Wohnen in München:Zwei Zimmer, Küche, Löschzug

Wohnen in München: "Natürlich ändert sich durch die Ansiedlung der Freiwilligen Feuerwehr die Wohnqualität der Bewohner", räumt das Kommunalreferat ein.

"Natürlich ändert sich durch die Ansiedlung der Freiwilligen Feuerwehr die Wohnqualität der Bewohner", räumt das Kommunalreferat ein.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Weil die Stadt ein Tauschgeschäft plant, könnten Mieter in Trudering die Freiwillige Feuerwehr mit vier Einsatzwagen als Nachbarn bekommen.

Von Renate Winkler-Schlang

Die Informationen sind spärlich, entsprechend groß sind die Bedenken und Ängste: So stellt sich noch in der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses Trudering-Riem die Situation der Mieter des der Stadt gehörenden Wohnhauses an der Bajuwarenstraße 138 dar. Helga Rutsch, die Hausmeisterin des Acht-Parteien-Hauses, hatte den Stein ins Rollen gebracht: Sie hatte bereits im Dezember Vermessungsarbeiten der Stadt beobachtet und sich gleich per Einschreiben an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gewandt. Denn sie überkam die Angst, dass das Haus, in dem sie seit 50 Jahren lebt und seit 20 Jahren auch verantwortungsvoll arbeitet, abgerissen werden könnte.

Abwegig erschien diese Befürchtung der 74-Jährigen nicht, denn es hat sich in Trudering herumgesprochen, dass die Stadt das einstige Rathaus an der Truderinger Straße 288 im Tausch gegen ein wichtiges Schlüsselgrundstück im Gewerbegebiet Rappenweg hergibt. Die Freiwillige Feuerwehr und das Bayerische Rote Kreuz (BRK) mit Rettungsleitstelle und einem Schulungs- und Vereinsheim sind dort derzeit Mieter und brauchen daher Ersatzquartiere, idealerweise in der Nähe.

Das städtische Grundstück, auf dem das von der Gewofag verwaltete Wohnhaus steht, grenzt hinten direkt ans alte Rathaus. Auf ihm war früher, vor dem Umzug in die Messestadt, neben den Wohnungen in einem kleinen flachen Anbau auch die Polizeiinspektion für Trudering und Riem untergebracht gewesen. Heute ist dort zeitlich befristet das Arbeitslosenprojekt Abba beheimatet. Dass in ihrem Haus eine leer stehende Wohnung schon seit vielen Wochen nicht wieder vergeben wurde, wertete die Hausmeisterin als Indiz, dass demnächst alle raus müssen zu Gunsten der Feuerwehr.

Dieter Reiter antwortete nicht inhaltlich, er versprach Helga Rutsch einen Brief aus dem Kommunalreferat. Dessen Chef Axel Markwardt schrieb jedoch äußerst kryptisch zurück: Es liefen Untersuchungen, um eine dauerhafte Ersatzunterbringung für die wichtigen Einrichtungen zu finden. In der Zwischenzeit sollten beide "interimsweise" an der Bajuwarenstraße 136/138 untergebracht werden. Das Kommunalreferat habe dafür bei der Lokalbaukommission eine entsprechende Voranfrage gestellt. "Mir ist klar, dass diese Planungen in der Bajuwarenstraße 136/138 zu größeren Veränderungen Ihrer derzeitigen Wohnsituation führen können." Größere Veränderungen - das klang für Helga Rutsch wie die sanfte Ankündigung eines Zwangsumzuges.

Hilfe sucht sie nun für sich und ihre Mieter beim örtlichen Bezirksausschuss, eine Menge Argumente für den Erhalt ihres Hauses hat sie gesammelt: Es sei erst vor zehn Jahren generalsaniert worden, die Mieter lebten zum Teil seit vielen Jahren dort, einige seien alt, die Gemeinschaft funktioniere. Und: Müssten alle umziehen, nähme man anderen Wohnungssuchenden eine Chance.

"Natürlich ändert sich durch die Ansiedlung der Freiwilligen Feuerwehr die Wohnqualität der Bewohner."

Im Bezirksausschuss herrschte ebenfalls Rat- und Fassungslosigkeit. Der Tenor aber war klar: Es könne nicht sein, dass die Mieter als letztes und schwächstes Glied der Kette nun unter die Räder kommen, weil die Stadt jahrelang keine Lösung am Rappenweg fand und daher als letztes Mittel dem Immobilientausch hatte zustimmen müssen. Wenn ein privater Eigentümer Mieter so im Unklaren lassen würde, wäre der Unmut groß, die Stadt aber erlaube sich das. Völlig unverständlich sei zudem, dass die Stadt erst kürzlich eine eigene Fläche an der Wasserburger Landstraße neben der BMW-Niederlassung verkauft habe, für die Feuerwehr ideal geeignet. "Wir sind auf Ihrer Seite", versicherte der Bezirksausschuss-Vorsitzende Otto Steinberger (CSU) der Bürgerin Helga Rutsch. Das Gremium forderte von der Stadtverwaltung umgehend alle verfügbaren Infos.

Wohnen in München: Die Feuerwehr muss ihren Standort räumen und sucht nach einem Ersatz in der Nähe.

Die Feuerwehr muss ihren Standort räumen und sucht nach einem Ersatz in der Nähe.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Kommunalreferat gibt nun teilweise Entwarnung: Der Stadtrat habe zwar dem Tauschgeschäft zugestimmt, die Verhandlungen seien aber immer noch im Gange: "Käme der Tausch zustande, müssten Freiwillige Feuerwehr und Bayerisches Rotes Kreuz innerhalb von zwei Jahren auf Ersatzstandorte verlagert werden", so Sprecher Bernd Plank. Das Kommunalreferat habe daher eine Reihe von Alternativen geprüft, um eine Ersatzunterbringung in Trudering und Riem zu finden: "Für das BRK zeichnet sich eine verträgliche anderweitige Lösung ab. Für diese stehen wir aktuell noch in Abstimmung mit der Lokalbaukommission, erst danach können wir die Adresse nennen", so Plank weiter. Für die Feuerwehr kommt aufgrund der örtlichen Beschränkung auf den Einsatzbereich aber leider nur das Grundstück an der Bajuwarenstraße 136/138 als Ausweichstandort in Frage. Es gehe aber um eine "komprimierte Interimslösung".

Diese sieht vor, das Gebäude Bajuwarenstraße 136, also den Flachbau der Polizei, abzureißen und durch einen Interimsbau zu ersetzen. Das daneben befindliche Wohngebäude 138 bliebe unberührt: "Aber natürlich ändert sich durch die Ansiedlung der Freiwilligen Feuerwehr die Wohnqualität der Bewohner."

Referatssprecher Plank wirbt für dieses komplizierte Paket: Am Rappenweg könnte durch den Grundstückstausch endlich ein großes städtisches Areal im Gemeindegebiet Haar durch die Schaffung einer Verbindungsstraße zwischen der Messestadt Riem und Haar erschlossen und damit entwickelt werden. Trudering würde ebenfalls profitieren, denn: Sollte es zum Abbruch des alten Rathauses kommen, werde dort ein Wohnhaus mit Einzelhandel im Erdgeschoss entstehen, das den Zielen des städtebaulichen Entwicklungsprojektes Aktive Zentren entspreche.

Helga Rutsch, die Hausmeisterin, ist über diese nun etwas konkretere Nachricht nur "halb froh": Sie kann sich nicht vorstellen, wie die Feuerwehr mit ihren vier Einsatzwagen dort untergebracht werden kann, wo jetzt die Parkplätze der Mieter sind. Das gehe allenfalls, wenn alle Bäume und Büsche auf dem Grundstück gefällt werden: "Die Abschirmung zur viel befahrenen Bajuwarenstraße hin wäre dann komplett weg - und die Vögel auch."

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