Strom aufwärts:Der Trend zum E-Bike erreicht die Gipfel

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Immer mehr und ältere Menschen radeln immer höher. Der Alpenverein warnt vor falscher Ausrüstung: "Man glaubt gar nicht, was man alles den Blomberg hochfahren sieht."

Von Lea Utz, Bad Tölz-Wolfratshausen

Immer steiler geht es den Berg hinauf, 20 Kilometer weit, bis auf 2000 Höhenmeter. Martin Schindler tritt in die Pedale - und der Elektromotor zieht mit. "Es ist einfach ein Traum", sagt der 65-jährige Greilinger. Er ist ein leidenschaftlicher Mountainbiker. Im nahen und fernen Umkreis gibt es kaum einen Berg, den er noch nicht auf zwei Rädern erkundet hat, vom Karwendel bis ins Zillertal. Seit ein paar Jahren tut Schindler das nicht mehr nur aus eigener Kraft - denn sein Mountainbike wird von einem Elektromotor unterstützt.

Er ist nicht der einzige, der aufs E-Bike setzt: 535 000 Elektrofahrräder wurden allein im vergangenen Jahr in Deutschland verkauft, so viele wie noch nie. Dass sich der Trend auch in der Region bemerkbar macht, weiß Schindler aus eigener Erfahrung, denn er betreibt in Greiling ein Fahrradgeschäft. "Ich verkaufe inzwischen wesentlich mehr Pedelecs als normale Räder." Pedelecs sind unter den Elektrofahrrädern am weitesten verbreitet: Der Radler wird nur dann vom Elektromotor unterstützt und auf bis zu 25 Stundenkilometer beschleunigt, wenn er selbst in die Pedale tritt. Auch im Norden des Landkreises steigt die Nachfrage: Der Wolfratshauser Fahrradhändler Helmut Oswald will nach Geretsried expandieren - auch, um den E-Bike-Verleih auszubauen (siehe unten).

"Das Fahrgefühl ist einfach super", sagt Schindler. Der große Vorteil beim Pedelec: "Man kann genau einstellen, wie stark man sich anstrengen will." Das sei gerade für die etwas älteren Radler attraktiv. "Für viele bedeutet das: Jetzt kann ich wieder da rauf, wo ich schon ewig nicht mehr oben war." Erst kürzlich habe ein 80-Jähriger ein 5000 Euro teures Elektrofahrrad bei ihm bestellt. Die Zielgruppe beschränke sich aber nicht nur auf ältere Radfahrer - auch einige junge Freizeitsportler hätten das Pedelec längst für sich entdeckt. Die Palette der Modelle ist breit: Sie reicht vom komfortablen Stadtfahrrad für Tiefeinsteiger bis hin zum bergtauglichen Mountainbike mit doppelter Federung.

Altes Kino Geretsried
:Pedelec statt Popcorn

Der Wolfratshauser Fahrradhändler Oswald übernimmt das alte Geretsrieder Kino - um eine Test- und Verleihstation für E-Bikes aufzubauen. Die Leinwände bleiben erhalten.

Von Lea Utz

Manche Radler hätten zunächst zwar Bedenken, weil sie eine höhere Unfallgefahr befürchteten. Die meisten seien aber schon nach der ersten Probefahrt überzeugt. "Die Umstellung vom normalen Rad auf das Pedelec ist nicht besonders groß", findet Schindler. Auch die Unfallstatistik der Polizei gibt in puncto Sicherheit im Straßenverkehr vorsichtig Entwarnung: Im vergangenen Jahr waren in nur fünf der insgesamt 154 Radunfälle im Landkreis E-Bike-Fahrer verwickelt, das sind gerade einmal drei Prozent. "Aus dem Bauch heraus hätte ich gedacht, dass es mehr sind", sagt der Tölzer Polizeihauptkommissar Lars Werner. "Aber das scheint gut zu funktionieren."

Für die Berge gibt es dagegen keine genauen Zahlen. "Die erfahrenen Mountainbiker sind weniger das Problem", sagt Matthias Laar vom Deutschen Alpenverein dazu. "Eher problematisch sind Novizen, die aufs Rad steigen und lange Touren fahren, obwohl sie keine Erfahrung haben." An den nötigen Kompetenzen fehle es da zuweilen "an allen Ecken und Enden". Häufig sei schon das Elektrofahrrad selbst ungeeignet für das bergige Terrain: "Man glaubt gar nicht, was man da so alles den Blomberg hochfahren sieht."

Neben der passenden Ausrüstung mangele es zum Teil auch an den Fahrfähigkeiten und der Ortskenntnis: "Die Leute fahren rauf auf über 3000 Meter, ohne die Fähigkeit mitzubringen, alpine Risiken wahrzunehmen - zum Beispiel, wann es nach einem Wetterumschwung Zeit ist, umzukehren." Wer nicht versiert sei und eine Bergtour plane, solle sich unbedingt eine Anlaufstelle suchen und gegebenenfalls einen ein- bis zweitägigen Kurs besuchen.

Der zunehmende E-Bike-Verkehr in den Bergen bereitet auch Naturschützern Sorge. "Es liegt in der Natur der Sache: Je mehr ich beim Fahren unterstützt werde, desto ehe kann ich auch anspruchsvolle Touren in entlegene Gebiete unternehmen", sagt Franz Steger von der Naturschutzbehörde des Landratsamts. Diese Bergregionen seien jedoch sehr sensibel, weil sie auch Rückzugsorte für seltene Tiere wie Raufußhühner sind. "Unsere Sorge ist, dass Bereiche, die vorher unberührt waren, stark beunruhigt werden", sagt Steger. Das Problem sei jedoch nicht E-Bike-spezifisch: "Das ist generell eine neue Bewegung, dass Radfahrer immer weiter in die Natur vordringen." Wie die Kreisbehörde mit einem Mountainbike-Konzept gegensteuern könnte, erforscht derzeit das Alpenforschungsinstitut in einer Studie.

E-Biker Martin Schindler auf dem Weg zur Walderalm im Inntal. (Foto: privat)

Martin Schindler sieht die Pedelec-Fahrer aber nicht in der Verantwortung: Seiner Erfahrung nach halten sich die Radler an die vorgegebenen Wege. Noch dazu seien Elektrofahrräder für unwegsames Gelände ohnehin ungeeignet, denn dort müsse man das Rad häufig über Hindernisse heben. "Dafür ist das E-Mountainbike zu schwer, das will keiner mit sich herumtragen", sagt Schindler. Mit rund 20 Kilogramm wiegen die Räder deutlich mehr als Mountainbikes ohne Elektromotor.

Die nächste Tour in den Bayerischen Voralpen hat Schindler längst geplant: Von Eschenlohe soll es zur der Kuhalm gehen - wieder einmal auf dem Pedelec.

© SZ vom 11.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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