Urteil:66-Jährige überfallen - um sie "vor Halunken" zu schützen

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Dawid G. fühlte sich verfolgt, als er in die Wohnung einer Frau in der Au eindrang. Nun muss er in eine Klinik.

Von Susi Wimmer

Es waren Stimmen, die ihm im April 2016 befohlen hatten, in das Haus in der Au zu gehen. Und auch irgendwelche Stimmen, die ihn dazu gebracht hatten, eine 66 Jahre alte Frau in ihrer Wohnung niederzuringen und für etwa eine halbe Stunde einzusperren, "zum Schutz vor den Halunken". Das Gericht jedenfalls war sich sicher, dass von Dawid G., der unter einer paranoiden Schizophrenie leidet, eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Der 28-Jährige wurde jetzt deshalb gemäß dem Antrag der Staatsanwaltschaft in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik untergebracht.

"Selten waren sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung so einig", sagte am Ende Rechtsanwalt Joachim Schwarzenau. Sein Mandant, so die einhellige Meinung, habe sich seit der Unterbringung im Isar-Amper-Klinikum in Haar "sehr gut gemacht". Dawid G. absolvierte einen Alkohol- und Drogenentzug und nimmt regelmäßig seine Medikamente ein, was die krankhaften Ausfälle verhindere. Allerdings, auch da war man sich einig, benötige der 28-Jährige noch Betreuung, um auf dem rechten Weg zu bleiben. Und da es momentan keinen festen Platz in einer betreuten Wohngruppe gibt, wird David G. weiter in Haar untergebracht.

Dawid G. neigt, gelinde gesagt, zum Alkoholismus, auch Cannabis gehört zu seinem Drogenprogramm. Die Eltern des gebürtigen Polen sind beide Alkoholiker und alles, was sich Dawid G. in seinem Leben erkämpft hatte - einen Job als Schlosser, eine Beziehung und eine heute neunjährige Tochter - verlor er wegen seiner Trinkerei. 2014 kam er nach Deutschland, eigentlich, um seine Familie finanziell zu unterstützen. Aber er rutschte komplett ab und landete auf der Straße. Er schlief in einer öffentlichen Toilette am Rosenheimer Platz, ernährte sich aus Mülleimern, sammelte Flaschen, um sich vom Pfand wieder Bier und Joints zu kaufen.

Im April 2016 fühlte sich Dawid G. verfolgt. Von "zwei weißen Männern", von "Halunken". Er flüchtete in ein Café und sprach dort Leute an, dann bat er die Polizei, ihn doch zum Burger King am Ostbahnhof zu fahren, da sei er "sicher". Er verbrachte die Nacht daraufhin in Polizeigewahrsam und als er am Morgen entlassen wurde, sei er müde gewesen, sagte er vor Gericht, weil er "aus Angst" nicht schlafen habe können.

Irgendwie gelangte er zufällig in das Treppenhaus des Wohnanwesens in der Au, dort klingelte er wahllos und drängte sich schließlich bei der 66 Jahre alten Frau in die Wohnung. Wortlos riss er sie zu Boden, hängte die Kette vor, und hielt die Frau eine Viertelstunde in ihrer Wohnung fest. Dann öffnete er plötzlich die Türe und ließ sich von der alarmierten Polizei mitnehmen.

© SZ vom 19.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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