Streit um Wiesnzaun:Offenes Ende

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CSU-Bürgermeister Josef Schmid findet im Stadtrat keine Mehrheit für seinen Plan, die Wiesn bei Überfüllung mit einem ausrollbaren Zaun zu sichern. Die Polizei findet das Konzept zwar gut, doch Kreisverwaltungsreferat und Koalitionspartner SPD machen nicht mit

Von Franz Kotteder

Der Wiesn-Zaun kommt nicht, dafür wird die Kluft zwischen Schwarz und Rot im Rathaus wieder ein bisschen größer. Mit seinem Vorschlag, die nordwestliche Hangseite der Theresienhöhe bei Überfüllung der Wiesn mit ausrollbaren Maschendrahtzäunen abzusperren, erlitt der Zweite Bürgermeister und Wiesnchef Josef Schmid (CSU) am Dienstag Schiffbruch. Der zuständige Stadtratsausschuss für Arbeit und Wirtschaft lehnte den Einsatz von sogenannten "Secu-Fence"-Boxen gegen die Stimmen von CSU und ÖDP rundweg ab. Das übrige Sicherheitskonzept - das im wesentlichen dem der vergangenen Jahre entspricht - wurde einstimmig angenommen.

Die höchst umstrittene Aufstellung der ausrollbaren Zäune sollte laut Schmid als "ultima ratio" zum Einsatz kommen. "Es geht nicht um eine 17 Tage dauernde Umzäunung des Oktoberfestes", stellte der Bürgermeister, der als Wirtschaftsreferent zugleich auch Wiesn-Chef ist, in der Sitzung klar. Es gehe lediglich darum, ein Schlupfloch "für eine halbe Stunde oder eine Stunde" zu schließen, wenn die Wiesn wegen Überfüllung an den Eingängen mit Flatterband und Ordnern abgesperrt wird. Ortskundige würden in diesem Fall nämlich einfach über die ungesicherte Böschung auf das Festgelände gelangen. Eine Schlüsselrolle in der Debatte spielte der neue Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle (SPD). Seine Behörde habe sich "zunächst einmal offen" für die Idee einer Absperrung gezeigt, gab er zu. . Böhle: "Ich habe aber Zweifel, ob dieser Vorschlag hinreichend durchdacht ist." Das Hauptproblem sei ja nicht eine komplett überfüllte Wiesn, sondern einzelne Brennpunkte, an denen es gefährlich werde, etwa in der Wirtsbudenstraße oder am Riesenrad. Der Vergleich mit Konzerten oder großen Sportveranstaltungen hinke: Dort gebe es wegen der Eintrittskarten eine kalkulierbare Menschenmenge, die sich obendrein immer in eine Richtung bewege. Beim Oktoberfest gebe es aber immer Bewegung in beide Richtungen. Außerdem sei es fraglich, ob sich die Zäune "bei einer sich anbahnenden Belastungs- und Stresssituation" auch wirklich schnell genug ausfahren oder schließen ließen.

Diese Argumente griffen in der anschließenden Diskussion vor allem die Stadträte von SPD, Grünen, FDP und Bayernpartei auf. SPD-Sprecher Helmut Schmid, einer der Veteranen in der Runde, erinnerte daran, dass man einen Zaun bereits vor bald 20 Jahren unter dem Kreisverwaltungsreferenten Hans-Peter Uhl (CSU) aus guten Gründen abgelehnt habe, "und damals hatten wir acht Millionen Besucher, im Unterschied zu heute mit sechs Millionen". Er befürchte, dass durch Rollzäune eher zusätzliche Ängste geschürt würden, statt ein Gefühl der Sicherheit zu erzeugen.

Dass ein Wiesn-Chef aus der eigenen Koalition derart massiven Gegenwind bekommt, ist ungewöhnlich. Und auch wenn Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sich erkennbar bemühte, kein Öl ins Feuer zu gießen und von einer "sachgerechten Diskussion" sprach: Normalerweise werden solche Differenzen vorab in kleiner Runde geklärt und nicht öffentlich im Stadtrat diskutiert. Möglicherweise hat Schmid da, wie schon des Öfteren, nicht erfolgreich genug kommuniziert. Das würde Reiters kleine Spitze erklären, er hoffe auf ein "erkennbar mit allen abgestimmtes Sicherheitskonzept im nächsten Jahr". Schützenhilfe bekam Josef Schmid für seinen Zaunplan außer von der CSU-Fraktion vor allem vom Vertreter der Polizei. Mit Personal allein sei es extrem schwierig, die Leute vom Betreten der Wiesn abzuhalten, insofern seien die "Secu-Fence"-Boxen eine Möglichkeit, den Druck aufs Gelände zu lindern. Obendrein seien sie im Sicherheitskonzept nur eine von mehreren Maßnahmen. CSU-Wirtschaftssprecher Manuel Pretzl warnte davor, "eine polemische Debatte vom Zaun zu brechen". Letztlich gehe es nur um eine 350 Meter lange Hangkante, die abzusperren sei, und mit den bisherigen Mitteln sei man dem Massenandrang nicht Herr geworden: "Was machen wir, wenn wir wieder so einen Tag wie den 3. Oktober 2015 haben?" Ob der Rollzaun zur Abwendung solcher Situationen ein taugliches Mittel ist, daran zweifelten freilich einige Stadträte. "Was tut man bei einer Massenpanik?", fragte Grünen-Stadträtin Lydia Dietrich, "wie soll da der Abfluss funktionieren?" Tobias Ruff (ÖDP) konnte sich nicht recht vorstellen, dass ausgerechnet über die rutschige Hangkante, "bei Münchnern nur als Soachwiesn bekannt", massenweise Menschen auf die Wiesn strömen. Mario Schmidbauer (Bayernpartei) lehnte den Zaun ab: "Sicherheit beginnt nicht erst an den Eingängen. Die bei Überfüllung mit Flatterband absperren - da lach' ich mich ja tot!" Sinnvoller wäre es, Rucksäcke und große Taschen von der Wiesn zu verbannen.

Diesem Änderungsantrag wollten wiederum die anderen Parteien nicht folgen. Immerhin gab es Einigkeit über die anderen Punkte des Sicherheitskonzepts, die unter anderem frühzeitige Warnungen vor drohender Überfüllung in sozialen Medien und im Rundfunk, Sperrung der Zugänge durch Ordner und der U- und S-Bahnhöfe in Wiesnnähe beinhalten. Dies hatte auch Kreisverwaltungsreferent Böhle als wichtigste Mittel empfohlen, um dem Andrang Herr zu werden.

In einer ersten Reaktion sagte Josef Schmid nach der Sitzung, er halte die Entscheidung "für einen großen Fehler". Schmid: "Ich akzeptiere das Votum der Mehrheit des Stadtrats, mache es mir aber ausdrücklich nicht zu eigen."

© SZ vom 06.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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