Starnberg:Platz zum Bleiben

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Auch die zweite Starnberger "Nacht der langen Tafel" erweist sich bei perfekten äußeren Bedingungen als Volltreffer. Tausende nutzen in der gesperrten Innenstadt die Gelegenheit zum zwanglosen Beisammensein.

Sylvia Böhm-Haimerl

Nacht der langen Tafel in Starnberg Starnberg Die Nacht der langen Tafel (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Lia sucht "ihre" Lichtertüte: Rund tausend Papierlaternen sind bei der "Nacht der langen Tafel" am Samstag in der Kreisstadt verteilt worden. Sie wurden von Starnberger Schülern für die Veranstaltung gebastelt. Jede Laterne ist ein Unikat, manche sind verspielt, andere richtige Kunstwerke, wie etwa die Laterne am Tisch von Bürgermeister Ferdinand Pfaffinger: Aus der Papiertüte wurde ein Quadrat ausgeschnitten, in dem ein gefaltetes Papierschiff baumelt.

Der Stadtmarketingverein hatte die Aktion organisiert, Schulen angeschrieben und die Tüten zur Verfügung gestellt. In der Heilpädagogischen Tagesstätte der Lebenshilfe bastelten 72 Kinder, manche davon schwerstbehindert, ebenso fleißig wie die Grundschüler oder der Kunstkurs des Gymnasiums. Und die Idee kam richtig gut an: "Es ist wunderschön mit sehr viel Liebe hergerichtet", bewundert Judith Baumann aus Niederpöcking die Lichtertüten, die auf weißen Tischdecken festgetackert sind, damit sie nicht vom Wind weggeblasen werden.

Insgesamt 250 Biertischgarnituren hatte der Bauhof in der für den Verkehr gesperrten Innenstadt entlang Wittelsbacher-, Ludwig-, Maximilian- und Zweigstraße aufgestellt. Es kamen zwar nicht ganz so viele Besucher, wie bei der Nacht der langen Tafel 2012, aber im Jubiläumsjahr gab es auch ein aufwendiges Rahmenprogramm. Dennoch sind auch diesmal alle Tische schon lange vor dem offiziellen Beginn des Festes besetzt. Allein an den Biertischen sitzen rund 2000 Besucher, Hunderte kommen zum Flanieren, zum Sehen und Gesehen werden. Es ist ein Kommen und Gehen an diesem lauen Abend, eine Freude, wenn man alte Bekannte trifft, die man schon lange nicht mehr gesehen hat. Manche Gäste sind aufgebrezelt, andere salopp gekleidet.

Die meisten Besucher haben Picknickkörbe mitgebracht, manche fahren regelrechte Gourmet-Menüs auf - serviert auf Omas feinem Geschirr. Dazwischen wuseln Kinder herum, spielen Fangen oder laufen von Tisch zu Tisch, um nach den von ihnen gebastelten Laternen zu suchen. Lia findet die mit bunten Engeln bemalte Lichtertüte am Tisch von Carola Rieskamp-Schmid. Die Starnbergerin hat den Tisch gedeckt mit Goldrandgeschirr und Kerzenleuchtern. Da passt Lias Lichtertüte richtig gut dazu. Zunächst dachte Rieskamp-Schmid, das Mädchen wolle ihre Laterne wieder haben. Doch Lia will nur wissen, wie ihr Kunstwerk ankommt. Nachdem die Lichtertüte gebührend bewundert worden ist, geht sie zufrieden weiter.

An der Ecke Ludwig- und Maximilianstraße spielt eine Jazzband, Getränkestände sind aufgebaut. Doch die meisten brauchen keine Unterhaltung, sie wollen einfach nur zusammensitzen. Immer wieder werden die von Kulturamtsleiterin Annette Kienzle und ihren Helfern dekorierten Tische bewundert. Und natürlich freuen sich die Starnberger über die Veranstaltung selbst: Eine gute Idee, heißt es unisono, sie sollte zur festen Einrichtung werden. "Es ist eine Veranstaltung, die Leben in die Stadt bringt", weiß Stadtmarketingchef Lars Werkmeister. Einziger Kritikpunkt ist der Kirchplatz: Kein Brunnenplätschern, stattdessen gähnende Leere.

Der "Sackinger", ein mittlerweile patentierter Knautschsack der Künstlerin Erika Schalper, soll zur Belebung des Platzes beitragen, wirkt aber etwas verloren auf der großen Fläche. Eine Passantin hält ihn für einen Abfallbehälter, andere witzeln über den Geschmack der Starnberger. An einem Tisch werden Wetten abgeschlossen, dass die Brunnen bestimmt auch in zehn Jahren noch nicht funktionieren werden. Andere meinen, dass ein Becken zu einem großen Grill umfunktioniert werden sollte. Bereits diesen Abend werde die Idee ausprobiert - natürlich ein Gerücht, aber immerhin ist der Brunnen an diesem Abend belebt: Besucher haben ihn kurzerhand zum Picknickplatz umfunktioniert.

© SZ vom 22.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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