Tutzing:Heilende Sekrete

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In Herrsching lassen sich Menschen mit Hautproblemen von Fischen abknabbern -- eine Methode, die schon vor hundert Jahren im Orient angewandt wurde.

Blanche Mamer ;

HerrschingDass sie mal hauptberuflich mit Fischen zu tun haben würde, hätte sich Karin Zottmann-Eckhoff aus Herrsching nie träumen lassen. 20 Jahre war die Erzieherin und Leiterin des BRK-Kindergartens in Unterbrunn Mittelpunkt einer Schar spielender Kinder. Der Trubel gefiel ihr gut, doch nach der Geburt ihrer vierten Tochter 2007 wollte sie noch einmal etwas Neues anfangen. An Fische hat sie aber auch damals noch nicht gedacht. Doch sie hat den Neuanfang geschafft: Zusammen mit ihrer Kollegin Claudia Staudinger führt sie seit einem Jahr in Herrsching ein "Wohlfühlstudio" mit Schwerpunkt Garrarufa-Behandlungen. Garrarufe sind winzige Fische aus der Familie der Saugbarben, die zum Hautpeeling eingesetzt werden und eine extrem wohltuende Wirkung auf die behandelten Hände und Füße haben sollen. Wie das kam? "Mir ist plötzlich klar geworden, dass ich etwas anderes machen musste, mehr mit meinen eigenen Kindern zusammen sein wollte. Ich brauchte also eine Arbeit, die ich daheim oder wenigstens in der Nähe ausüben konnte. Eine Bekannte brachte mich auf die Idee mit Hand- und Fußpflege", erzählt sie. Die Umschulung klappte, die neue Arbeit musste organisiert werden und in Gang kommen. Ein leerstehender Laden in der Weinhartstraße in Herrsching kam da wie gerufen. Zottmann-Eckhoff und Staudinger eröffneten "Schenken & verwöhnen", verkauften Schafmilchseifen, laktosefreie Schokolade, Raumdüfte und Kerzen und boten Maniküre und Pediküre an. Das wirklich Neue an dem Verwöhnkonzept steuerte der Mann ihrer Kollegin bei. "Auf einer Geschäftsreise hatte er in Hamburg eine Fußmassage ausprobiert. Er erzählte ganz begeistert von winzigen Kangalfischen, die zum Hautpeeling eingesetzt werden und eine himmlische Wirkung hätten. Den Namen haben die Fische von der Region Kangal in der Türkei, aus der sie ursprünglich stammen", sagt Zottmann-Eckhoff. Die Idee ließ sie nicht mehr los, sie begann sich zu informieren. Und erfuhr, dass die rötlichen Saugbarben in warmen Thermal-Bächen in der Türkei, Syrien, Irak und Iran leben und sich mangels anderer Nahrung mit gieringen Lippen auf Menschen stürzen, um abgestorbene oder kranke Hautpartikel zu futtern. Weil die Fischchen sehr wohl zwischen kranker und gesunder Haut - die sie verschmähen - unterscheiden, werden sie auch Doktorfische genannt. Seit hundert Jahren werden mit ihnen im Orient Schuppenflechte (Psoriasis) und Ekzeme behandelt. In Europa werden sie nun neben der medizinischen Hand- und Fußpflege auch in Kurkliniken bei Hautkrankheiten eingesetzt. Die besondere Wirkung: Beim Abknabbern der abgestorbenen Hautpartikel scheiden die Fische zugleich ein Sekret aus, das sich auf der Oberhaut verteilt und Entzündungen entgegenwirkt. Je mehr wir erfuhren, desto klarer wurde uns, dass wir mit Garrarufa arbeiten wollten", sagt Zottmann-Eckhoff. Da die Türkei mittlerweile ein striktes Ausfuhrverbot erlassen hat, werden Doktorfische in Holland nachgezüchtet. Dort haben sich die beiden Geschäftsfrauen schlau gemacht und bei einem Garrarufa-Anbieter in Breda den Umgang mit den heilenden Fischen gelernt. Etwa 500 zwei bis fünf Zentimeter kleine Fische wimmeln nun in einem großen Aquarium mit kristallklarem Wasser, das ständig abgesaugt, gefiltert und mit UV-Licht gereinigt wird. Wenn sie knabbern ist da ein Kitzeln und Kribbeln, danach bereitet sich großes Wohlbehagen aus, einer Akupressur-Massage gleich. Als prickelndes Gefühl, wie bei eingeschlafenen Füßen, beschreibt es eine Kundin. "Die Haut fühlt sich danach ganz weich und seidig an, die Füße sind völlig entspannt", sagt die Anhängerin der "Foot Spa-Methode". Allein von kranker Haut leben die Fische nicht. "Sie bekommen zusätzlich vitaminreiches Futter", sagt Zottmann-Eckhoff. Möglicherweise ist das der Grund, dass der Schwarm zur Wasseroberfläche drängt, sobald eine der Herrinnen sich dem Bassin nähert. "Ich hätte nie gedacht, dass mich mal Fische erkennen würden", sagt sie. Und auch nicht, dass sie zur Expertin für Doktorfische werden würde.

Doktorfische in Aktion Herrsching Türkische Doktorfische der Art 'Garra Rufa' im Herrschinger Kosmetikladen 'Schenken & Verwöhnen' bei der Arbeit. fxf (Foto: Sta Franz Xaver Fuchs)
© SZ vom 22.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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