Oktoberfest:Familienbande

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  • Seit Samstag werden auf der Wiesn wieder gute Geschäfte gemacht - in manchen Fällen schon seit Generationen.
  • Nicht nur Wiesnwirte vererben ihre Zelte gerne an ihre Kinder, auch bei den Schaustellern gibt es richtige Dynastien.
  • Manche sind sogar durch Heiraten miteinander verbandelt.

Von Franz Kotteder und Andreas Schubert

Die Wiesn ist bekanntlich ein Fest für die ganze Familie. Das gilt für die Besucher ebenso wie für die Wirte und Schausteller. Für die beiden Letzteren sogar noch ein bisschen mehr. Denn manche Familien bilden richtige Dynastien und sind seit mehreren Generationen auf dem Oktoberfest vertreten.

Schottenhamel

Unangefochten an der Spitze der Tradition steht die Familie Schottenhamel. 1867 stellte Gründervater Michael Schottenhamel hinter dem Königszelt einen Bretterverschlag mit 50 Plätzen auf und bohrte selber einen Brunnen, um die Krüge spülen zu können. 20 Jahre später hatte sein Zelt dann schon 300 Plätze, und 1896 war er der erste Wirt, dessen Zelt 1500 Leute fasste.

Es war das erste Zelt, das mit elektrischem Licht ausgestattet wurde. Die Leitungen dafür verlegte die Elektrofirma Einstein aus der Lindwurmstraße. Mit dabei war damals auch der junge Student Albert Einstein, der angeblich die Glühbirnen einschraubte.

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Das Schottenhamel-Zelt war übrigens schon einmal größer als das heutige, das rund 6000 Gäste fasst. 1908 hatten sogar 8000 Menschen dort Platz, damals wurde es auch zum Lieblingszelt der Studentenverbindungen; heute ist das Publikum gut gemischt.

Seit 1950 ist das Zelt, das heute die beiden Cousins Christian und Michael Schottenhamel als Wirte führen, auch der Schauplatz jener Zeremonie, bei der die wichtigste politische Frage Münchens überhaupt geklärt wird: Wie viele Schläge braucht der Oberbürgermeister zum Anzapfen?

Die Familie Heide

Die zweitälteste Dynastie unter den Wiesnwirten ist die Familie Heide. Sie führt das Bräurosl-Zelt seit 79 Jahren, inzwischen in vierter Generation. Georg und Renate Heide sind offiziell die Wirte des Zeltes mit seinen 6400 Plätzen; Tochter Daniela und Schwiegersohn Pascal sind aber auch schon mit dabei.

Enkel Xaver, der 2010 auf die Welt kam, könnte die Dynastie dann eines Tages fortsetzen. Angefangen hatte alles mit dem Großvater des heutigen Wirts. Er hieß ebenfalls Georg und bekam das Zelt erstmals 1936. Sein Sohn Willy ist auch heute noch eine Wiesnlegende: Er war nach Richard Süßmeier Sprecher der Wiesnwirte, erfand das Standkonzert der Wiesnkapellen vor der Bavaria und wurde, ohne es allerdings selbst zu ahnen, ein Vorreiter für sexuelle Toleranz auf der Wiesn.

Söhne alter Dynastien: Unter den Wiesnwirten (hier bei der Präsentation der Krüge im Jahr 2012) blicken manche auf eine lange Familienhistorie zurück. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Er nahm nämlich 1985 für die Galerie die Reservierung des Münchner Löwen Clubs mit 300 Plätzen an. Er dachte, es handele sich um Sechzger-Fans. In Wirklichkeit handelte es sich um einen Schwulenclub.

Seitdem ist der erste Sonntag in der Bräurosl der "Gay Sunday", bei dem sich nicht nur Münchens Schwule und Lesben treffen: Eine neue Tradition ist so entstanden.

Trachtenumzug
:Pracht in Tracht

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Dass Söhne und Töchter das Zelt ihrer Eltern weiterführen, ist auf dem Oktoberfest beinahe schon der Normalfall geworden. Es ist ja auch naheliegend; der Nachwuchs wächst direkt hinein in die Aufgabe, denn der Betrieb eines großen Wiesnzelts bedeutet beinahe das ganze Jahr über viel Arbeit, und nach allem, was man so hört, rentiert es sich auch, sodass durchaus auch mehrere Generationen hier ihr Auskommen finden können.

Weitere Wiesn-Dynastien über die zweite Generation hinaus sind also absehbar, auch wenn ihre Zahl schon deshalb begrenzt ist, weil es eben nur 14 große Zelte gibt.

Schaustellerfamilie Agtsch

Bei den Schaustellern sieht das ein bisschen anders aus. Würstlbrater, Herzerlmaler und Schießbudenbesitzer haben deutlich weniger Platzbedarf als ein großes Bierzelt, sind deshalb häufiger vertreten und können auch gleich mehrere Familienmitglieder aufbieten.

Die weitverzweigte Münchner Familie Agtsch zum Beispiel betreibt gleich sieben verschiedene Stände mit Pfeil- und Ballwerfen, zwei Schießbuden und Fahrgeschäfte wie das Cobra und das Free Style. Manche Schausteller-Dynastien sind inzwischen am Aussterben, weil die Kinder nicht mehr umherreisen wollen, andere stammen zwar aus München, haben sich aber mittlerweile auf andere Städte konzentriert.

Menzel

Etwa die Münchner Schaustellerfamilie Menzel, die inzwischen in Richtung Hamburg gezogen ist. Vater Egon Menzel hat eine dort ansässige Schaustellerin geheiratet und betreibt auf der Wiesn nur noch einen Weißbierausschank, seine Söhne Egon und Michael haben einen Autoscooter und die Zugspitzbahn.

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Bausch

Seine Tochter Karin, genannt "Puppa", heiratete in die Familie Kienzler ein und betreibt die Wilde Maus. Menzels Schwester Karin heißt heute Bausch und hat das Fahrgeschäft Top-Spin No. 1. Überhaupt gibt es allerlei Querverbindungen zwischen Schaustellerfamilien. "Logisch", sagt Yvonne Heckl vom Schaustellerverband, "wenn man immer herumreist, lernt man sich halt bei den verschiedenen Volksfesten kennen."

Wenn manche Oktoberfest-Beschicker davon sprechen, dass man ja auf der Wiesn irgendwie eine große Familie sei, ist das manchmal auch durchaus wörtlich zu verstehen.

Kaiser

Dass manche Schausteller im Laufe ihres Berufslebens immer wieder ihre Fahrgeschäfte oder Läden wechseln, ist ebenso der Normalfall. Siegfried Kaiser etwa, geboren 1950, war mit seinen Eltern Eugen und Elli schon 1953 auf die Wiesn gekommen.

Diese betrieben von 1956 an eine Reitbahn, vorher hatte die Schaustellerfamilie Kaiser einen fahrenden Zirkus - fast 200 Jahre lang, bis seine Betreiber ihn nicht mehr zeitgemäß fanden. Die Konkurrenz durch das Fernsehen war zu groß.

Auf zehn Volksfesten im Jahr sei er unterwegs, erzählt Siegfried Kaiser, der die Reitbahn 1986 aufgegeben hat und aktuell den Skater betreibt. Und die Feste sind immer wieder ein Familientreffen. So betreibt die Tochter Tanja Kaiser-Grünberg das Breakdance No.1, Tochter Jasmin reist mit dem High Energy und Sohn Sascha ist mit dem Rio Rapido auf der Wiesn.

Dazu kommen unter anderem noch Siegfrieds Cousin Alfons Kaiser und dessen Sohn Alfons Egon (Cyberspace).

Goetzke

Auch die Familie Goetzke ist mit mehreren Attraktionen auf dem Oktoberfest vertreten. Franz und Hilde Goetzke sind mit dem Fahrgeschäft Frisbee auf der Wiesn. Die Söhne Michael und Alexander sind mit Skyfall und Alex Airport vertreten.

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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