Prozess:Anlageberater prellt 83-Jährige um 100 000 Euro

Lesezeit: 2 min

  • Die klagende Seniorin wollte ihr Geld sicher anlegen, damit es bei Bedarf zur Pflege im Alter zur Verfügung steht.
  • Als der Finanzberater ihr die Beteiligung an einem riskanten Schiffsfonds vorgeschlagen habe, hätte sie das überzeugt.
  • Aber ein derartiger Schiffsfonds dürfe einem Laien mit dem Anlageziel der Alterabsicherung gar nicht empfohlen werden, sagte die Richterin.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Riskante Schiffsbeteiligungen als Altersvorsorge für eine ebenso ahnungslose wie betagte Seniorin? Das geht gar nicht, machte das Landgericht München I dem Prozessvertreter einer Finanzfirma aus Grünwald klar. Daraufhin hat diese Kapitalanlage-AG erklärt, der 83-Jährigen freiwillig 50 000 Euro Schadensersatz zu zahlen. Das ist immerhin knapp die Hälfte der Summe, die die Frau eingezahlt hatte.

Der Anlageberater war ein netter Mann, sagte die alte Dame. Jede Woche sei er zu ihr gekommen, um sie zu beraten. Man kannte sich ja schon lange: Der freundliche Ex-Banker war früher viele Jahre lang ihr Berater bei einer Filiale einer Kreissparkasse im Münchner Umland. "Er hat auch immer Blumen mitgebracht oder mal eine Porzellanfigur", sagte die Seniorin.

So jemandem vertraut man natürlich auch, wenn er von der Sparkasse zu einem anderen Finanzinstitut gegangen ist, meinte sie. Er habe ihr irgendwann mal erzählt, dass er bei der Sparkasse gekündigt habe: Er habe keine Lust mehr, als Zweigstellenleiter von der Glühbirne bis zum Klopapier für alles einstehen zu müssen, berichtete die 83-Jährige weiter. Deshalb habe er sich dazu entschieden, bei einer Firma für Vermögensplanung zu arbeiten - da hätte er viel mehr Möglichkeiten für eine umfassende Beratung.

Die klagende Seniorin wollte ihr Geld sicher anlegen, damit es bei Bedarf zur Pflege im Alter zur Verfügung steht. "Ich wollte nicht, dass meine zwei Töchter später dafür aufkommen müssen." Das Geld sollte sicher sein und jederzeit abrufbar, betonte sie immer wieder.

Als der nette Finanzberater ihr die Beteiligung an einem Schiffsfonds vorgeschlagen habe, hätte sie das überzeugt. "Er hat immer wieder gesagt, dass das Geld absolut sicher ist, ich jederzeit darüber verfügen kann und ich mir deshalb keine Sorgen zu machen brauche."

Der Mann hatte der Frau dargelegt, dass überhaupt nur noch 200 000 Euro in dem Fonds offen seien. Sie solle ihre 120 000 Euro dort hineingeben, die restlichen 80 000 Euro werde er selbst übernehmen. Allerdings müsse man jetzt schnell machen, um noch den restlichen Anteil zu bekommen. Und den Kindern solle sie darüber nichts erzählen. "Ich habe das dann unterschrieben", sagte die Frau vor Gericht.

Einen Zeichnungsschein, den ihr die Richterin vorlegte, erkannte die Frau jedoch nicht. Diese Unterschrift sei jedenfalls nicht von ihr: "Meinen Vornamen kürze ich mit ,Th' ab und über dem Nachnamen ist immer ein Strich." Sie berichtete auch, dass sie einmal eine Ausschüttung erhalten sollte - die sei dann aber mit einer Nachzahlungsforderung über 6000 Euro verrechnet worden.

Der Anlageberater war nicht zur Verhandlung erschienen, er hatte sich auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen. Aus Sicht der Richterin nachvollziehbar: Immerhin sei er gerade in erster Instanz wegen Betrugs von Anlagekunden zu zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt worden.

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Eine Kündigung des Fonds wäre erst 2024 möglich

Die Richterin erläuterte, dass die Beteiligung an einem derartigen Schiffsfonds einem Laien mit dem Anlageziel der ergänzenden Altersabsicherung von vornherein nicht empfohlen werden dürfe - zumal die Kündigung der Beteiligung erstmals zum 31. Dezember 2024 möglich sei, dann aber wäre die Klägerin 92 Jahre alt.

Jürgen Klass, Anwalt der Seniorin, sagt: "Es war in Anbetracht der Einzelfallumstände geradezu absurd und befremdlich, einer derartigen Anlegerin ein solches Investment aufzuschwatzen - der Ex-Banker nutzte das Vertrauen der alleinstehenden Seniorin schamlos aus."

Wegen der eindeutigen Hinweise der 22. Zivilkammer erklärte sich die beklagte Firma noch in der Güteverhandlung dazu bereit, rund die Hälfte des Schadens zu ersetzen; die fragwürdigen Schiffsanteile darf die 83-Jährige behalten.

Die alte Dame war mit diesem Kompromiss zufrieden. Es gelte der Grundsatz "schnelles Geld ist gutes Geld", sagt Anwalt Klass dazu. "In Anbetracht des hohen Alters der Klägerin bestand kein Interesse an einem Rechtsstreit, der sich über einen längeren Zeitraum, womöglich über mehrere Instanzen erstreckt." Zumal man nie wisse, ob es später überhaupt noch Geld einzutreiben gebe.

© SZ vom 14.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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