Tutzing:Wie Schach auf dem Wasser

Lesezeit: 2 min

Ihr Heimatrevier ist der Starnberger See, ihr Heimathafen der DTYC in Tutzing: Patrick Follmann und Ferdi Gerz berichten von den Olympischen Spielen 2012.

Andrea Eibl

- Sein rechter Daumen ist noch in einen Verband gehüllt, die Abschlussfeier der Olympischen Spiele liegt noch nicht lange zurück, aber Patrick "Paddo" Follmann wirkt nach dem ganzen Rummel gelassen. "Ein paar Termine habe ich hier und da. Ansonsten lasse ich im Moment die Seele baumeln", erklärt der 23-jährige Segler und nimmt einen Schluck Cappuccino. Erst vor einer Woche ist er gemeinsam mit seinem Segel-Kollegen Ferdinand Gerz mit der MS Deutschland aus London zurückgekehrt. Er erzählt von seinem Master in Biomathematik, den er im Oktober beginnen wird, von seinem Segelurlaub in Kroatien, auf den er sich freut und der Wohltat, das durchstrukturierte Sportler-Leben ein bisschen ruhen zu lassen. Paddo Follmann hat als Jüngster des deutschen Segel-Teams an der Regatta in Weymouth teilgenommen und ist gemeinsam mit seinem Steuermann Ferdinand Gerz auf Platz 13 der Rangliste gelandet. Zwar hätten sie ihr Ziel verpasst, aber das habe sich durch seine Verletzung sowieso verschoben. Kurz vor Olympia, bei den Europameisterschaften in Schottland, hat sich Paddo Follmann bei einem Unfall die Fingerkuppe abgetrennt. Zunächst war deswegen unklar, ob er bei Olympia dabei sein kann. "Wir haben dann ein bisschen in Tutzing trainiert, um zu sehen, ob ich wieder zupacken kann", erklärt Follmann. Danach hätten sie sich zum Glück für die Spiele entschieden. "Man hofft, dass man bei der Regatta über sich hinauswächst. Das ist uns nicht gelungen, aber unsere Leistungen sind nicht eingebrochen", sagt er. Direkt vor Olympia haben sie zusammen mit den Konkurrenten trainiert, die sie oft schon von Welt-Cups kannten. Direkt vor den wichtigen Phasen haben sie Szenarien durchgespielt, sich Tipps von ehemaligen Olympioniken geholt und Strategien entwickelt. "Segeln ist ein bisschen wie Schach spielen auf dem Wasser", findet Follmann. "Verliert man einmal die Konzentration, dann verliert man auch gleich zwei oder drei Plätze." Mit seinem Steuermann Ferdi Gerz verbringt Follmann manchmal vier bis fünf Stunden am Tag in einem Boot. Das sei für beide eine zwischenmenschliche Herausforderung. "Manchmal müssen wir noch lernen, den richtigen Ton zu treffen. In emotionalen Momenten ist das nicht immer einfach", sagt Follmann.

Olympia 2012: Segeln XXX. Olympische Sommerspiele, London 2012, Segeln, 470er Klasse, Samstag (04.08.12), Weymouth Bay, Grossbritannien: Patrick Follmann (vorne) und Ferdinand Gerz. Foto: Bernat Armangue/dapd (Foto: dapd)

Vor und während Olympia haben die beiden viel Zeit zusammen verbracht. Zuerst wohnten sie in Weymouth, bevor sie die letzten Tage der Spiele im olympischen Dorf verfolgen durften. Vor allem das Essen in der großen Dining Hall wäre etwas Besonderes gewesen. Dort hätten sie viele berühmte Sportler getroffen, zum Beispiel den NBA-Star Koby Bryant oder den deutschen Tischtennis-Profi Timo Boll. Ein großartiger Moment sei vor allem die Eröffnung der Spiele gewesen. Als Segler sei man es nicht gewohnt in ein Stadion voll jubelnder Menschen einzumarschieren. Früher habe er nie verstanden, warum die Sportler weinen, wenn sie einen Medaille gewinnen, jetzt sieht er das anders. Trotzdem hat Olympia in den Augen des 23-Jährigen ein bisschen die Magie verloren. "Es wird mitgefiebert wie bei jedem anderen Wettkampf auch. Nur auf höherem Niveau", sagt Follmann.

© SZ vom 25.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: