Prozess:Nach Attacke mit Multitool: 44-Jähriger wegen versuchten Mordes angeklagt

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  • Im September 2016 soll Burim G. mit einem Multitool auf den Kneipenbesitzer Fatmir H. eingestochen und eingeschlagen haben. Die Anklage lautet auf versuchten Mord.
  • Bei der Verhandlung vor dem Münchner Landgericht gesteht G. die Taten über seinen Anwalt vollständig.
  • Die beiden Männer waren bzw. sind befreundet. Vor Gericht wirkt es so, als wolle das Opfer G. auf keinen Fall belasten.

Von Stephan Handel

Wenn es vorher nicht so mühsam gewesen wäre, könnte sich jetzt Rührung einstellen: Das Opfer reicht dem Täter die Hand, man küsst sich auf die Wangen, beide verdrücken eine Träne, versichern sich der gegenseitigen Ehrerbietung - jetzt wäre alles gut, eigentlich. Dummerweise aber sitzen da noch fünf Richter, ein Staatsanwalt, Sachverständige, ein Verteidiger, und die würden jetzt gern weitermachen. Geht ja immerhin um versuchten Mord.

Der Prozess, der am Dienstag vor dem Landgericht begann, dreht sich hauptsächlich um einen Vorfall vom September des vergangenen Jahres: Da kam der damals 44-jährige Kosovare Burim G. in die Kneipe seines Landsmanns Fatmir H. in der Landsberger Straße, zog laut Anklage ein so genanntes Multi-Tool und stach/schlug damit auf den Wirt ein. Der erlitt eine Wunde am Hinterkopf; der Täter wurde kurze Zeit darauf in einer benachbarten Kneipe festgenommen.

So weit, so klar - wären da nicht ein paar Schwierigkeiten zwischen Angeklagtem, Zeugen, Gericht und auch Staatsanwalt. Das ist nicht nur die Sprache, auch wenn sich die Frage stellt, warum der Richter und der Anklagevertreter ihren Fragestil nicht einem Angeklagtem anpassen, der zwar gut, aber nicht perfekt Deutsch spricht. Schwerer wiegt, das wird bei der Vernehmung des Zeugen Fatmir H., also des Opfers klar, dass dieser ebenso wie der Täter eigene Auffassungen darüber hat, wann eine solche Streitigkeit denn beendet ist und der Staat sich nicht mehr einzumischen braucht.

Denn sie waren ja "gute Freunde", sagt Fatmir H., wenn nur - wenn nur die Sauferei nicht gewesen wäre. Burim G. gab an, dass er seit 2006 unter Depressionen leide und auch in Behandlung gewesen sei deswegen, mehrere Entgiftungen hat er ebenfalls hinter sich gebracht, offensichtlich ohne nachhaltigen Erfolg. Verteidiger Thomas Pfister berichtet am Rande der Verhandlung, dass er seinen Mandanten seit 20 Jahren kenne, immer wieder mal habe der einen Strafverteidiger gebraucht.

Das Hausverbot wollte G. nicht hinnehmen

Die Tat vom September 2016 hat sich angekündigt: Fatmir H. hatte ein Hausverbot ausgesprochen, weil Burim G. Gäste anpöbelte, Sachen beschädigte - immer wenn er besoffen war, gab es Ärger, und er war immer besoffen, wenn er kam. Das Hausverbot aber wollte er nicht akzeptieren, zwei Mal kam er vor der Haupttat und wollte den Wirt verprügeln. Jedes Mal kam die Polizei, wurde Anzeige erstattet, und nicht nur Fatmir H. fragt sich, warum die Ordnungskräfte denn nicht mehr unternommen haben? Zwei Anzeigen wegen Körperverletzung, dazu eine offene Bewährung wegen des gleichen Delikts - da haben in anderen Fällen schon kürzere Strafregister für die Untersuchungshaft ausgereicht.

Thomas Pfister jedenfalls hat zu Verhandlungsbeginn eine eloquent formulierte Erklärung verlesen, in der sein Mandant alle Taten zugibt, dem Alkohol abschwört, sich beim Opfer und allen Beteiligten entschuldigt. Ansonsten kann er sich aber gleich an überhaupt nichts mehr erinnern - mehr als zwei Promille Alkohol hatte er nach der Tat im Blut, was nicht so viel ist, wenn es stimmt, dass er tagsüber vielleicht sieben Flaschen Wein getrunken hat.

Die Zeugenaussage des Opfers ist dann nicht sehr ergiebig, von Belastungseifer jedenfalls keine Spur, eher ist der Versuch zu bemerken, dem Angeklagten bloß nicht zu schaden. Das ist zwar mutmaßlich für die Urteilsfindung von nicht allzu großem Belang - aber Richter und Staatsanwalt gelingt es nur mühsam, ihre Genervtheit nicht zu deutlich zu zeigen. Sie werden sich noch ein bisschen zusammenreißen müssen - angesetzt sind sechs weitere Verhandlungstage.

© SZ vom 07.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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