München/Unterföhring:Verbrannte Erde

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Die Stadtwerke und der Münchner Stadtrat haben in Unterföhring über die Jahre viel Vertrauen verspielt

Von Martin Mühlfenzl, München/Unterföhring

Horizont heißt der Farbanstrich, den die Stadtwerke München (SWM) dem Heizkraftwerk München-Nord in den Neunzigerjahren verpasst haben. "Das war einer unserer kleinen Erfolge. Eine neue Farbe, damit das Ding in der Landschaft nicht so raussticht", sagt Klaus Läßing und muss unwillkürlich lachen. "Aber unser größter Erfolg war, dass die Stadtwerke irgendwann an die Wand Unterföhring geschrieben haben. Dann wusste wenigstens jeder, wo das Kraftwerk wirklich steht."

Die Menschen im Norden haben sich in den vergangenen Jahrzehnten eine gewisse Leidensfähigkeit gepaart mit einer gehörigen Portion Zynismus angeeignet. Auch Unterföhrings Altbürgermeister Läßing. Für Spötter ist die Region rund um die Mediengemeinde so etwas wie die "Müllhalde des Landkreises" - eingezwängt und durchtrennt von einigen der meist befahrenen Autobahnen der Republik, am Rande des Klärwerks Gut Großlappen gelegen, dem ständigen Fluglärm ausgesetzt. Und als weithin sichtbares Zeichen der Umweltverschmutzung thront auf Unterföhringer Flur das Heizkraftwerk. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn Läßing sagt, er habe in seiner Zeit als Rathauschef - von 1984 bis 2002 - gegen Windmühlen gekämpft. Während die Vorreiter der heutigen Windkraftanlagen als eine der wichtigsten Innovationen im Bereich der erneuerbaren Energie gelten, werden im Heizkraftwerk München-Nord heute noch jährlich etwa 800 000 Tonnen Steinkohle verfeuert, um Strom und Fernwärme zu erzeugen. Bis zu acht Kilogramm giftiges Quecksilber bläst der Kamin des Blocks 2 jedes Jahr in die Luft.

Geht es nach der ÖDP in der Landeshauptstadt, soll damit spätestens Ende 2022 Schluss sein. Die Partei hat mit nahezu 50 000 Unterschriften einen Bürgerentscheid erwirkt, den der Stadtrat diese Woche billigte: Am 5. November stimmen die Münchner über die Abschaltung von Block 2 ab. Nicht aber die Unterföhringer, auf deren Grund das Heizkraftwerk steht und die am meisten unter den Emissionen zu leiden haben. "Das ist eine Ungerechtigkeit, aber wir müssen damit leben", sagt Wolfgang Stubenrauch, der schon lange für den Ausstieg aus der Kohle kämpft. "Wir sind aber froh, dass Stadt und Stadtwerke unter Druck gesetzt werden. Das Wichtigste ist, dass wir aus der Kohle aussteigen." Doch was kommt danach? Ein Gaskraftwerk vielleicht? Josef Trundt, Vorsitzender der Agenda 21 in Unterföhring, stellt auch ein Gaskraftwerk infrage: "Auch Gas ist ein fossiler Energieträger. Aber wir wollen eine echte Energiewende." Trundt übt heftige Kritik etwa an der Umrüstung des Gaskraftwerks Freimann an der Gemeindegrenze. Dort werden zwei neue Gasturbinen eingebaut. "Aber die Stadt hält es nicht für nötig, modernste Filter einzubauen, weil sie unter den Grenzwerten liegen werden", empört sich Trundt. "Das in einer Stadt, die jedes Milligramm Staub wiegt, über Diesel-Fahrverbote redet, aber nicht über die Lebensqualität der Menschen jenseits der Stadtgrenze nachdenkt."

© SZ vom 12.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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