Bad Tölz:Die Kurstadt mistet den 70er-Jahre-Chic aus

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Die vermeintlich gute, alte Zeit, als noch Käfer durch die Marktstraße fuhren: Der Chic der 70er-Jahre hat sich in einigen Bebauungsplänen gehalten. (Foto: SZ Photo)

Bungalows, Glasvordächer und Jägerzäune: So will heute kaum jemand mehr wohnen. Darum hat der Tölzer Stadtrat eine ganze Reihe altmodischer Bebauungspläne aufgehoben

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Ein kleines Glasdach über der Haustür, das fand man in den Siebzigerjahren in Bad Tölz richtig schick. Als Bauamtsleiter Christian Fürstberger kürzlich einen Bauantrag für das Wohngebiet "Am Schuß" südlich der Osterleite bekam, waltete er seines Amtes, kramte den geltenden Bebauungsplan hervor und staunte nicht schlecht. Darin waren noch immer Jägerzäune vorgeschrieben, die längst aus der Mode sind, "sehr enge Baufenster" und eben die Glasdächlein. Nicht anders erging es Fürstberger beim Antrag eines Ehepaars, das gerne ein Einfamilienhaus an der Eichenstraße bauen möchte. Ginge es nach dem Bebauungsplan, müssten sie dort einen Bungalow errichten, wie er vor 40 Jahren dem Zeitgeschmack entsprach. Das Regelwerk besagt nämlich: Erlaubt sind nur eingeschossige Gebäude. Der Bauamtsleiter beschloss, die alten Pläne einmal auszumisten. Sie wurden vom Stadtrat am Dienstagabend aufgehoben.

Mit dem Paragrafenwerk für das Gebiet "Am Schuß" war das Wegwerfen gar nicht so einfach. Neben der Urfassung gibt es eine erste, eine zweite und eine dritte Änderung, aber die zweite ist im Rathaus im Lauf der Jahre irgendwo verschütt gegangen, weshalb die Räte nur die erste und die dritte tilgen konnten. Vielleicht sei die verlorene Änderung nicht mehr aufzufinden, weil sie nie rechtskräftig wurde, mutmaßt der Bauamtschef. Da das Wohngebiet "Am Schuß" schon bebaut ist, stellte der Stadtrat nur für die noch freien Flächen am Felix-Dittmar-Weg einen neuen Plan auf - mit modernen Regelungen. Vorgesehen sind dort nun fünf Einzelhäuser. "Damit nicht etwas passiert, was nicht zu dem Quartier passt", erklärte Fürstberger.

Eines der alten Regelwerke ist im Rathaus nicht einmal mehr aufzufinden

Auch der Bebauungsplan "Nr. III/7 Wohngebiet zwischen Eichenstraße und Dietramszeller Straße" mit seinen Bungalow-Vorschriften gilt nicht mehr. Abgesehen vom Baustil widerspreche er "dem Grundsatz eines sparsamen Umgangs mit Grund und Boden", sagte der Amtsleiter. Im Übrigen gebe es dort nur noch eine Baulücke.

Abgeschafft hat der Stadtrat auch den Bebauungsplan "Sondergebiet Breumayerstraße". Der stammt aus dem Jahr 2012 und galt vor allem für das Zentrum für Frischzellentherapie, das dort im Kurviertel errichtet werden sollte. Die Poliklinik entstand dann aber an der Stephanie-von-Strechine-Straße, für das Areal an der Breumayerstraße gilt inzwischen der Bebauungsplan "Sondergebiet am Kurpark". Denn der umfasse "auch die südlichen Flächen", wie Fürstberger erläuterte.

Allerdings waren die Stadträte in der Sitzung nicht bloß damit beschäftigt, einen überholten Plan nach dem anderen in die Tonne zu treten. Sie stellten auch einen neuen auf, der den "Oberhof" betrifft - ein landwirtschaftliches Gut etwa einen Kilometer nordöstlich von Bad Tölz. Der Grund: Besitzer Franz Roeckl möchte dort das Landhaus wieder errichten, das der Münchner Baumeister Gabriel von Seidl gebaut hatte. 1901 wurde es bezogen, 1960 abgerissen. Roeckl, ein Urgroßneffe von Seidl, möchte es nach alten Plänen und Skizzen aus dem Stadtarchiv neu erstehen lassen. Vorgesehen seien auch zwei Wohnungen für Roeckl und den Bewirtschafter des Gutes, sagte Fürstberger. Alles andere bleibe landwirtschaftliche Fläche. Die Regierung von Oberbayern, das Wasserwirtschaftsamt und das Landesamt für Denkmalpflege hatten keine Einwände. Das Amt für Landwirtschaft und Forsten forderte, dass die Bindung an die Hofstelle erhalten bleiben soll. Martin Harrer (FWG) sorgte sich um die Zufahrt zur unterhalb vom Gut gelegenen Wiese. "Bei einer landwirtschaftlichen Fläche?", wunderte sich Bürgermeister Josef Janker (CSU).

© SZ vom 29.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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