Strafprozess:Linken-Stadtrat Oraner wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt

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Immer wieder demonstrieren in München lebende Kurden auch für die Aufhebung des PKK-Verbots, wie hier am Max-Joseph-Platz. (Foto: Florian Peljak)
  • Bei einer Kurden-Demonstration geriet Linken-Stadtrat Çetin Oraner mit der Polizei aneinander.
  • Er soll einen Polizisten mit der Faust geschlagen und in die Genitalien getreten haben.
  • Oraner selbst weist vor Gericht sämtliche Vorwürfe zurück.

Von Christian Rost

Es war am letzten Wiesnsonntag 2014, als Teilnehmer einer Kurden-Demonstration und Polizisten in München aneinander gerieten. "Der Einsatzleiter war sehr genervt", erinnert sich Yusuf B., der als Sprecher der Versammlung auftrat. An vorderster Stelle marschierte Linken-Stadtrat Çetin Oraner mit. Und der 49-Jährige mischte sich auch ein, als ein junger Kurde wegen einer angeblichen Beleidigung eines Polizeibeamten festgenommen wurde.

An einer Polizeikette gerieten der Kommunalpolitiker und Yusuf B. schließlich mit einem Beamten des Unterstützungskommandos (USK) aneinander. Erst verbal, dann sollen sich die Kontrahenten geschlagen beziehungsweise getreten haben. Seit diesem Dienstag wird der Fall am Münchner Amtsgericht verhandelt.

Çetin Oraner und der 26-jährige Yusuf B. müssen sich wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verantworten. Die Staatsanwaltschaft hält ihnen vor, nach der Demonstration regelrecht ausgerastet zu sein. Diese richtete sich gegen die Angriffe von Terroristen des sogenannten Islamischen Staats auf die syrische Stadt Kobane.

Wie die Demo eskalierte

Die Versammlung an sich verlief friedlich, allerdings nahmen die Polizisten von mehreren Versammlungsteilnehmern die Personalien auf, weil sie Slogans der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gerufen haben sollen. Als sich USK-Beamte auf einen jungen Kurden stürzten, der einen ausländisch aussehenden Polizisten als "Scheiß Türke" bezeichnet haben soll, reagierte die Menge von rund 120 Leuten wütend. Sie drängte in Richtung des Festgenommenen, der in den Arkaden am Karlstor am Boden fixiert wurde.

Die Polizisten bildeten eine Kette, um die Demonstranten zurückzuhalten. Aus der vordersten Reihe heraus soll Yusuf B. laut Anklage einem Polizeiobermeister mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben, woraufhin sich dieser mit einem Faustschlag revanchierte. Çetin Oraner wird vorgeworfen, den Beamten dann mit beiden Händen am linken Handgelenk gepackt und festgehalten zu haben, um ihn aus der Polizeikette herauszuzerren.

Als Kind politischer Flüchtlinge kam Çetin Oraner 1973 aus der Türkei nach München. Er sitzt seit 2014 für die Linke im Stadtrat. (Foto: oh)

Deshalb habe der Polizist dem Stadtrat ebenfalls einen Faustschlag versetzt. Oraner habe darauf mit einem Tritt in die Genitalien des Beamten reagiert, der dabei am Schambein verletzt worden sei. Außerdem beschuldigt die Staatsanwaltschaft den Stadtrat, auf seiner Facebookseite in Videos und Liedern die PKK sowie deren Führer Abdullah Öcalan verherrlicht zu haben.

"Wir sind Opfer unverhältnismäßiger Polizeigewalt geworden"

Die beiden Angeklagten weisen sämtliche Vorwürfe entschieden zurück. Nach ihrer Darstellung hätten sie zwar gegen die "unverhältnismäßige Festnahme" des jungen Kurden lautstark protestiert, seien aber selbst nicht handgreiflich geworden. Der Polizist indessen habe versucht, sie gewaltsam wegzudrängen und schließlich mit der Faust "mehrmals in unsere Richtung geschlagen", so Yusuf B. Ein Schlag habe Oraner im Gesicht getroffen.

Der Stadtrat bestätigt, dass er eine blutende Wunde an der Innenseite der Oberlippe erlitten hatte. Nach der Attacke habe man ihn festgenommen, wobei der Polizeiobermeister "Theater" gespielt und ihm nachgerufen habe: "Du hast mich geschlagen." Das sei eine glatte Lüge, sagt Oraner, der im Anschluss an den Vorfall noch zwei Stunden in Polizeigewahrsam verbringen musste. "Wir sind Opfer unverhältnismäßiger Polizeigewalt geworden", sagt der Angeklagte. Zur Facebookseite meint er, dass diese nicht von ihm, sondern von Fans angelegt worden sei.

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Noch ehe Zeugen vernommen werden konnten, stellte Vereidiger Marco Noli den Antrag, das Verfahren zu unterbrechen, weil die Polizei mehrere Videoaufnahmen der Versammlung nicht herausgegeben habe. Der zweite Verteidiger, Hartmut Wächtler, schloss sich dem Antrag an. Eines dieser Videos liegt der SZ vor. Es ist verwackelt und zeigt eine aufgebrachte Menge, die sich Wortgefechte mit USK-Beamten liefert.

Ein Schlag in Richtung des Polizeiobermeisters ist nicht zu sehen, auch liefert der Film keinen Hinweis darauf, ob er getreten wurde. Zu erkennen ist, dass der Beamte plötzlich vorspringt, schlägt oder schubst. Der Prozess wird Ende März fortgesetzt.

© SZ vom 09.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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