch ungewöhnlich ist, unter fast 3000 aktiven Feuerwehrleuten sind 106 Frauen, war in Sachsen schon lange gang und gäbe. Frauen seien in der DDR ganz selbstverständlich in die Feuerwehrführungsebene eingebunden gewesen, sagt Sultzer. Sie ist in Naundorf bei Leipzig aufgewachsen. Sie hat drei Geschwister. Schon im Alter von zehn Jahren trat sie der örtlichen Jugendfeuerwehr bei. "Mein großer Bruder und meine große Schwester waren schon in der Feuerwehr", berichtet sie. Das habe es leichter gemacht, mitzumachen. Und in der Jugendfeuerwehr seien genau sieben Jungs und sieben Mädchen gewesen.

In Bayern sind die ersten Frauen erst vor wenigen Jahren in der Männerdomäne Feuerwehr aktiv geworden. In Eurasburg sind laut Sultzer fünf von 44 Aktiven Frauen. Die Geschlechtsunterschiede spielten praktisch keine Rolle, sagt sie. Deshalb ist die MeToo-Debatte um Machtmissbrauch gegenüber Frauen für sie zumindest in der Feuerwehr kein Thema. Sie selbst habe mit ihrer Sachkenntnis überzeugen wollen, sich nie in den Mittelpunkt gestellt. In der Eurasburger Feuerwehr habe jeder unabhängig vom Geschlecht spezifische Fähigkeiten. Das ergänze sich hervorragend. Entscheidend sei, miteinander zu kommunizieren und daraus Lösungen zu entwickeln und zu erarbeiten.

Mit den Händen hat Sultzer immer schon gerne gearbeitet und sich für Technik interessiert. Sie war in Sachsen als Physiotherapeutin tätig. Früh habe sie der Gedanke gereizt, sich in einer Hilfsorganisation zu engagieren. Ihr Beweggrund, anderen Menschen helfen zu können, habe sie in die Feuerwehr geführt.

Sie spezialisierte sich auf Atemschutzgeräte und betreut diesen Bereich nun auch in Bad Tölz-Wolfratshausen auf Kreisfeuerwehrebene. Warum sie sich gerade damit auseinandersetzt? "Wenn ich ganz ehrlich bin, ist es der Adrenalinschub im Einsatz", erklärt sie. "Es brennt und raucht, du musst irgendwo rein und heil wieder herauskommen." Nur mit Toten umzugehen, sei anfangs schwierig gewesen. Dafür gebe es aber zum Glück professionelle Unterstützung bei der Feuerwehr.

Ihr Engagement in der Feuerwehr sieht Sultzer als Berufung. Nicht zuletzt hat sie damit auch die Liebe gefunden. Denn ihr heutiger Lebensgefährte und Vorsitzende im Eurasburger Feuerwehrverein, Mathias Petito, besuchte 2002 die sächsischen Kollegen in Naunhof, zu denen eine freundschaftliche Verbindung besteht. Dadurch lernten Sultzer und er sich kennen. Nach einem Jahr Wochenendbeziehung entschloss sich die junge Frau nach Bayern umzuziehen. "Auf die Dauer war das so nichts. Ich war 21 und habe mir gedacht, ich ziehe runter", sagt sie. So habe ihr Lebensgefährte auch nicht sein ganzes Leben in Eurasburg abbrechen müssen.

In beruflicher Hinsicht war der Neuanfang schwierig. Eine Stelle als Physiotherapeutin fand sie in der Region nicht. Deshalb arbeitete sie in der Elektriker-Firma ihres Lebensgefährten mit. Mittlerweile ist sie geprüfte Elektronikerin für Energie- und Gebäudetechnik.

Zwischendurch hat sie sogar mit dem Gedanken gespielt, zur Berufswehr nach München zu gehen. Doch bei der Aufnahmeprüfung kugelte sie sich im praktischen Teil das Ellbogengelenk aus. Da war Sultzer gerade 25 Jahre alt. Als sie den Arm auskuriert hatte, sei sie zu alt für den Eintritt in die Organisation - das geht ihrer Auskunft nach nur bis zum 27. Lebensjahr - gewesen. Diesen Rückschlag hat sie nach erster Enttäuschung aber schnell verkraftet. "Ich habe mir gedacht, jetzt greife ich bei der Freiwilligen Feuerwehr richtig an", berichtet sie. Immer habe sie sich zum Ziel gesetzt, Verantwortung zu tragen.

Als stellvertretende Kommandantin sei sie bemüht, die unterschiedlichen Charaktere der Feuerwehrmitglieder zusammenzubringen. Probleme kläre sie offen und ehrlich. Persönlich nehme sie sich zurück. "Ich bin immer gut gefahren damit", sagt Sultzer.

© SZ vom 27.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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