München/Neuperlach:Kulturzentrum oder Salat für alle

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Die letze Diskussion zur Ausstellung "München weiter denken" befasst sich mit Neuperlach 2040. Filmische Visionen junger Studenten treffen auf Realpolitiker aus Stadtrat und Bezirksausschuss

Von Renate Winkler-Schlang, München/Neuperlach

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(Foto: Jonas Hercher und Lea Kimminich)

Das Gewächshaus der Zukunft: ...

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(Foto: Jonas Hercher und Lea Kimminich)

...Neuperlach unter einer alles überspannenden Membran.

Die Entwicklung ihrer Stadt ist den Münchnern wichtig: Die Ausstellung "München weiter denken" des städtischen Planungsreferats in der Rathausgalerie, die an diesem Donnerstag, 8. März, 19 Uhr, zu Ende geht, haben 25 000 Besucher gesehen. Sie wurde begleitet von Stadtspaziergängen und Abendveranstaltungen. Die letzte dieser abendlichen Diskussionen widmete sich dem Thema "Neuperlach 2040".

Filmische Utopien von jungen Masterstudenten der Technischen Universität München sollten als Impuls dienen für eine von Nicolette Baumeister vom Büro Baummeister moderierte Runde, hauptsächlich bestehend aus an Erfahrung und Lebensjahren schon reichen Politikern aus dem Planungsausschuss des Stadtrats und dem Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach. Da traf akademisch fundierte Utopie auf realpolitischen Verstand - und die Moderatorin plagte zuweilen die Angst, ob sich nicht mancher hier ein wenig unverstanden fühlen könnte, was aber alle wortreich verneinten.

Gut 50 Jahre alt ist der Stadtteil Neuperlach, konzipiert als "Entlastungsstadt" für München, mit Hoffnungen, Erwartungen, in einer gewissen Aufbruchstimmung. Davon könnten Studenten und Politiker heute lernen, meinten Stadtbaurätin Elisabeth Merk und Professor Andreas Hild und Andreas Müsseler von der Technischen Universität in ihren Einführungsreden. Heute aber müsse man auch schauen, so Merk, wo sich noch etwas "ergänzen" lasse.

So widmete sich der erste Filmblock konsequenterweise dem Thema "Wachstum, Stadterweiterung und Mobilität". Andreas Beigel und Regine Uelses nahmen im ersten Beitrag "Wald"-perlach ernst und kreierten Bilder vom Wohnen inmitten des nachwachsenden Rohstoffs Holz. Der Wald sorgt hier zudem für Entspannung. Mobilität geschieht mit Seilbahnen, die auf Plattformen und baumförmigen Hochhaustürmen andocken. Coscu Özdemirci und Helin Senbayram verpflanzten als "Experiment" Neuschwanstein, Barcelona, Hongkong oder Moskau auf die Fläche Neuperlachs, um zu veranschaulichen, wie viel und welche Nachverdichtung denkbar ist. Beim Themenblock "Architektur, Digitalisierung und öffentlicher Raum" zeigte Dilara Orujzade im Streifen "Neuneuperlach", wie ein bayrisch sprechender Hausmeister alles, was Bewohner brauchen, in seinem Werkstattkeller kurzerhand ausdruckt: In dieser "Mosaikstadt" können sich Räume schnell veränderten Lebenslagen anpassen. Jonas Hercher und Lea Kimminich machten unter dem Titel "Da habt ihr den Salat" Neuperlach zur Versorgungsstadt der Münchner mit allem, was diese essen müssen und was wegen des Klimawandels nur noch unter einer alles überspannenden Supermembran gedeiht: trotz der hübschen Bilder eine wahre Horrorvision.

Heide Riecke (SPD), Walter Zöller (CSU), Paul Bickelbacher (Grüne), Tobias Ruff (ÖDP), Michael Mattar (FDP) und der Architekt und Siebzigerjahre-Experte Mathieu Wellner griffen Stichworte aus den Filmen auf, redeten über Urban Gardening und städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen, Verwaltungsvorschriften und Blockrandbebauung, Hochhäuser und die autofreie Stadt. Die Studenten verwiesen auf den utopischen und ironischen Aspekt ihrer Filme und Professor Hild darauf, dass diese nur ein Teil einer breit angelegten Lehrveranstaltung waren; das zusammenfassende Buch werde bald fertig sein.

Diplomatisch zeigte sich der Bezirksausschuss-Vorsitzende für Ramersdorf-Perlach, Thomas Kauer (CSU). Es sei immer gut, mit Mut und Fantasie über die Zukunft zu reden - doch man sollte "die heute vorhandenen Defizite mit derselben Vehemenz angehen". Leider könne er sich das immer noch schmerzlich vermisste Kulturzentrum nicht so einfach ausdrucken wie der Hausmeister im Film. Freilich gebe es in Neuperlach aber auch Brachen und Nachverdichtungspotenzial. Am Rande der Veranstaltung erklärte Merk, dass Neuperlach derzeit in den Fokus rücke, weil viele Wohnungen aus der Sozialbindung fallen, Eigentumsverhältnisse sich ändern, Wünsche laut werden: "Da muss es ein Konzept geben."

© SZ vom 08.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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