Wiesnzaun:Streit im Rathaus: "Eine Grenze ist überschritten"

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Oberbürgermeister Dieter Reiter (links) sieht keinen Grund für persönliche Animositäten. Josef Schmid sieht das etwas anders. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Die SPD strich den geplanten Zaun aus dem Sicherheitskonzept für das Oktoberfest, das Bürgermeister Josef Schmid (CSU) vorlegt hatte.
  • Gleich danach ließ die SPD Schmid noch mal auflaufen, als sie mit der Opposition seine Bewertungskriterien für die Wiesn-Zulassung kippte.

Von Heiner Effern, München

Wenn seine CSU-Fraktion schon vor Wut im Dreieck springt, bleibt Hans Podiuk meist gelassen am Boden. So läuft's halt, wenn zwei miteinander müssen, die nicht unbedingt miteinander wollen, sagt der Chef dann lapidar. Doch diesmal, nach dem Streit im Stadtrat über einen Wiesnzaun, hüpft sogar der fast 70 Jahre alte Routinier im Takt seiner erzürnten Kollegen mit.

"Eine Grenze ist überschritten. Das hat eine andere Dimension als alles bisher. Wenn die uns über den Tisch ziehen, müssen wir uns das nicht gefallen lassen", sagt Podiuk. Die Stimmung sei so "angespannt wie noch nie" in der Regierungszeit mit der SPD, sagt ein Mitglied seiner Fraktion. "Nicht mal bei Hollemann."

Der Name Hollemann steht in der CSU für den größten Angriff auf den Frieden in der Stadtregierung. Sie wollte Markus Hollemann zum Umweltreferenten wählen, doch die SPD verweigerte ihm wegen seiner Ansichten zur Abtreibung die Stimmen. Am Dienstag hat die SPD gezeigt, dass das nicht das Ende der Schmerzskala war.

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Sie strich den geplanten Zaun aus dem Sicherheitskonzept für das Oktoberfest, das Bürgermeister Josef Schmid (CSU) vorlegte. Gleich danach ließ die SPD Schmid noch mal auflaufen, als sie mit der Opposition seine Bewertungskriterien für die Wiesn-Zulassung kippte.

Oberbürgermeister Dieter Reiter sieht "keinen Grund für persönliche Animositäten". Wenn Josef Schmid mit einer inhaltlich dünnen und absehbar nicht konsensfähigen Vorlage in den Ausschuss gehe, sei das dessen Entscheidung. Reiter betont, dass seine ablehnende Haltung zu einem Zaun schon lange öffentlich bekannt sei. Er habe nicht dafür gesorgt, dass es bei "diesem unglaublich wichtigen Thema" zu einer Show im Stadtrat gekommen sei.

Dilettantismus oder gezielte Provokation

Die CSU sieht sich dagegen sehr wohl vorgeführt und hat zwei mögliche Motive bei der SPD ausgemacht: Dilettantismus oder gezielte Provokation. CSU-Fraktionsvize Michael Kuffer tendiert wie die meisten zur ersten Variante. "Wir leiden unter dem Problem, dass die SPD total gespalten ist." Man könne schon den Überblick über die Fronten verlieren. Die verliefen in der SPD-Fraktion, zwischen dem Chef und seiner Fraktion, zwischen Partei und Fraktion. Die SPD präsentiere sich "fahrig und unprofessionell."

Nicht nur Kuffer berichtet von holpernder Zusammenarbeit. Als die SPD in einem Ausschuss gegen die CSU gestimmt habe, sagt Podiuk, habe er die Regierungskollegen zur Rede gestellt, warum sie sich nicht an das vereinbarte Vorgehen der Fraktionsspitzen gehalten hätten. "Die haben gar nicht gewusst, was abgesprochen war. Da bin ich fast vom Stuhl gefallen."

Auch andere CSU-Verantwortliche berichten, dass die SPD wechselnde Ansprechpartner schicke und Absprachen nicht einhalte. "Das geht so nicht weiter", heißt es. Man habe das Gefühl, dass sich das verschärft habe, seit SPD-Fraktionschef Alexander Reissl in diesem Frühjahr denkbar knapp mit nur 13:9 Stimmen wiedergewählt wurde.

Der SPD-Fraktionschef äußert sich am Mittwoch auf die Vorwürfe nicht. Seine beiden neuen Stellvertreter schon - und die sind spürbar auf eine Beruhigung aus. "Kopf in den Kühlschrank", rät SPD-Vize Christian Vorländer allen erregten Gemütern. "Wir sollten mit Ruhe und Gelassenheit den Blick nach vorne richten."

Seine Kollegin Verena Dietl findet, dass das Bündnis schon mal einen Krach aushalten müssen, wenn die beiden Partner in einer grundsätzlichen Frage sich nicht einigen könnten. Sorgen um die SPD-Fraktion müsse sich niemand machen. Sie gibt aber auch einen Hinweis, dass sich tatsächlich im Innenleben etwas geändert hat. "Es ist schon richtig, dass der Chef die Fraktion miteinbezieht und deren Meinung dann nach außen vertritt." Bisher galten Abstimmung und ausführliche Diskussion mit seiner Fraktion nicht als Markenzeichen Reissls, der eher für striktes Durchregieren stand. "Die CSU muss einfach akzeptieren, wie es bei uns läuft", sagt seine Stellvertreterin Dietl nun.

© SZ vom 07.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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