München:Oktoberfest startet mit nur halb so vielen Besuchern

Lesezeit: 3 min

  • Eine halbe Million Menschen geht an den ersten beiden Tagen auf die Wiesn, etwa halb so viele wie 2015.
  • Das neue Sicherheitskonzept wird zwar umgesetzt, es gibt nach SZ-Informationen aber auch Kritik:
  • Die Kontrollen seien an den Eingängen zum Oktoberfest sehr unterschiedlich streng gehandhabt worden, zum Teil schlampig und unkoordiniert gelaufen.

Von Franz Kotteder, Andreas Schubert und Tom Soyer, München

Beim Trachten- und Schützenzug am Sonntagmittag konnte man fast den Eindruck gewinnen, als wären die Herren in den nachtblauen Overalls eine eigene Trachten-Abteilung innerhalb des Zuges, so viele von ihnen standen um die Ehrentribüne für die Honoratioren aus Stadt- und Landespolitik am Odeonsplatz herum. Ja, man hatte es zum Auftakt schon mit einer sehr sicheren Wiesn zu tun, vor allem mit einer stark gesicherten.

Aus Sicht der Polizei ist denn auch der mit Spannung erwartete Auftakt der neuen Hochsicherheits-Wiesn weitgehend gut gelungen - abgesehen von Ärger mit einigen Ordnern, die offenbar etwas zu lax kontrollierten. Allerdings kamen auch deutlich weniger Besucher als in den Vorjahren: Nur rund eine halbe Million Gäste besuchten nach Schätzung der Stadt die Theresienwiese, etwa halb so viele wie 2015.

Oktoberfest-Trachten
:"Das geht eher Richtung Fasching"

Traditionell oder Trash? Zum Trachtenumzug auf dem Oktoberfest analysiert Schneiderin Traudl Stacheter die Dirndl und Lederhosen, die wir ihr vorgelegt haben.

Protokolle von Franz Kotteder

Wie ernst es die Sicherheitsbehörden mit der Sorge um die Besucher nahmen, zeigte eine Durchsage in den Bierzelten kurz vor dem Anzapfen am Samstag: Auf Bitte der Polizei wurden erstmals die Böllerschüsse angekündigt, die traditionell vom erfolgreichen Anzapfen im Schottenhamel-Zelt künden. Laute Kracher unmittelbar hinter der Wiesn - das hätte zu panischen Reaktionen bei unerfahreneren Besuchern führen können, so die Sorge.

Alle Sorgen erwiesen sich bis zum Sonntagabend als unbegründet. Alles sei ohne nennenswerte Störungen verlaufen, resümierte Claudia Künzel am Sonntagmittag fürs Polizeipräsidium München. Sie erwähnte einen sehr wichtigen Helfer dabei: "Das Wetter hat uns natürlich in die Karten gespielt", der Zustrom auf die Festwiese sei "wetterbedingt weniger" gewesen - ja, an der Münchner Polizei kann man ablesen, dass miserables Regenwetter durchaus auch mal fabelhaft ideal sein kann.

Viele Besucher haben das anders gesehen, denn zum wichtigsten Wiesn-Accessoire dürfte in diesem Jahr weder der Deppenhut noch der Blümchenkranz sondern die Regenhaut werden, vorwiegend transparent, damit man Dirndl und Trachtengewand respektive Lederhose noch gut sehen kann. Ob wegen des Wetters oder aus Terrorangst: Sowohl zum Einzug der Wiesnwirte am Samstag als auch beim Trachten- und Schützenzug am Sonntag säumten deutlich weniger Menschen die Straßen entlang des Zugwegs als in den Jahren zuvor.

Oktoberfest
:Polizei verhindert Vergewaltigung auf der Wiesn

Die Frau ist zu betrunken, um "die Situation zu begreifen". Im Augustiner-Zelt zeigen Wiesnbesucher den Hitler-Gruß. Und draußen schnappt die Polizei Taschendiebe, die extra zum Oktoberfest angereist sind.

Von Tom Soyer

Das dürfte auch den neongelb gekleideten Ordnern die Arbeit erleichtert haben. Zum Einzug der Wiesnwirte beispielsweise ging es am Haupteingang vor dem Marstallzelt zwar ordentlich zu. Längere Wartezeiten gab es an den Eingängen aber nicht. Das Rucksackverbot überraschte fast nur noch ausländische Touristen, die allerdings über Durchsagen auf Englisch und Italienisch informiert wurden.

Die meisten Ordner erledigten ihre Arbeit freundlich, zügig und konsequent. Und dennoch gab es nach SZ-Informationen am Sonntag bei den Behörden starke Kritik an der Arbeit der Sicherheitsleute: Die Kontrollen seien an den Eingängen sehr unterschiedlich streng gehandhabt worden, zum Teil schlampig und unkoordiniert gelaufen.

Am Esperantoplatz etwa riegelte am Samstag eine Kette von 16 bis 20 Ordnern die breite Matthias-Pschorr-Straße komplett ab und tastete zum Teil sogar Besucher ab, während an anderen Eingängen genauere Kontrollen nur sehr sporadisch stattfanden und offenbar auch Besucher mit Gepäck unkontrolliert aufs Gelände kamen. Die Polizei griff am Samstagnachmittag ein und unterstützt seitdem die Ordner bei den Kontrollen.

Oktoberfest
:"Für die, die rausgehen, ist es auch ein Statement"

Sicherheitsdebatte hin, Wetter her: Viele Wiesnzelte sind am ersten Nachmittag wegen Überfüllung geschlossen - wie es sich für das Oktoberfest gehört.

Von Laura Kaufmann

Das zuständige städtische Wirtschaftsreferat spricht auch von "Anlaufschwierigkeiten". Die Festleitung habe "Unregelmäßigkeiten" erkannt. Wiesn-Bürgermeister Josef Schmid sagte der SZ, die Zahl der Ordner sei von 250 auf 450 erhöht worden. "Dass da nicht alles in erster Sekunde klappen wird, war klar." Man habe nachgebessert und es soll in Zukunft "mehr Häuptlinge" an den Kontrollstellen geben. Die Koordinierung liegt beim Security-Unternehmen Kötter, das selbst Subunternehmer im Einsatz hat. Offenbar sind einige Mitarbeiter erst relativ kurzfristig in das Kontrollkonzept eingewiesen worden. Dazu kommt noch die Security in den Zelten.

Auf die Kontrollen am Eingang reagierten die meisten Besucher gelassen ("Das ist halt jetzt wie am Skilift in Kitzbühel"), mehr Ärger gab es an den Gepäckstationen, wo sich bis zu 15 Meter lange Schlangen bildeten - nicht zuletzt deshalb, weil jedes Gepäck vor dem Einlagern erst kontrolliert werden musste.

Auf dem Gelände selbst war sowohl am Samstag als auch am Sonntag deutlich weniger los als sonst bei einer vergleichbaren Wetterlage. Noch die wenigsten Einbußen dürften die Wirte der großen Wiesnzelte gehabt haben, sieht man einmal von den praktisch leeren Biergärten vor den Zelten ab. Die Zelte selbst mussten zwar wegen Überfüllung später geschlossen werden als an normalen Wiesn-Samstagen, und auch nicht alle, aber drinnen herrschte der ganz normale Oktoberfestwahnsinn. Gradmesser für den Erfolg eines Oktoberfests ist auch jedes Jahr der Konsum von Ochsenfleisch. Neun Ochsen seien in den ersten beiden Tagen verspeist worden, heißt es in der Auftaktbilanz. Einer weniger als 2015.

Positiv bemerkbar macht sich der Besucherrückgang auch beim Roten Kreuz: Dessen Sanitäter mussten bis zum Sonntagmittag rund 350 Patienten versorgen, etwa 45 Prozent weniger als im Vorjahr. Auch das Zentral-Landwirtschaftsfest auf dem Südteil der Theresienwiese lief eher verhalten an. Am Sonntag war noch viel Platz in den Gassen zwischen den Zelten. Die Festleitung gab sich zufrieden, wies aber darauf hin, dass das Fest sich auch besonders gut für einen Besuch an Regentagen eigne, wegen des großen Tierzelts und des Lebensmittelzelts - das Zentral-Landwirtschaftsfest findet wegen des Wetters zum großen Teil im Saale statt.

Übrigens: Offenbar hatten zu viele Besucher gehofft, dass sich das Wetter im Laufe des Wochenendes zum Positiven hin ändern werde. So mussten sie sich auf der Wiesn für teuer Geld mit Regenschutz ausstatten. Laut Wirtschaftsreferat ist das der Verkaufsrenner Nummer eins.

© SZ vom 19.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Oktoberfest
:Wiesn-Sause mit Justin und Elyas

Was wäre das Oktoberfest ohne Promis - vor allem, wenn sich ein US-Star und ein Teenie-Idol unter die Feiernden mischen. Die Promi-Bilder vom ersten Wiesn-Wochenende.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: