Unternehmen:DJ-App für das Wohnzimmer

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Karim Morsy (l.) und Christoph Teschner von der Firma Algoriddim haben die App "djay" entwickelt. (Foto: David-Pierce Brill)

Karim Morsy und seine Kollegen haben "Algoriddim" entwickelt: damit kann jeder ohne teures Equipment auflegen. Ein blinder DJ sagt: "Diese App hat mein Leben bereichert."

Von David-Pierce Brill, München

Karim Morsy, 32, erinnert sich gern an die Preisverleihung im vergangenen Juni in San Francisco, als seine Firma Algoriddim den "Apple Design Award" gewann. Morsy stand ganz rechts auf der Bühne und beobachtete mit seinem Team von App-Entwicklern das Geschehen. Ein paar Meter von ihm entfernt legt ein blinder Mitarbeiter von Apple an einem DJ-Pult auf. Er drückt Tasten auf dem iPad, die Sprachsteuerung auf dem Tablet-Computer antwortet ihm. Sie sagt ihm die verbleibende Zeit des Songs. 2 Minuten und 56 Sekunden später applaudiert das Publikum, der blinde DJ sagt: "Diese App hat mein Leben bereichert."

Ein Blinder, der Musik auflegen kann - ein Erfolg für Morsy und die Mitgründer Christoph Teschner, 33, und Federico Tessmann, 33. Die Kamera fängt damals ein leichtes Lächeln von Morsy ein, als er von der Bühne geht.

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Die Industrie rund um Apple ehrt bei der Verleihung des Apple-Design-Awards viele Apps mit den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen. Morsy und seine beiden Mitgründer haben die App "djay" beigesteuert. Ein reines Spielzeug, wie so viele andere der zwei Millionen Apps im App-Store? Nicht für Morsy: "Jeder hat mal eine Hausparty und will nicht nur stupide eine Playlist laufen lassen."

Sie wollen normale Menschen spielerisch zu DJs machen. Die App ist ein virtuelles DJ-Pult, auf dem per Hand mit Tablet-Computer oder mit der Maus auf dem Computer aufgelegt werden kann. Für drei Euro können sich Menschen wie Profis fühlen, können mit den Fingern scratchen und faden. Der Münchner DJ Alexander Sasse, der seit 25 Jahren auflegt, sagt: "Alles in Allem eine liebevoll gemachte Spielerei, die durchaus mit dem Autoplay eine spaßige Privatparty garantiert."

Das Büro der Firma in München zeigt das große Selbstbewusstsein der Firma, die bereits zwei Mal den Apple-Preis gewonnen hat. Es liegt nicht irgendwo im Industriegebiet, sondern prominent am Englischen Garten. Im Büro erinnert vieles an hippe Firmen aus dem Silicon Valley - und an Musik: Vor dem Empfang, einem DJ-Pult, steht eine Tischtennisplatte, eine große Couch in der Ecke. Auf dem Boden stehen Turntables und Controller, im Morsys Büro ein Klavier und der Award von Apple. Auf dem großen Konferenztisch stehen Erdbeeren. Teschner und Morsy sitzen in lässigen, weit geschnittenen Klamotten an dem Tisch.

Umsatz im Millionenbereich

Was für eine Firma haben sie da aufgebaut? Sie machen ihre Geschäfte vorwiegend durch die Apps. Eine Welt, die nur schwer zu durchschauen ist, vor allem weil etwa Apple keine Zahlen nennt. Laut Morsy nutzen 20 Millionen Menschen weltweit in 155 Ländern "djay". Der Umsatz lag 2014 im Millionenbereich. Sie verdienen ihr Geld über die App und mit weiterem DJ-Equipment.

Inzwischen gibt es die App auch für das Google-Betriebssystem Android. Seit zehn Jahren halten sie sich in dem Markt, der sich rasant verändert: Immer weniger kaufen durch Dienste wie Spotify oder Deezer Musik, sondern sie streamen. Auch wenn Musik weiterhin auf der Festplatte gespeichert wird, gibt es deshalb seit 2014 eine Kooperation mit Spotify. Aber wie behaupten sich da App-Erfinder aus München, die als Studenten anfingen? "Ein Businessplan kann schädlich sein, wegen der Kompromisse", sagt Morsy. 2006 hätten sie ohne Plan mit der Firma angefangen, dafür aber mit einer Vision.

Sie wollten nichts weniger als "DJing für alle". Irgendwann auch für Profis. Deshalb gibt es inzwischen auch eine Profi-Version für 50 Euro. Und Hilfe von außen: Sie arbeiten mit bekannten Profi-DJs und Musikern zusammen und zeigen deren Gesichter auf der Internetseite. Etwa die von David Guetta oder Snoop Dog, deren Musik teilweise in der App integriert ist. Die soll die Menschen, so die Botschaft, zu Profis machen.

Und in echt? Experte Alexander Sasse sagt: "Die Pro App kommt mit allen Profi-Features daher, die sich ein DJ wünschen kann." Trotzdem greifen Profis in der Branche auf andere Systeme zurück, die in der Club-Szene Standard sind. Das bestätigt auch Felix Adam, Resident-DJ im Harry Klein. Er selbst kenne keinen professionellen Kollegen, der sie benutzt.

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Als die Gründer Mitte 2006 in Garching studierten und mit der Firma anfingen, gab es noch keine U-Bahn zum Campus. Ihre Meetings fanden oft in Cafés statt. Sie wollten aber den Apple Preis in der Studentenkategorie gewinnen. Morsy sagt: "Wir waren felsenfest davon überzeugt zu gewinnen." Den Preis haben sie dann allerdings nicht bekommen. Die meisten Entwickler hätten danach aufgehört, sagt Morsy. Sie nicht.

Mischung aus Vision und Geschäft

Das schwierige sei es gewesen, die langfristige Vision, eine DJ-App für alle, im Auge zu behalten und gleichzeitig die nötige Detailarbeit in der Programmierung zu leisten. Für Morsy ist eine gute Mischung zwischen Vision und der konkreten Programmierung entscheidend. Er spricht vom Jonglieren zwischen dem "Extensionalen" und dem "Reduktionalen". Damit dieser Mittelweg gelinge, sei eine gute Mischung im Team entscheidend gewesen. Alle drei sind Informatiker, Morsy hat zusätzlich einen Abschluss in Musik und studiert inzwischen wieder, diesmal Psychologie im Bachelor. Das dadurch gewonnene Wissen über Muster im Gehirn sei hilfreich für die App, sagt er. Zum Fachwissen kam aber auch Glück.

Morsy und Kollegen entwickelten die App ausschließlich für Apple-Rechner, dann von 2009 an für das iPhone. Als Apple durch das neuartige Smartphone rasant wuchs, profitierte auch Algoriddim in den folgenden Jahren davon. Darauf wollen sie aber nicht reduziert werden. Morsy: "Klar hatten wir Glück. Nur Glück liegt nicht außerhalb deiner Kontrolle."

Das Büro zeigt die akribische Arbeitsweise der Gründer: Im Besprechungsraum steht eine umgedrehte Tafel mit Wochen- und Monatszielen, in einem anderen Büro liegen auf einem Tisch Tablets und Smartphones, auf denen sie die Software testen und updaten. Die Geräte können inzwischen auch Blinde benutzen.

© SZ vom 23.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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