Benediktbeuern:Vier Räder für Benediktbeuern

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Der Verein Carsharing Pfaffenwinkel bietet jetzt auch einen Wagen im Klosterdorf an. Die Initiative ist eine der erfahrensten in Südbayern. Die nächsten Autoteiler sitzen in Bad Tölz, Wolfratshausen ist zweimal gescheitert

Von Konstantin Kaip, Benediktbeuern

Ute Pappenberger will keinen eigenen Pkw. "Ich lebe im Prinzip seit 20 Jahren autofrei", sagt die 64-Jährige und klingt ein wenig stolz dabei. Pappenberger ist Heilpraktikerin, macht aber, wie sie betont, keine Hausbesuche. Eine Praxis hat sie in Benediktbeuern, wo sie seit elf Jahren lebt. Nach München, wo sie zwei Tage pro Woche arbeitet, fährt sie mit dem Zug. Weil es aber doch Situationen gibt, in denen Menschen, die kein Auto haben, eines brauchen, hat Pappenberger 2014 begonnen, sich für ein Carsharing-Projekt in Benediktbeuern einzusetzen. Mit Erfolg: Am Samstag hat Erich Zimmermann, Vorsitzender des Vereins Carsharing Pfaffenwinkel, einen kleinen Viertürer übergeben. Das Auto steht auf einem dafür reservierten Parkplatz vor dem Rathaus bereit.

Der Wagen der bislang in Weilheim stand, kann von jedem genutzt werden, der einen Vertrag mit Carsharing Pfaffenwinkel abschließt: "Es ist ein Quasi-Mietvertrag", erklärt Zimmermann. Schließlich habe man damit nicht den Anspruch, das Auto tatsächlich zu bekommen. Buchen können die Kunden das Fahrzeug im Internet. Sie loggen sich ein und geben den Zeitpunkt der Abholung und der Rückgabe ein. Das Auto in Benediktbeuern kostet dann 2,20 Euro pro Stunde; jeder gefahrene Kilometer 28 Cent. Nach der Nutzung stellen die Fahrer es wieder auf dem Parkplatz am Rathaus ab, tragen ihren Fahrtbericht in einen Zettel im Auto ein und hinterlassen den Schlüssel in einem kleinen Tresor. Bezahlt wird monatlich.

22 Fahrzeuge für 250 Kunden in sieben Gemeinden

Der Verein Carsharing Pfaffenwinkel wurde im Jahr 2000 in Weilheim gegründet und zählt zu den ältesten derartigen Initiativen in Südbayern. Benediktbeuern ist die siebte Gemeinde, die der Verein betreut. Zimmermann und seine Kollegen - fünf Ehrenamtliche und vier Mini-Jobber - bietet 22 Fahrzeuge für zirka 250 Kunden an: in Weilheim, Penzberg, Bernried, Schongau, Murnau und Peiting. Wer sich das Auto teilt, variiert je nach Standort, sagt Zimmermann. So würden die Fahrzeuge in Peiting, wo 80 Mitarbeiter der sozialen Einrichtung Herzogsägmühle zu den Kunden gehören, sowie in Weilheim und Schongau überwiegend beruflich genutzt; in Bernried, Murnau und Penzberg hingegen "fast nur privat".

Ute Pappenberger wird das Auto nur privat brauchen, und auch das nur gelegentlich, wie sie sagt: für Großeinkäufe, Arztbesuche oder seltene Ausflüge. "Natürlich freue ich mich, wenn ich davon manchmal profitiere", sagt sie zu dem neuen Fahrzeug. Sie sehe das Benediktbeurer Carsharing aber eher als "ein nachhaltig ökologisch-soziales Projekt", das Bürgern zugute komme, die auf ein eigenes Auto verzichten wollen, sich dieses nicht leisten können, aber auch für Studenten, Gäste des Fremdenverkehrs, ehrenamtlich Tätige oder als Zweitauto für Familien. Bei der Einweihung des Autos am Samstag dankte Pappenberger auch Bürgermeister Hans Kiefersauer. "Wir stehen vorbehaltlos dahinter", hatte Kiefersauer im Namen der Gemeinde zum Carsharing erklärt. Pappenberger dankte für den eigens zur Verfügung gestellten Parkplatz vor dem Rathaus, aber auch für den Einsatz der Gemeindeverwaltung: So habe Anneliese Heiser alle 22 Bürger, die nach ersten Erhebungen Interesse angemeldet hatten, angeschrieben, um den tatsächlichen Bedarf zu klären. Übrig blieben schließlich zehn Personen, für die es im Januar zwei detaillierte Informationsveranstaltungen gab. Den Werdegang von der Idee zur Realisierung des Carsharing in Benediktbeuern trug Pappenberger am Samstag in Form eines selbst geschriebenen Gedichts vor. "Wird es sich bewähren auf Dauer? Nach einem Jahr sind wir sicher schlauer", lautete der letzte Reim.

300 Euro im Monat muss das Auto einbringen

Wie sich das Carsharing in Benediktbeuern entwickelt, kann auch Zimmermann schwer sagen. "Es ist sicher immer auch ein kaufmännisches Risiko", sagt der pensionierte Bahnangestellte; er arbeitet ehrenamtlich für Carsharing Pfaffenwinkel, wie vier andere Kollegen. Zudem beschäftigt der Verein vier Mini-Jobber. "Wir sind nicht gewinnorientiert", sagt der 77-Jährige. "Aber kostenorientiert." Die Ausgaben - im Januar alleine etwa 80 000 Euro - müssten schließlich über die Einnahmen finanziert werden. Bei dem Auto in Benediktbeuern seien dies 300 Euro Fixkosten im Monat, mit Versicherung und Rücklagen für die Werkstatt.

Zimmermann gibt seine 16-jährige Erfahrung in Sachen Carsharing gern an andere weiter. So ist er in engem Kontakt mit dem Verein Stattauto Isarwinkel, der seit 2004 Carsharing in Bad Tölz anbietet, inzwischen mit drei Autos. In Wolfratshausen hingegen ist das Carsharing zweimal gescheitert - erst als KG der Bürgerstiftung Energiewende Oberland (EWO), später auch mit der Gesellschaft "Autoteiler Wolfratshausen" (ATW). Mit ihr wollte der ehemalige Geschäftsführer des EWO-Carsharings, Michael Schurack, 2013 einen Neuanfang starten; er musste aber schon im Herbst 2014 erneut Insolvenz anmelden. Zuwenig Nachfrage, fehlende Rücklagen und keine Mittel für Werbung macht Schurack heute für die Pleite verantwortlich. Die ATW sei aber noch im Bundesverband Carsharing (BCS) als Mitglied geführt. "Wenn sich sieben Leute finden, die das machen wollen, können sie die Autoteiler übernehmen."

Erich Zimmermann führt die Wolfratshauser Pleiten auf den mangelnden Geschäftssinn der Initiatoren zurück: "Die haben bei den Kosten nicht aufgepasst." So müsse man auch Rücklagen schaffen. Carsharing Pfaffenwinkel habe die meisten Autos zu guten Konditionen geleast, aber auch vier im eigenen Besitz, die dem Verein auch als Rücklagewerte dienen. "Ein bisschen Kaufmann muss man schon sein", sagt Zimmermann, "sonst geht's nicht."

www.carsharing-pfaffenwinkel.de

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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