Start-up-Szene München:Flügel für den Gründergeist

Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie (IZB) in Martinsried, 2010

Für etwa 50 Start-ups bietet das Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie (IZB) in Martinsried auf 22 000 Quadratmetern Platz.

(Foto: Robert Haas)
  • Laut einer neuen McKinsey-Studie spielt München als Start-up-Region international keine große Rolle.
  • Die Gewerbeanmeldungen in München sind leicht zurückgegangen.
  • Die Staatsregierung versucht seit Jahren, mit mehreren Gründerzentren Jungunternehmer zu unterstützen.
  • Allein auf dem Campus der TU in Garching wurden in 13 Jahren 275 Firmengründer gefördert.

Von Franziska Gerlach

Es sieht aus wie die Adapter, die man früher in den Italienurlaub mitgenommen hat: Doch das Produkt mit dem verheißungsvollen Namen "Smart Plug" kann viel mehr, und wenn Adrian Sennewald erklärt, wie es im Detail aufgebaut ist, dann ist beim Zuhörer viel technischer Sachverstand gefragt. Vereinfacht dargestellt, lässt sich mittels dieses intelligenten Zwischensteckers ein elektronisches Gerät über Sprachsteuerung des Smartphones bedienen.

Die Firma, die diesen Wunder-Stecker auf den Markt bringen wird, heißt "Parce" und wurde im Frühjahr 2014 gegründet. "Momentan sind wir zu dritt, ab April zu viert", sagt Sennewald und zeigt verschiedene Animationen auf dem Bildschirm, mal sieht man den Stecker von der Seite, mal von oben. Auf seinem Schreibtisch im "Werk 1" herrscht penible Ordnung, und das verwundert ein wenig, wird die Gründerszene doch gerne mit dem Bild vom kreativen Chaos in Verbindung gebracht.

Das Werk 1 widerlegt dieses Klischee auch andernorts: Lange Gänge, Büros mit weißen Schreibtischen, die Türen sind aus Glas. Vor zwei Jahren bezogen die ersten Start-ups die Räume der ehemaligen Pfanniwerke auf dem Gelände der Kultfabrik am Ostbahnhof, heute sind dort alle 32 Büros belegt. Zum Herbst will sich das vom Wirtschaftsministerium geförderte Gründerzentrum sogar vergrößern - denn es gibt noch viel mehr "Start-ups mit digitalen Geschäftsideen", wie Florian Bergmann sagt. Die Nachfrage reiße nicht ab, berichtet der Projektleiter von Werk 1. "Wir haben eine lange Liste an Leuten, die zu uns wollen."

275 Jungunternehmer hat das Garchinger Gründerzentrum in 13 Jahren unterstützt

Das Werk 1 teilt sich den Geschäftsführer und die Verwaltung mit dem Gründerzentrum "Gate". Über Letzteres hat der ehemalige Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) einmal gesagt, es sei das "Tor zur Selbstständigkeit". Im Jahr 2002 im Zuge der High-Tech-Offensive des Freistaates ins Leben gerufen, hat das auf dem Campus der TU in Garching angesiedelte Technologie- und Gründerzentrum mittlerweile 275 Jungunternehmern den Start in die Selbstständigkeit erleichtert. Fünf Jahre lang profitieren sie dort von flexiblen Mietverträgen und der professionellen Unterstützung - dann müssen sie auf dem freien Markt bestehen können.

Die Nähe zu den Forschungseinrichtungen der Universitäten suchen auch die Innovations- und Gründerzentren Biotechnologie (IZB) in Martinsried und Weihenstephan: Auf etwa 22 000 Quadratmetern bietet das IZB in Martinsried gut 50 Start-ups Büro- und Laborflächen, auf denen sie ihre Konzepte ausarbeiten können. Die Erfolgsgeschichten sind manchmal erstaunlich: Etwa 200 Millionen Euro war einem US-amerikanischen Konzern das Martinsrieder Biotech-Unternehmen Suppremol wert, das Behandlungsmöglichkeiten für Autoimmunerkrankungen und Allergien entwickelt. Ein weiterer "Inkubator" - wie ein Unternehmen genannt wird, das junge Existenzgründer unterstützt - ist das Münchner Technologiezentrum (MTZ) am Agnes-Pockels-Bogen in Moosach .

"So ein Umfeld ist Gold wert"

Die Vorteile dieser Gründungszentren liegen für Thomas Kürn, der bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) die Abteilung Unternehmensförderung und Existenzgründung leitet, auf der Hand: Diese Einrichtungen bieten Selbständigen eine Plattform, auf der sie sich vernetzen und mit Gleichgesinnten austauschen können. "So ein Umfeld ist Gold wert", sagt Kürn. Vor allem aber würden die Jungunternehmer dort von Beratern und Coaches betreut, die Kontakte zu Investoren herstellen könnten. Insofern seien diese Zentren eine gute Möglichkeit, um den Münchner Gründergeist zu beflügeln.

Denn: Den vom Statistischen Amt der Stadt München veröffentlichten Daten zufolge sind die Gewerbeanmeldungen leicht zurückgegangen: 23 573 im Jahr 2004 stehen 22 055 Gewerbeanmeldungen im Jahr 2013 gegenüber. Im gleichen Jahr meldeten 17 571 Münchner ihr Gewerbe wieder ab. "Das liegt am guten Arbeitsmarkt", sagt Kürn. Da würden sich viele für den "vermeintlich sicheren Arbeitsplatz" entscheiden.

Andererseits lasse sich aber beobachten, dass sich die Anspruchshaltung der Gründer verändert habe. Wer sich heutzutage selbständig mache, der gehe diesen Schritt nicht aus Mangel an Alternativen. "Der will das wirklich", sagt Kürn. Und Florian Bergmann bescheinigt den Gründern im Werk 1 nicht nur hohe Motivation, seines Erachtens nimmt die Zahl der Start-ups sogar eher zu. Denn diese ließen sich nicht automatisch aus den Gewerbeanmeldungen ablesen, da dort auch Firmengründungen gelistet würden, die der Definition nach keine echten Start-ups seien. Ein Webdesigner zum Beispiel werde erst zum Start-up, wenn er für seine Idee ein Geschäftsmodell gefunden und sich zum Ziel gesetzt habe, schnell zu wachsen.

Läuft es schlecht, hält sich der Schaden in Grenzen

Der Weg dorthin erfordert Durchhaltevermögen - und für die im Werk 1 ansässigen Jungunternehmer ein gewisses Maß an Kritikfähigkeit. Denn manchmal stellt Bergmann den Gründern die unliebsame Frage, ob das Konzept überhaupt funktioniere. "Da geht es darum, loszulassen und sich neu auszurichten." Vor allem aber finden die kreativen Köpfe dort etwas, was in München nur schwer zu haben ist: Raum zu moderaten Preisen. Ein Büro für zwei bis vier Personen kostet 395 Euro, die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Läuft es gut, können die Start-ups schnell wachsen; läuft es schlecht, hält sich der Schaden in Grenzen.

Auch Adrian Sennewald kommt es entgegen, dass er nicht an lange Verträge gebunden ist. "Wir müssen uns um nichts kümmern", sagt er. Internet, Strom, alles sei bereits vorhanden. Er und seine Kollegen nutzen das Werk 1 seit dem vergangenen Sommer. Zunächst hatten sie den Arbeitsplatz nur tageweise angemietet, im Januar bezogen sie dann ein eigenes Büro. Sennewald schätzt die Atmosphäre. "Man lernt hier ständig dazu", sagt er.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: