Neues Gymnasium Ottobrunn:Wunderlernland

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Ottobrunns Gymnasiasten kehren heim - in ihre neu errichtete Schule, der sie schon den Namen Hogwarts verpasst haben. Die Welt soll Einzug halten in ein offenes Haus mit Klassenzimmern ohne Türen.

Von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn

Auf dem Weg in die Räume der Fünftklässler kann sich Achim Lebert ein Lächeln nicht verkneifen. Eigentlich grinst der Direktor des Ottobrunner Gymnasiums schon im grau gehaltenen Treppenaufgang bei jeder Stufe, die er mit leichten Schritten nimmt, ein wenig mehr wie ein Schulbub, der gerade erfahren hat, dass es Hitzefrei gibt. Aber die Sache liegt in diesen Tagen ganz anders: Lebert - und mit ihm alle Schulbuben und -mädchen für die er Verantwortung trägt - sind voller Vorfreude, dass sie bald "in" die Schule gehen dürfen. In ihre eigene, die sie selbst mitgestaltet haben und die nach ihren Wünschen und Vorstellungen ausgestaltet worden ist.

Nach etwas mehr als zweieinhalb Jahren im Exil in Höhenkirchen-Siegertsbrunn kehren die Gymnasiasten und Lehrer nach den Osterferien zurück an ihren alten Standort an der Ottobrunner Karl-Stieler-Straße am S-Bahnhof - in eine vollkommen neue Schule. Doch die Ottobrunner werden sich nicht nur in einer veränderten Umgebung zurecht finden müssen, sagt Direktor Lebert: "Es wird sich auch das Lernen verändern. Das wird für alle sehr, sehr spannend."

Ein weicher Teppichboden soll künftig den Lärm absorbieren

Im zweiten Stock angekommen - und natürlich immer noch leicht grinsend -, bittet der Schulleiter darum, die Schuhe auszuziehen. Lebert selbst schlüpft natürlich auch aus seinen Stiefeln und tritt ein in die neue, mit einem weichen und quasi Lärm absorbierenden Teppichboden ausgelegte Lern-Wunderwelt. Auch die Handwerker, die hier noch zugange sind, schlurfen ehrfürchtig und auf Socken über den neuen Boden. "Und die Schüler diskutieren momentan, ob sie hier nur mit Hausschuhen rein dürfen", sagt Lebert. "Und das sollen sie auch selbst entscheiden - es wird ihr Bereich, für den sie dann auch Verantwortung tragen."

Hogwarts haben die Schüler ihr Schule während der Planungen genannt. Nicht wegen einer möglichen Erweiterung des Lehrplans um das Fach "Verteidigung gegen die dunklen Künste", sondern der Einteilung in eigene "Häuser wie bei Harry Potter", sagt Lebert. Ganz oben, zweiter Stock, im östlichen Teil des Neubaus, dort sind künftig etwa die fünf Eingangsklassen untergebracht - im nächsten Bereich und abgetrennt von den "Kleinen" kommen dann schon die Älteren. In ihrem eigenen Haus, ihrer Lernoase, wie Lebert sagt. Es ist ein ganz neues Konzept, das hier verwirklicht wird: Die Oase ist der Mittelpunkt für die Jahrgangsstufe, rundherum sind jeweils fünf Klassenzimmer angeordnet - doch die Zimmer sind offen, vier davon haben keine Türen, durch große Fenster kann jeder in den Raum sehen.

"Wir wollen die Welt in die Schule reinholen", sagt Direktor Achim Lebert

Direktor Lebert steht vor einem dieser Fenster und blickt in ein Klassenzimmer, in dem bald Fünftklässler pauken werden. "Aber nicht mehr wie früher. Wir wollen die Welt in die Schule rein holen - und das Lernen aus den Zimmern heraus", sagt er. "Es wird so sein, dass auch die Lehrer künftig sehen, was und wie der Kollege unterrichtet." Und das alles in Räumen, die einem nicht mehr das Gefühl vermitteln, in einer Kaserne gedrillt zu werden, sagt er: "Es ist eine besondere Wärme, die von diesen Räumen ausgeht. Und sie hat sicher zur Folge, dass unsere Schüler ganz besonders darauf aufpassen, sie pflegen." Und die Lautstärke - bei offenen Klassenzimmern? "Das wird sich einspielen. In den Oasen werden sich Regeln finden müssen. Durch die Offenheit wird man mehr Rücksicht nehmen."

Vom alten Gymnasium, dem kalten abweisenden Betonklotz ist nur noch der "Neubau" aus dem Jahr 2001 übrig geblieben; dieser wird momentan auch hergerichtet, gestrichen, mit neuen Boards ausgestattet. Die Elft- und Zwölfklässler werden hier künftig auf ihr Abitur lernen - abgetrennt vom Neubau, als eigene Einheit. Vom alten Neubau führt eine Treppe in die Aula des neuen Gymnasiums, ein lichtdurchfluteter Raum für Veranstaltungen mit bis zu 700 Personen - die Abiturfeiern werden hier künftig stattfinden. Direkt an die Aula grenzt auch die neue Bibliothek, ein gläserner Raum, in dem sich die Schüler künftig Laptops ausleihen und in eigens geschaffenen Lernkabinen zurückziehen können.

Einen Ruheraum soll es geben - und direkt gegenüber den Toberaum

Ein paar Meter weiter richten Handwerker derzeit zwei besondere Zimmer ein: linkerhand des Gangs einen Ruheraum, für alle jene, die einen Moment der Stille suchen - und direkt gegenüber den Toberaum. "So haben ihn die Schüler schon genannt. Aber eine Gummizelle ist es nicht", sagt Lebert und lacht. "Da können sie sich einfach austoben." Auch dieser Raum hat ein großes Fenster hin zum Gang. Alles scheint in diesem neuen Gymnasium durchlässig, offen, einladend zu sein.

Und das alles für einen akzeptablen Preis: 35 Millionen Euro hat der Zweckverband in den Neubau investiert; das Gymnasium Grünwald hingegen hat mehr als 60 Millionen Euro gekostet und muss bereits erweitert werden. Dieser Fall wird in Ottobrunn nicht eintreten. "Wir sind als Gymnasium für 1250 Schüler konzipiert, und das war es dann auch", sagt Lebert. "Das ist auch eine vernünftige Größe für eine Schule."

Im ersten Stock übrigens darf der Schulleiter seine Schuhe wieder anziehen. Dort befinden sich die Räume der naturwissenschaftlichen Fächer und für die Lehrer. Leberts Büro mutet von der Größe her eher bescheiden an - er wird auch seine alten Möbel behalten: "Die sind erst zehn Jahre alt." Nebenan residieren künftig die Sekretärinnen mit einem Luxus, den sie in ihrem Provisorium in Höhenkirchen-Siegertsbrunn nicht kannten: einer Küche. In Ottobrunn ist das nun aber nichts Außergewöhnliches mehr. In jedem "Haus" von Neu-Hogwarts gibt es mindestens eine Kochnische. "Wir sind die Schule mit den meisten Küchen", sagt Lebert - und grinst.

© SZ vom 27.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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