Naturschutz:Goldfische bedrohen seltene Wechselkröte

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An der Uni Bayreuth wird mit Goldfischen experimentiert, das missfällt Tierschützern. (Foto: CATHERINAHESS/Catherina Hess)

Unbekannte haben 150 Fische in einem Tümpel im Münchner Norden ausgesetzt. Die bedrohen dort den Laich der geschützten Kröten. Eine Rettungsaktion der Stadt kommt wohl gerade noch rechtzeitig.

Von Thomas Anlauf

Wirklich bedrohlich wirken die Fischlein zunächst nicht, wie sie da in der weißen Wanne schwimmen. Der größte Goldfisch, den die Fischereifachberater Bernhard Gum und Tobias Ruff an diesem Donnerstagmorgen mit Keschern aus dem trüben Tümpel ziehen, misst gerade mal ein paar Zentimeter. Doch die Goldfische, die ein vermeintlich tierlieber Mensch in dem knietiefen Wasser ausgesetzt hat, bedrohen akut andere Kreaturen: die Wechselkröten. Sie kommen nur noch sehr selten in Bayern vor, zwei Drittel des landesweiten Bestands leben tatsächlich an wenigen Orten in München. Die Rettungsaktion der Unteren Naturschutzbehörde für die Wechselkröten in einem Biotop westlich der Lassallestraße im Münchner Norden kommt in letzter Minute, bevor die Goldfische den Laich des Lurchs wegfressen.

Es ist ein fast unbekanntes Biotop nördlich des Frankfurter Rings, in dem sich die Wechselkröten wohlfühlen. Hier entstehen immer wieder kleine Tümpel, die vom Grundwasser gespeist sind. Hohe Birken stehen hier, Erlen, die Palmkätzchen einer Sal-Weide neben dem winzigen Weiher beginnen gerade zu sprießen. Ruff, der neben seinem Beruf als Fischereiberater ÖDP-Stadtrat ist, wirft einen kleinen Generator an, stapft mit seinem Kollegen Gum und zwei Keschern in die braune Brühe des schattigen Tümpels. Die beiden Experten fischen an diesem Morgen mithilfe von Strom im Trüben, um die ausgesetzten Goldfische einzusammeln.

Die Wechselkröte kommt im Landkreis Fürstenfeldbruck noch vor. (Foto: Günter Hansbauer/dpa)

Die karpfenartigen Fische gehören definitiv nicht in das kleine Gewässer. Bis auf Fischreiher, die gelegentlich vorbeifliegen, haben die Goldfische hier normalerweise nichts zu befürchten. Dafür können sie enormen Schaden anrichten. Die aus China und Japan stammenden Tiere fressen so ziemlich alles, was ihnen vors Maul kommt: Algen, Larven, aber auch Froschlaich und Kaulquappen, da sind sie nicht wählerisch. "Die Strategie der Wechselkröte ist es eigentlich, dort zu leben, wo es keine Prädatoren gibt", sagt Julia Zimprich. Sie ist Expertin der Unteren Naturschutzbehörde und hat die Abfischaktion maßgeblich organisiert. Doch hier in dem kleinen schattigen Weiher am Fuß eines Hangs leben nun Prädatoren, räuberische Vielfraße aus irgendeinem Aquarium oder Goldfischteich.

Die Fischereiexperten Ruff und Gum haben innerhalb von zwei zehnminütigen Kescheraktionen etwa 150 Fische aus dem Wasser gezogen. Über den Kescher und ein zweites Kabel im Wasser werden mehrere Hundert Volt ins Wasser gejagt, das lähmt die Goldfische kurzfristig, so können sie leicht herausgefischt werden. Auch eine ziemlich fette schwarze Libellenlarve ist neben modernden Blättern als Beifang dabei. Auch die können dem Krötennachwuchs gefährlich werden, aber wenigstens kommen Libellen hier natürlicherweise vor. Goldfische dagegen sind gefährliche Gäste in dem Gewässer. Denn sie vermehren sich rasch und haben hier nichts zu suchen.

Unter Strom: Tobias Ruff und Bernhard Gum jagen über Kescher und Kabel mehrere Hundert Volt ins Wasser. Das lähmt die Goldfische kurzfristig, so können sie leicht herausgefischt werden. (Foto: Catherina Hess)

"Es kann dann ein ganzer Jahrgang an Wechselkröten ausfallen", sagt Julia Zimprich. Und das wäre fatal, denn obwohl sie in München noch erstaunlich häufig vorkommen, sind sie nur noch an ganz wenigen Standorten zu finden, etwa in der Fröttmaninger Heide. Dort wurden vor fünf Jahren etwa 400 Goldfische aus einem Tümpel geholt, zwei Jahre zuvor bedrohten die Tiere eine Population von Kammmolchen in der Aubinger Lohe.

Münchner Naturschutzorganisationen mahnen seit Jahren, Goldfische nicht einfach in einem Tümpel auszusetzen. Damit können sie viel Schaden anrichten. In Naturschutzgebieten ist es ausdrücklich verboten, Pflanzen oder Tiere dort anzusiedeln, was sogar strafrechtlich verfolgt werden kann. Die kleinen Goldfische aus dem namenlosen Tümpel nahe der Lassallestraße werden übrigens wohl nicht wieder in ein Aquarium zurückkehren. "Zierfischhändler winken da oft ab", sagt Fischereifachberater Bernhard Gum. Die gefangenen Goldfische werden nun zur Münchner Reptilienauffangstation gebracht. Wer weiß, ob sie dort weiter in einem Bassin leben dürfen oder verfüttert werden.

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