Szene München:Neue Bleibe, alte Möbel

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Zieht bald in die Holzstraße: das "München 72", hier noch in der Kohlstraße. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Wenn ein Lokal umzieht, kann viel schiefgehen. Die neue Schwabinger 7 zum Beispiel ist heute nicht mehr Boazn genug. Tom Zufall will es bei seinem Neuanfang mit dem München 72 besser machen - und setzt auf Altbewährtes.

Eine Kolumne von Thierry Backes

Manila hat eigentlich alles richtig gemacht. Als er nach vielen Jahren mit seiner Schwabinger 7 aus dem windigen Nachkriegsbau an der Feilitzschstraße ausziehen musste, hat er als erstes die Schnapsflaschen eingesteckt, die ihm als Kerzenhalter gedient haben. Auch das schäbige Namensschild hat der Wirt abmontiert; es hängt jetzt über dem Eingang der neuen "Schwasi" ein paar Meter weiter und steht sinnbildlich für eine Vergangenheit, die es längst nicht mehr gibt.

Vielen ist das Lokal heute zu wenig abgeranzt, zu groß und zu sauber, es riecht nicht mehr nach altem Schweiß. Die neue Schwabinger 7 ist einfach nicht mehr Boazn genug. Nicht mehr das, was die alte mal war.

Wenn ein Lokal umzieht, ist das immer so eine Sache. Geht es in ein anderes Viertel, muss der Wirt sich neue Kundschaft suchen. Verändert er zu viel, meutern die Stammgäste. Verändert er gar nichts, meckern sie womöglich, weil sich nichts verändert hat. Wobei sich der clevere Wirt im Idealfall für Letzteres entscheidet und die Atmosphäre des alten in das neue Lokal transferiert.

So versucht es nun auch Tom Zufall vom München 72. Wie berichtet, muss er die Türen seines Lokals an der Kohlstraße bald zusperren. Und hat - das ist die gute Nachricht - zum 1. April eine neue Bleibe gefunden an der Holzstraße 16 im Glockenbachviertel. "Charme und Ambiente" wolle er hinüberretten, sagt Zufall. Und so werden mit ihm umziehen: das Personal, die Speisekarte und die Turnmöbel, die für das München 72 so etwas sind wie die Schnapsflaschenkerzenständer für die Schwabinger 7. Auch die Tatort-Abende wird es weiter geben und im Winter die Fondue-Abende.

Bleiben nur die Gäste - und die Frage, ob sie sich im neuen Laden so wohl fühlen wie im alten. Einige haben sich in den vergangenen Monaten erkundigt, ob Zufall denn seine Einrichtung zu verkaufen gedenke, wo er doch ausziehen müsse. Aber keine Chance: Der Wirt wusste schon immer, dass die alten Möbel seine Lebensversicherung sind, wenn er mal umziehen muss.

© SZ vom 13.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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